
Okay, ich muss euch mal was gestehen. Als Venus das letzte Mal rückläufig durch die Jungfrau gelaufen ist, habe ich meinem Partner vorgeworfen, dass er die Spülmaschine „falsch“ einräumt. Nicht suboptimal oder ungeschickt – nein, FALSCH. Als gäbe es eine universelle Wahrheit über die korrekte Platzierung von Tellern.
Das ist Venus rückläufig in der Jungfrau in einer Nussschale: Du wirst plötzlich zur Beziehungspolizei, ohne dass es jemand von dir verlangt hätte.
Warum diese Phase so verdammt anstrengend ist
Normalerweise ist Venus ja die Entspannte unter den Planeten. Sie will Harmonie, Schönheit, alles soll fließen und sich gut anfühlen. Aber wenn sie rückläufig durch die Jungfrau torkelt, wird aus der charmanten Gastgeberin eine Controllerin mit Checkliste.
Die Jungfrau ist an sich schon… nun ja, speziell. Dieses Zeichen will alles perfekt haben, und zwar gestern. Jetzt stell dir vor, Venus – die normalerweise mit rosaroten Herzchen um sich wirft – bekommt plötzlich eine Lupe in die Hand gedrückt und den Auftrag, alle deine Beziehungen auf Herz und Nieren zu prüfen.
Das Ergebnis? Du findest plötzlich Fehler an Menschen, die dir jahrelang völlig okay vorkamen. Deine beste Freundin kommt ständig zu spät (stimmt zwar, aber hat dich früher nie gestört). Dein Partner vergisst andauernd, den Müll rauszubringen (auch das ist nicht neu). Aber jetzt, JETZT stört es dich so sehr, als würde er persönlich deine Lebensqualität sabotieren.
Die drei Stadien des Wahnsinns
Stadium 1: Der Schock (oder „Was ist denn plötzlich los?“)
Am Anfang merkst du noch nicht, was passiert. Du denkst einfach, alle anderen sind auf einmal komisch geworden. Dein Partner macht plötzlich „nervige“ Geräusche beim Essen (die er wahrscheinlich schon seit Jahren macht). Deine Kollegin redet zu laut (vermutlich auch nichts Neues).
Ich erinnere mich an eine Kundin, die während dieser Phase ernsthaft überlegt hat, ihren Verlobten zu verlassen, weil er seine Socken neben den Wäschekorb gelegt hat. Neben. Nicht hinein. Das war für sie der Beweis, dass er sie nicht respektiert. Spoiler Alert: Nach der Rückläufigkeit haben sie geheiratet, und die Socken-Geschichte ist jetzt ein Running Gag.
Stadium 2: Die Obsession (oder „Ich muss das ALLES analysieren“)
Hier wird’s richtig wild. Du fängst an, jeden Aspekt deiner Beziehungen zu sezieren wie ein Forensiker am Tatort. Plötzlich erinnerst du dich an Gespräche von vor drei Jahren und interpretierst sie komplett neu. „Als er damals gesagt hat, mein Kuchen sei ‚interessant‘ – wollte er damit sagen, dass er ihn scheiße fand?“
Eine Freundin hat mal während dieser Phase eine Excel-Tabelle erstellt. Ernsthaft. Sie hat aufgelistet, wer in ihrer Clique wie oft die Restaurant-Rechnung bezahlt hat. Sie wollte „Gerechtigkeit“ in der Gruppe schaffen. Spoiler Alert #2: Das hat fast alle Freundschaften gesprengt.
Die Jungfrau-Energie in Kombination mit Venus rückläufig ist wie ein Detektiv, der auch dann noch nach Beweisen sucht, wenn der Fall längst gelöst ist. Du findest IMMER etwas, was du bemängeln kannst. Immer.
Stadium 3: Die Erschöpfung (oder „Mir ist alles zu viel“)
Irgendwann bist du so müde vom Analysieren, dass du am liebsten alle sozialen Kontakte canceln möchtest. Menschen sind kompliziert, Beziehungen sind anstrengend, und das Leben war doch mal einfacher, oder?
Hier ziehen sich viele komplett zurück. Sie denken, sie müssen erst an sich arbeiten, bevor sie wieder beziehungsfähig sind. Das Problem dabei: Die Jungfrau-Energie kann aus jedem Selbstverbesserungsversuch ein Perfektionsprojekt machen, das nie endet.
Was wirklich dahinter steckt
Aber mal ehrlich – diese ganze Pingelig-Phase hat auch ihre Berechtigung. Manchmal übersehen wir wirklich wichtige Dinge in unseren Beziehungen, weil wir zu harmoniesüchtig sind (danke, Venus). Die Jungfrau-Energie zwingt uns dazu, genauer hinzuschauen.
Vielleicht störst du dich nicht wirklich an den Socken neben dem Korb. Vielleicht geht es darum, dass du dich generell nicht genug wertgeschätzt fühlst. Die Socken sind nur das Symbol.
Die Frage ist: Wie unterscheidest du zwischen berechtigter Kritik und Jungfrau-Wahnsinn?
Der Reality Check
Hier ein paar Fragen, die ich meinen Kunden während Venus rückläufig in der Jungfrau immer stelle:
- Störe ich mich an dem Verhalten, oder stört es mich, dass ICH mich daran störe?
- Ist das ein neues Problem oder etwas, was ich früher akzeptiert habe?
- Wenn meine beste Freundin mir das gleiche Problem schildern würde – würde ich ihr raten, deswegen Schluss zu machen?
- Bin ich gerade besonders gestresst und suche nach einem Sündenbock?
Meistens ist die Antwort entlarvend. Oft geht es gar nicht um die anderen, sondern um unsere eigene Unzufriedenheit mit uns selbst.
Die Geschenke dieser nervigen Phase
So ätzend diese Zeit auch ist – sie bringt auch echte Erkenntnisse. Ich habe Paare erlebt, die endlich über Themen gesprochen haben, die jahrelang unter dem Teppich lagen. Nicht auf die charmanteste Art, zugegeben, aber immerhin.
Eine Klientin hat während dieser Phase realisiert, dass sie in ihrer Ehe zur Dienstmagd geworden war. Nicht wegen der ungleich verteilten Hausarbeit (obwohl das auch ein Punkt war), sondern weil sie aufgehört hatte, ihre eigenen Bedürfnisse zu äußern. Die Jungfrau-Pingeligkeitt war nur der Aufschrei ihrer unterdrückten Wünsche.
Ein anderer Klient hat erkannt, dass er ständig Menschen kritisiert, um sich selbst besser zu fühlen. Unangenehme Erkenntnis, aber heilsam.
Praktische Überlebenstipps
Für die Beziehung: Führt ein „Mecker-Tagebuch“. Notiert euch eine Woche lang, worüber ihr euch ärgert. Am Ende der Woche schaut ihr gemeinsam drüber und sortiert aus: Was ist berechtigt, was ist Jungfrau-Wahnsinn?
Für Freundschaften: Kündigt an, dass ihr gerade in einer „kritischen Phase“ seid und bittet eure Freunde, euch zu stoppen, wenn ihr zu pingelig werdet. Echte Freunde machen das gern.
Für die Familie: Bei Familie ist’s schwieriger, weil da oft alte Muster hochkommen. Versucht, euch daran zu erinnern, dass nicht jeder Fehler ein Charaktermangel ist.
Für euch selbst: Macht Listen, aber nicht von dem, was andere falsch machen. Macht Listen von dem, was ihr an euren Lieben schätzt. Die Jungfrau-Energie liebt Listen, also gebt ihr welche, die konstruktiv sind.
Wenn’s vorbei ist
Das Schöne an astrologischen Phasen: Sie gehen vorbei. Wenn Venus wieder direktläufig wird, ist es, als würde jemand den Weichzeichner-Filter wieder anschalten. Plötzlich sind die Socken neben dem Korb wieder einfach nur Socken neben dem Korb.
Aber die Erkenntnisse bleiben. Die guten zumindest. Du weißt jetzt, welche Themen in deinen Beziehungen wirklich wichtig sind und welche nur Oberflächenkram waren.
Eine ex-Klientin hat mir mal geschrieben: „Ich bin dankbar für die Venus-Rückläufigkeits-Hölle. Ohne sie hätte ich nie gemerkt, dass mein Ex mich wie Luft behandelt hat. Ich dachte, er sei nur ‚entspannt‘.“
Das große Ganze
Venus rückläufig in der Jungfrau ist wie eine Beziehungs-Inventur. Nervig, aber notwendig. Wie der Frühjahrsputz für die Seele. Du wirfst eine Menge weg, was du eigentlich gar nicht mehr brauchst, und behältst das, was dir wirklich wichtig ist.
Der Trick ist, dabei nicht komplett durchzudrehen. Nicht jeder kritische Gedanke ist eine Offenbarung, und nicht jeder kleine Makel ist ein Dealbreaker. Die Kunst liegt darin, die wirklich wichtigen Erkenntnisse von der pingelig-neurotischen Überanalyse zu trennen.
Und wenn ihr gerade mittendrin steckt in dieser Phase: Atmet tief durch. Es geht vorbei. Und wahrscheinlich werdet ihr hinterher über euch selbst lachen. So wie ich über meine Spülmaschinen-Obsession.
Übrigens räume ich sie immer noch „richtig“ ein. Manche Gewohnheiten bleiben halt. Aber wenigstens rege ich mich nicht mehr darüber auf, wenn andere es anders machen.
Na ja, meistens zumindest.