Gedichte schreiben die ankommen – Ohne Kitsch und Krampf

Letzte Aktualisierung - 12. August 2025 17:37

Gedichte schreiben. Klingt erstmal nach Deutschunterricht und peinlichen Vorträgen, oder? Dabei haben wir alle schon mal eins probiert. Heimlich. Nachts. Und dann schnell wieder gelöscht, weil’s zu kitschig war.

Ich erinnere mich an mein erstes Gedicht mit 14. Ging um Liebeskummer und reimte sich „Schmerz“ auf „Herz“. Klassiker. War furchtbar, aber ehrlich. Und ehrlich ist schon mal die halbe Miete.

Das Problem: Wir denken, Gedichte müssen klingen wie aus dem 18. Jahrhundert. Müssen sie nicht. Ein gutes Gedicht klingt wie du – nur etwas konzentrierter.

Warum die meisten Gedichte scheiße sind

„Rosen sind rot, Veilchen sind blau“ – okay, Darwin. Sehr beobachtungsstark.

Oder diese erzwungenen Reime: „Liebe ist schön wie ein Kuss, auch wenn’s manchmal Stress ist und Verdruss.“ Autsch. Wer so redet, braucht Hilfe.

Das größte Problem: Gedichte werden oft zu künstlich. Als müsste man plötzlich eine andere Sprache sprechen. Dabei sind die besten Gedichte die, wo man den Menschen dahinter spürt.

Was tatsächlich funktioniert

Vergiss alles, was du über Gedichte gelernt hast. Fast alles.

Reime sind optional Kein Gedicht ist schlecht, nur weil es sich nicht reimt. Manchmal ist kein Reim besser als ein schlechter.

Schlecht: „Ich liebe dich sehr, mein Herz ist so schwer“ Besser: „Du trinkst Kaffee aus meiner Tasse und das ist irgendwie perfekt“

Alltag ist Poetry Die besten Gedichte handeln von normalen Sachen. Nicht von Ewigkeit und Unendlichkeit, sondern von Montag morgen und leerem Kühlschrank.

„Sonntag abend Netflix fragt mich schon wieder ob ich noch da bin Bin ich Leider“

Kurz kann kraftvoll sein Ein Gedicht muss nicht seitenlang sein. Manchmal reichen vier Zeilen.

„Deine Nachricht um zwei Uhr nachts Du denkst also auch an mich“

Verschiedene Anlässe ohne Stress

Für jemanden, den du magst: Nimm was Konkretes. Wie er lacht, wie sie Tee trinkt, was euch verbindet.

„Du lachst über deine eigenen Witze Andere würden das peinlich finden Ich finde es ehrlich Und ehrlich ist selten“

Für traurige Momente: Hier darf’s emotional werden, aber nicht übertrieben.

„Heute ist einer von den Tagen wo auch Schokolade nicht hilft Aber morgen ist ein neuer Tag Hoffentlich“

Über das Leben allgemein: Beobachtungen, die jeder kennt, aber keiner ausspricht.

„Erwachsensein bedeutet ständig zu fragen Was koche ich heute und nie eine Antwort zu haben“

Meine Tricks aus Jahren des Versuchens

Der Moment-Trick: Nimm einen ganz bestimmten Moment und beschreib ihn. Was hast du gesehen, gefühlt, gedacht?

„Heute morgen beim Bäcker hat die Verkäuferin gelächelt Echter als das meiste was ich diese Woche gesehen hab“

Der Liste-Trick: Schreib eine Liste von Dingen auf, die dir an jemandem oder etwas gefallen. Mach ein Gedicht draus.

„Ich mag wie du Musik hörst mit geschlossenen Augen als wärst du woanders und trotzdem hier“

Der Vergleichs-Trick: „Du bist wie…“ – aber nicht wie eine Rose. Wie was denn dann?

„Du bist wie WLAN in fremden Städten Wenn’s funktioniert ist alles gut“

Der Ehrlichkeits-Trick: Schreib auf, was du wirklich denkst. Ohne Filter.

„Ich tue so als hätte ich mein Leben im Griff Dabei google ich wie man Eier kocht“

Technische Sachen (muss nicht kompliziert sein)

Rhythmus: Lies dein Gedicht laut vor. Stolperst du? Dann stimmt der Rhythmus nicht.

Pausen: Zeilenumbrüche sind wie Kommas. Sie geben Pausen vor.

„Du sagst Ich liebe dich Ich sage Ich auch“

Wiederholungen: Können gut wirken, wenn sie nicht übertrieben sind.

„Manchmal denke ich Manchmal fühle ich Manchmal weiß ich einfach Du fehlst mir“

Verschiedene Stile probieren

Moderne Alltagslyrik: „WhatsApp zeigt mir du warst zuletzt online vor drei Stunden Ich frage mich was du in der Zeit gemacht hast“

Minimalismus: „Regen Du Ich Perfekt“

Narrative Gedichte (erzählen eine kleine Geschichte): „Heute im Supermarkt hat ein Kind geweint Seine Mutter war müde Ich auch Wir haben uns verstanden ohne Worte“

Humor-Gedichte: „Mein Leben in drei Akten: Kaffee trinken Überleben Schlafen gehen“

Was du vermeiden solltest (aus Erfahrung)

  • Zu viele Adjektive („wunderschöne, zauberhafte, perfekte Liebe“)
  • Gestelzte Sprache („Meine Angebetete“)
  • Klischee-Metaphern (Herz aus Stein, Liebe wie ein Feuer)
  • Zu lange Gedichte (Aufmerksamkeitsspanne ist begrenzt)
  • Reime um jeden Preis

Für verschiedene Zielgruppen

Für Freunde: Kann lockerer sein, mit Insider-Witzen.

„Erinnerst du dich an letzten Samstag Als wir vergessen haben wo wir das Auto geparkt haben Und zwei Stunden gesucht haben Das war trotzdem schön“

Für Familie: Etwas traditioneller, aber nicht steif.

„Sonntag bei Oma Kaffee und Kuchen und Geschichten die ich schon hundertmal gehört hab Aber gerne nochmal höre“

Für Social Media: Kurz und prägnant.

„Montag ist ein Gefühl kein Wochentag“

Der Realitäts-Check

Würdest du das Gedicht vorlesen können, ohne rot zu werden? Wenn ja: gut.

Klingt es nach dir oder nach jemandem, der versucht, poetisch zu sein? Nach dir ist besser.

Versteht es auch jemand, der nicht in deinem Kopf wohnt?

Was am Ende zählt

Ein Gedicht muss nicht perfekt sein. Es muss nur ehrlich sein. Es muss zeigen, was in dir vorgeht. Wie du die Welt siehst. Was dich bewegt.

Die schönsten Gedichte sind oft die über ganz normale Sachen. Weil normale Sachen das Leben sind.

Und falls es trotzdem schief geht: Gedichte sind wie Pfannkuchen. Der erste ist meistens Müll, aber man wird besser.

Also: Probier’s einfach. Schreib auf, was dir durch den Kopf geht. Mach Zeilenumbrüche an Stellen, wo du eine Pause machen würdest.

Fertig. Du hast ein Gedicht geschrieben.

War gar nicht so schwer, oder?

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