
Letzte Woche im Supermarkt: Lebkuchen. Es ist August. AUGUST! Daneben Schulranzen und Sonnencreme. Deutschland in a nutshell – wir planen Weihnachten, während andere noch Urlaub machen.
Die Kassiererin schüttelt den Kopf. „Wird jedes Jahr früher“, murmelt sie, während sie meine Tomaten scannt. Neben den Spekulatius.
Willkommen in der deutschen Feiertags-Realität 2025.
Weihnachten: Der Endgegner aller Feiertage
Früher war Weihnachten magisch. Heute ist es ein militärischer Einsatz mit Geschenkeliste und Zeitplan.
September: Erste Lebkuchen in den Läden. „Viel zu früh!“, empört sich die Nation. Kauft sie trotzdem.
Oktober: Christstollen. Weil… warum eigentlich? Niemand weiß es.
November: Weihnachtsmärkte öffnen. Mit Glühwein bei 15 Grad. „Ist doch gemütlich!“
Dezember: Panik. „Ich hab noch nichts für Tante Gerda!“ Hassmärsche durch die Innenstädte.
Meine Nachbarin dekoriert seit Jahren im Oktober. Nicht nur drinnen. Das ganze Haus. Inklusive dieser blinkenden Rentiere auf dem Dach.
„Weihnachtsstimmung!“ sagt sie fröhlich.
Die anderen Nachbarn sagen andere Dinge. Weniger fröhlich.
Der Stress mit der Besinnlichkeit
„Stille Nacht, heilige Nacht“ – während Mama in der Küche hyperventiliert, weil der Braten noch nicht durch ist und Opa schon wieder über Politik redet.
Deutsche Weihnachten sind ein Paradox: Wir wollen Ruhe und Besinnung, organisieren aber das logistische Äquivalent einer Weltreise.
Geschenke für 47 Familienmitglieder besorgen. Drei verschiedene Weihnachtsfeiern koordinieren. Urlaub zwischen den Jahren buchen (seit Januar ausverkauft). Kekse backen (obwohl sie im Laden besser schmecken).
Und am Ende: „War schön, aber anstrengend.“
Ostern: Der vergessene Feiertag
Ostern ist das bessere Weihnachten. No pressure, nur Schokolade und Frühling.
Aber Deutschland schafft es trotzdem, daraus Stress zu machen.
Ostereier färben wird zur Kunstausstellung. Pinterest sei Dank. Einfache bunte Eier reichen nicht mehr. Es müssen marmorierte, mit Naturfarben getönte, handdekorierte Kunstwerke sein.
Osterbrunch: Früher ein hartgekochtes Ei. Heute ein Event mit fünfgängigem Menü und handgemachtem Osterkorb.
Osterspaziergang: Pflicht. Auch wenn es regnet. Auch wenn niemand Lust hat. „Das macht man so.“
Die Kommerzialisierung des Heiligen
Religiosität in Deutschland: 52% konfessionell gebunden, aber nur 8% gehen regelmäßig zur Kirche.
Trotzdem feiert jeder Weihnachten. Warum? Weil’s schön ist. Weil’s Tradition ist. Weil Geschenke.
Der spirituelle Aspekt ist optional geworden. Das Konsumieren nicht.
Durchschnittsgeld für Weihnachtsgeschenke pro Haushalt: 475 Euro. Für Kirchensteuern: 168 Euro.
Die Rechnung ist klar.
Pfingsten: Der unbekannteste Feiertrag
„Was feiern wir eigentlich an Pfingsten?“
„Äh… irgendwas mit… Heiligem Geist?“
„Achso. Hauptsache frei.“
Pfingsten ist der Mystery-Feiertag. Jeder nimmt ihn mit, keiner weiß warum. Perfect.
Pfingstmontag fühlt sich immer wie ein Geschenk an. Überraschungsfreizeit mitten im Frühjahr. Als hätte Deutschland zufällig einen Extra-Urlaubstag gefunden.
Regional-Feiertage: Postcode-Lottery
In Bayern: Mariä Himmelfahrt. In Berlin: Internationaler Frauentag. In Thüringen: Reformationstag.
Und ich? Sitze in NRW und hab nix davon.
Deutsche Gerechtigkeit: Je nachdem, wo du geboren wurdest, hast du mehr oder weniger frei. Föderalismus at its finest.
Kollege aus München: „Hab schon wieder frei morgen!“ Ich: „Schön für dich.“
Every. Single. Time.
Neue deutsche Feiertags-Traditionen
Valentinstag: Importiert aus Amerika, mit deutscher Gründlichkeit umgesetzt. Blumen sind ausverkauft, Restaurants seit Wochen ausgebucht.
Halloween: Dito. Deutsche Kinder ziehen Kürbis-verkleidet durch Siedlungen, deren Bewohner nicht verstehen, was passiert.
Black Friday: Der heiligste aller neuen Feiertage. Konsum als Religion.
St. Patrick’s Day: In München wird mehr Guinness getrunken als in Dublin. Cultural appropriation oder einfach fun?
Arbeitsfreie Tage vs. freie Tage
Feiertag heißt nicht automatisch frei haben. Einzelhandel, Gastronomie, Krankenhäuser – die Gesellschaft läuft weiter.
Während die einen „Besinnlichkeit“ praktizieren, sorgen andere dafür, dass’s läuft.
Fair? Nope. Real? Unfortunately, yes.
Feiertags-Traditionen, die keiner mehr versteht
Maibaum aufstellen: Warum hängen wir einen Baum auf? „Ist halt Tradition.“
Fronleichnam: Prozessionen durch Kleinstädte. Teilnehmer: 73% über 60.
Buß- und Bettag: Existiert noch in Sachsen. Was man da tut? Good question.
Reformationstag: Luther hätte Spaß daran, dass wir seinen Protest kommerzialisiert haben.
Weihnachtsmärkte: Touristenattraktion mit Lokalkolorit
Früher: Handwerk und heiße Getränke für die Dorfgemeinschaft. Heute: Event-Tourism mit Franchise-Ständen.
Trotzdem schön. Aber anders schön.
Nürnberger Christkindlmärkte ziehen Millionen an. Für überteuerte Bratwurst und Plastik-Souvenirs aus China.
„Authentische deutsche Weihnachtsatmosphäre!“
Made in Shenzhen.
Digitale Feiertage
Frohe Weihnachten per WhatsApp-Gruppennachricht. Ostergrüße als Instagram-Story. Neujahrs-Posts mit Stock-Photo-Feuerwerk.
Efficiency über Emotion.
Oder auch: So erreiche ich 200 Leute gleichzeitig, ohne 200 verschiedene Messages zu schreiben.
Modern problems require modern solutions.
Feiertags-Food-Traditionen
Weihnachten: Gans oder Karpfen. Warum? „War schon immer so.“
Ostern: Lammfleisch. In einem Land, wo 90% das ganze Jahr über Schweinefleisch essen.
Pfingsten: Spargel? Erdbeeren? Whatever’s in season.
Silvester: Raclette. Because nothing says „new year“ like melted cheese.
Food-Traditionen ändern sich langsam. Sehr langsam. Deutsche Geschwindigkeit eben.
Wetter vs. Feiertag
Murphy’s Law der Feiertage: Schönster Tag im Jahr = Montag. Feiertag = Dauerregen.
Osterspaziergang im Schneematsch. Pfingst-Grillen mit Regenschirm. Weihnachtsmarkt bei 15 Grad und Sonnenschein.
German weather doesn’t care about your celebration plans.
Generationen-Clash bei Feiertagen
Boomer: „Früher war Weihnachten noch richtig schön.“ Millennials: „Können wir nicht einfach Pizza bestellen?“ Gen Z: „Ist das nachhaltig, was wir hier machen?“
Jede Generation feiert anders. Jede Generation beschwert sich über die andere.
Eternal cycle.
Corona und die Neuerfindung der Feiertage
2020: „Weihnachten fällt aus!“ 2021: „Weihnachten mit Maske und Test!“ 2022: „Endlich wieder normale Weihnachten! Wait, was war nochmal normal?“
Lockdown-Feiertage waren weird, aber auch… honest?
Kleinere Runden. Weniger Stress. Mehr focus auf das, was wirklich zählt.
Some people liked it better. Aber das sagt man nicht laut.
Was wir wirklich feiern
Nicht die historischen oder religiösen Ereignisse. Sondern das Zusammensein.
Die Ausrede, Familie zu treffen. Den Grund, mal innezuhalten. Die Erlaubnis, sentimental zu werden.
Feiertage sind Anker im Jahr. Fixed points in einem sich ständig ändernden Leben.
Ausblick: Welche Feiertage kommen noch?
Pride Month wird immer größer. Bald offizieller Feiertag?
Tag der Deutschen Einheit: Wichtig, aber nicht emotional.
Earth Day: Gen Z macht Druck.
Mental Health Day: Überfällig.
Gesellschaft verändert sich. Feiertage auch.
Was bleibt
Feiertage sind künstlich. But so is all culture.
Sie geben unserem Jahr Struktur. Rhythm. Meaning.
Ja, sie sind kommerzialisiert. Ja, sie sind stressig. Ja, sie haben oft wenig mit ihrem ursprünglichen Zweck zu tun.
But they’re still important.
Sie erinnern uns daran, was wir wertschätzen. Family, tradition, community. Auch wenn wir das nur einmal im Jahr richtig zelebrieren.
Nächste Woche kaufe ich die ersten Lebkuchen. Nicht weil es Sinn macht. Sondern weil sie da sind.
Und weil ein bisschen Weihnachtsmagie im August auch nicht schadet.
Frohe Feiertage, wann auch immer ihr das hier lest.