Wenn Deutsche heimlich zu den Sternen schauen – Geschichten zwischen Skepsis und Glaube

Letzte Aktualisierung - 1. Oktober 2025 12:39

Mein Nachbar Dietrich ist Ingenieur, 58 Jahre, durch und durch rational. „Astrologie ist Humbug“, sagt er regelmäßig beim Gartenzaun-Gespräch. Letzte Woche sehe ich ihn beim Zeitungskiosk – kauft heimlich die „Astrowoche“. Als er mich bemerkt, wird er rot. „Ist für meine Frau!“ Klar, Dietrich.

Die Chefin die ihre Termine nach dem Mond plant

Sabine Hartmann führt eine mittelständische Firma in Baden-Württemberg. 120 Mitarbeiter, 20 Millionen Umsatz, knallharte Geschäftsfrau. Was ihre Angestellten nicht wissen: Sie plant wichtige Meetings nach Mondphasen.

„Bei Vollmond werden die Leute emotional, da mache ich keine Kündigungsgespräche“, verrät sie mir bei einem Kaffee. Vertragsverhandlungen legt sie auf zunehmenden Mond, „da wächst alles besser“. Klingt verrückt, aber ihre Firma läuft.

Ihre Assistentin kennt den wahren Grund für die merkwürdigen Terminwünsche. „Frau Hartmann ist schon speziell“, sagt sie grinsend. Aber die Mitarbeiter sind zufrieden, die Zahlen stimmen. „Vielleicht ist ja doch was dran.“

Der Polizist der nur Steinböcke heiratet

Klaus Meier aus Hamburg, Polizeibeamter, 45 Jahre Dienst, drei Ehen hinter sich. Alle drei Frauen waren Steinböcke. „Zufall“, behauptet er. Ist es aber nicht.

„Steinbock-Frauen sind verlässlich“, erklärt er seine Partnerwahl. „Die laufen nicht weg wenn’s schwierig wird.“ Seine erste Frau war Steinbock, die Ehe hielt 15 Jahre. Die zweite auch Steinbock, 12 Jahre. Die dritte ist seit acht Jahren seine Frau.

Freunde lachen über Klaus‘ „Steinbock-Fetisch“. Er verteidigt sich: „Statistisch gesehen funktioniert’s doch!“ Seine aktuelle Frau lacht: „Er hat mich nur geheiratet wegen meines Geburtstags!“ Aber sie ist auch stolz darauf, der „Steinbock-Typ“ zu sein.

Oma Martha und ihre tägliche Sterne-Routine

Martha Schneider, 81, aus einem Dorf in Hessen, liest seit 30 Jahren jeden Morgen ihr Horoskop. Nicht in der Zeitung, sondern aus drei verschiedenen Quellen. „Zur Sicherheit.“

Um 7 Uhr BILD-Horoskop, um 8 Uhr Radio-Horoskop, um 9 Uhr Internet-Horoskop auf dem Tablet, das ihr die Enkelkinder geschenkt haben. „Wenn alle drei das Gleiche sagen, stimmt’s bestimmt.“

Ihre Tochter verdreht die Augen. „Mama glaubt jeden Quatsch.“ Aber Martha lässt sich nicht beirren. „Gestern stand da, ich soll vorsichtig mit Geld sein. Hab den Lottoschein nicht gekauft. Und was passiert? Die Zahlen hätten gestimmt!“

Dass sie jede Woche Lotto spielt und noch nie gewonnen hat, vergisst sie großzügig. Aber dieses eine Mal, wo sie nicht gespielt hat…

Der Tinder-Typ der nach Sternzeichen auswählt

Marco, 29, IT-Spezialist aus München, hat ein System beim Online-Dating. Er schreibt nur Frauen an, die astrologisch zu ihm passen. Als Löwe sucht er Schütze, Widder oder Zwillinge.

„Warum Zeit verschwenden mit inkompatiblen Zeichen?“, rechtfertigt er sein Vorgehen. Seine Freunde finden ihn verrückt. „Du sortierst Menschen nach Geburtstag aus!“

Marco bleibt dabei. „Ich hatte noch nie Probleme mit Schütze-Frauen. Aber mit Skorpionen war’s immer Drama.“ Drei seiner letzten vier Beziehungen waren tatsächlich mit seinem „kompatiblen“ Sternzeichen.

Seine aktuelle Freundin ist Zwillinge. „Am Anfang fand ich das bescheuert“, gesteht sie. „Aber irgendwie passt’s ja.“ Sie ist neugierig und redefreudig, er großzügig und selbstbewusst. Zufall oder Sterne?

Die Lehrerin die ihre Klasse nach Sternzeichen versteht

Petra Wagner unterrichtet seit 20 Jahren Grundschule. Irgendwann ist ihr aufgefallen: Bestimmte Kinder verhalten sich ähnlich. „Die März-Kinder sind oft zappelig, die September-Kinder sehr ordentlich.“

Aus Neugierde schaut sie nach den Sternzeichen. Widder-Kinder sind tatsächlich unruhig, Jungfrau-Kinder pedantisch. „War erst Zufall, aber dann…“

Heute berücksichtigt sie Sternzeichen bei der Sitzordnung. „Feuer-Zeichen setze ich nicht nebeneinander, die heizen sich auf.“ Kollegen lachen, Eltern finden’s interessant. Die Klasse ist jedenfalls ruhiger geworden.

„Wissenschaftlich ist das nicht“, gibt sie zu. „Aber wenn’s funktioniert?“ Manchmal ist Praxis wichtiger als Theorie.

Der Banker der heimlich Horoskope sammelt

Friedrich Müller arbeitet in der Frankfurter Finanzwelt. Anzug, Krawatte, nüchterne Zahlen. Zuhause sammelt er Horoskope. Nicht nur seine eigenen, sondern die der ganzen Familie.

„Hab angefangen als meine Tochter geboren wurde“, erzählt er. „Wollte wissen was auf uns zukommt.“ 15 Jahre später füllen seine Astrologie-Ordner ein ganzes Regal.

Seine Frau amüsiert sich über die Sammlung. „Friedrich ist heimlich romantisch.“ Er widerspricht: „Das ist Forschung! Ich prüfe die Trefferquote!“ Seiner Statistik nach liegen die Horoskope in 40% der Fälle richtig.

Bei wichtigen Familienentscheidungen schaut er trotzdem in die Sterne. „Schadet ja nicht.“ Rationaler Banker trifft kosmische Weisheit.

Die Ärztin die an Mondeinfluss glaubt

Dr. Andrea Schmidt arbeitet in der Notaufnahme eines Krankenhauses in Köln. 15 Jahre Berufserfahrung, wissenschaftlich ausgebildet, eigentlich skeptisch. Aber bei Vollmond ist immer mehr los.

„Das ist kein Zufall“, behauptet sie. „Bei Vollmond kommen mehr Alkoholvergiftungen, mehr Schlägereien, mehr Verrückte.“ Die Kollegen nicken: „Vollmond-Dienst ist immer stressig.“

Wissenschaftlich ist das nicht beweisbar. „Aber wir erleben es jeden Monat“, sagt Dr. Schmidt. „Irgendwas ist da schon dran.“ Sie plant ihre Dienste mittlerweile so, dass sie bei Vollmond nicht allein arbeiten muss.

„Nennen Sie es Aberglaube“, sagt sie. „Aber nach 15 Jahren Notaufnahme glaube ich an viele Dinge, die nicht im Lehrbuch stehen.“

Der Fußballtrainer der auf Sternzeichen-Taktik setzt

Werner Krause trainiert eine Kreisliga-Mannschaft in Niedersachsen. Hobby-Trainer, Hobby-Astrologe. Er stellt seine Mannschaft auch nach Sternzeichen auf.

„Widder sind Kämpfer, die gehören in die Abwehr“, erklärt er sein System. „Zwillinge sind wendig, perfekte Flügelspieler. Und Löwen wollen führen – ab ins Mittelfeld!“

Die Spieler lachen über „Trainer-Werners Spleen“. Aber die Mannschaft läuft. Zweimal aufgestiegen in drei Jahren. „Zufall“, sagen die anderen Vereine. Werner grinst: „Die Sterne lügen nicht!“

Sein Torwart ist übrigens Skorpion. „Skorpione sind zäh und undurchschaubar – perfekt für einen Keeper!“ Dass der Torwart auch talentiert ist, erwähnt Werner nur am Rande.

Die Rentnerin die astrologische Ehen stiftet

Elfriede Hoffmann, 73, aus einem Dorf in Bayern, ist die örtliche Ehestifterin. Aber sie verkuppelt nicht nach Sympathie, sondern nach Sternen.

„Krebs-Mann und Skorpion-Frau – das passt!“, schwärmt sie. Drei erfolgreiche Ehen hat sie so arrangiert. „Die Sterne wissen was zusammengehört.“

Die Dorfbewohner kommen mit ihren Problemen zu ihr. „Elfriede, mein Sohn ist Single…“ Dann fragt sie nach dem Geburtsdatum und sucht astrologische Matches.

Ihre Erfolgsquote ist beeindruckend. „Von zehn Elfriede-Paaren halten acht“, bestätigt der Dorfpfarrer schmunzelnd. „Keine Ahnung wie sie das macht.“ Elfriede weiß es: „Die Sterne vergessen nie ein Gesicht!“

Der Geschäftsmann der nur mit kompatiblen Partnern arbeitet

Rolf Weber führt eine kleine Baufirma in Sachsen. Bei der Auswahl seiner Mitarbeiter achtet er auch aufs Sternzeichen. „Wassermann-Chef braucht erdige Mitarbeiter“, hat er mal gelesen.

Seine drei Vorarbeiter sind Stier, Jungfrau und Steinbock. „Zuverlässige Erdzeichen“, erklärt er. „Die machen ihre Arbeit ohne Drama.“ Tatsächlich läuft die Firma rund, wenig Fluktuation, zufriedene Kunden.

„Ist das rechtlich überhaupt erlaubt?“, fragen Freunde. Rolf zuckt mit den Schultern: „Steht nicht im Arbeitsvertrag. Aber bei Vorstellungsgesprächen frage ich schon nach dem Geburtstag.“

Seine Frau arbeitet auch in der Firma – als Fische sorgt sie für die „emotionale Balance“. Funktioniert jedenfalls besser als reine Qualifikation.

Was diese Geschichten über Deutsche verraten

Wir sind ein Volk der Widersprüche. Rationell und romantisch, skeptisch und hoffnungsvoll, wissenschaftlich und abergläubisch. Astrologie passt perfekt zu unserer Mentalität.

Deutsche lieben Systeme – auch für Zwischenmenschliches. Sternzeichen bieten Ordnung im Chaos der Gefühle. Erklärungen für Unerklärliches. Hoffnung dass alles einen Sinn hat.

Ob’s stimmt oder nicht, ist fast egal. Hauptsache es hilft. Bei Entscheidungen, beim Verstehen anderer Menschen, beim Umgang mit dem Leben. Deutsche Pragmatismus funktioniert auch bei Sternenglauben.

Zwischen Glaube und Wissenschaft

Die meisten deutschen Astro-Fans sind nicht naiv. Sie wissen dass es keine Beweise gibt. Aber sie wissen auch dass das Leben mehr ist als das was messbar ist.

„Kann sein dass es Quatsch ist“, sagt Oma Martha. „Aber es macht mein Leben interessanter.“ Und darauf kommt’s am Ende an. Nicht auf Wahrheit, sondern auf Sinn. Nicht auf Beweise, sondern auf Hoffnung.

Deutsche Astrologie ist Lebenshilfe, nicht Religion. Ein Werkzeug, kein Dogma. Und vielleicht ist das der gesündeste Umgang mit den Sternen: ernst nehmen ohne fanatisch zu werden, nutzen ohne abhängig zu sein, glauben ohne die Vernunft zu verlieren.

Am Ende schadet es niemandem wenn Deutsche ab und zu in den Himmel schauen und sich fragen: Was haben die Sterne heute für mich?

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