
Verdammt. Schon wieder eine Traueranzeige in der Zeitung von jemandem, den du kennst. Dein Magen macht einen Knoten, weil du weißt: Du solltest was sagen. Aber was?
Beileid aussprechen ist das Schwierigste überhaupt. Da gibt’s kein Handbuch für. Man will helfen, aber hat Angst, alles falsch zu machen. Also schweigt man lieber – und fühlt sich danach erst recht mies.
Ich war jahrelang einer von diesen Schweigern. Bis ich selbst betroffen war und gemerkt hab: Auch die schlecht gemeinten Worte sind besser als gar keine. Seitdem mach ich’s anders.
Warum wir alle schweigen
Hand aufs Herz: Keiner von uns lernt, wie man kondoliert. In der Schule gibt’s Mathe und Deutsch, aber nicht „Beileid 101“. Deshalb stehen wir da wie der Ochs vorm Berg.
Die größte Angst: „Ich könnte was Falsches sagen.“ Aber weißt du was? Das Falscheste ist gar nichts zu sagen. Jemand, der trauert, merkt nicht jedes unglückliche Wort. Aber das Schweigen, das merkt er.
Das hab ich am eigenen Leib erfahren.
Was wirklich hilft (und was nicht)
Diese Sätze solltest du dir sparen:
„Er/Sie ist jetzt an einem besseren Ort.“ – Woher willst du das wissen? Außerdem ist der beste Ort für die Trauernden hier bei ihnen.
„Alles geschieht aus einem Grund.“ – Bullshit. Manche Dinge passieren einfach, ohne Grund.
„Du musst stark sein.“ – Nein, muss er nicht. Er darf traurig sein, so lang er will.
„Ich weiß, wie du dich fühlst.“ – Tust du nicht. Jede Trauer ist anders.
Das funktioniert besser:
„Es tut mir so leid.“ – Einfach, ehrlich, hilft.
„Ich denke an dich.“ – Zeigt, dass du da bist.
„Falls du reden willst, ich bin da.“ – Angebot ohne Druck.
„Ich habe [Name] sehr gemocht.“ – Persönlich, zeigt echte Anteilnahme.
Für verschiedene Situationen
Wenn du den Verstorbenen gut kanntest
„Er war ein besonderer Mensch. Ich werde ihn vermissen.“
„Sie hatte immer ein Lächeln für alle. Das vergesse ich nie.“
„Wir haben so oft zusammen gelacht. Diese Erinnerungen bleiben.“
Wenn du hauptsächlich den Trauernden kennst
„Ich denke an dich in dieser schweren Zeit.“
„Es tut mir leid, was du durchmachst.“
„Du bist nicht allein. Wenn du was brauchst, sag Bescheid.“
Für Arbeitskolleginnen
„Mein aufrichtiges Beileid. Lass dir Zeit, so viel du brauchst.“
„Ich denke an dich. Die Arbeit kann warten.“
„Falls ich irgendwas für dich übernehmen kann, sag einfach Bescheid.“
Bei plötzlichem Tod
„Ich bin schockiert. Das tut mir so leid.“
„So ein Schock. Ich kann’s gar nicht fassen.“
„Wenn du reden willst oder einfach jemanden brauchst – ich bin da.“
Bei langer Krankheit
„Ihr hattet eine schwere Zeit. Ich hoffe, du findest jetzt etwas Ruhe.“
„Es ist gut, dass er nicht mehr leiden muss.“ (Nur wenn die Familie das auch so sieht!)
„Du warst bis zum Schluss für ihn da. Das war wichtig.“
Kondolenz-Karten schreiben
Kurz und ehrlich:
„Mein aufrichtiges Beileid. Ich denke an dich.“
„Es tut mir so leid. Du bist in meinen Gedanken.“
„Meine Anteilnahme in dieser schweren Zeit.“
Etwas ausführlicher:
„Liebe Familie, der Verlust macht mich sehr traurig. [Name] war ein wunderbarer Mensch, der viel zu früh von uns gegangen ist. Ich wünsche euch Kraft für die kommende Zeit und sende euch mein aufrichtiges Beileid.“
„Es fällt mir schwer, die richtigen Worte zu finden. Aber ich möchte, dass ihr wisst: Ihr seid nicht allein. Meine Gedanken sind bei euch.“
Praktische Hilfe anbieten
Statt „Wenn du was brauchst…“ – das ist zu vague. Besser konkret:
„Kann ich für dich einkaufen gehen?“
„Soll ich die Kinder mal abholen?“
„Ich bringe morgen Essen vorbei, okay?“
„Brauchst du jemanden, der beim Telefonieren hilft?“
Aber Achtung: Nur anbieten, was du auch wirklich machen kannst und willst.
Timing ist wichtig
Direkt nach dem Tod: Kurze Nachricht reicht. „Mein Beileid. Ich denke an dich.“
Erste Woche: Zeit für längere Gespräche oder Besuche (wenn gewünscht).
Nach der Beerdigung: Viele vergessen die Trauernden jetzt. Dabei fängt die schwere Zeit oft erst an.
Wochen/Monate später: „Wie geht’s dir denn?“ ist Gold wert. Zeigt, dass du nicht vergessen hast.
Was ich gelernt hab
Bei der Beerdigung:
Händeschütteln, Blickkontakt, „Mein Beileid“ – fertig. Du musst keine große Rede halten. Die wenigsten Trauernden erinnern sich später an die Details.
Bei Kondolenz-Besuchen:
Oft reicht einfach da sein. Schweigen ist okay. Weinen ist okay. Lachen über schöne Erinnerungen ist auch okay.
In Karten und Nachrichten:
Kurz und ehrlich schlägt lang und gestelzt. „Es tut mir leid“ ist besser als drei Seiten Psalm-Zitate.
Häufige Fallen
„Er hatte ein erfülltes Leben.“ – Sag das nicht bei jungen Menschen.
„Wenigstens hatte sie keine Schmerzen.“ – Woher willst du das wissen?
„Du bist noch jung, du findest wieder jemanden.“ – Bei Partnerverlust totaler Fehlgriff.
„Gott hat einen Engel mehr.“ – Nur wenn du weißt, dass die Familie religiös ist.
Verschiedene Beziehungen
Nachbarn:
„Mein Beileid. Falls Sie was brauchen, klingeln Sie einfach.“
Entfernte Bekannte:
„Ich habe es gehört. Meine Anteilnahme.“
Enge Freunde:
„Scheiße, das tut mir so leid. Ich bin für dich da, egal was du brauchst.“
Familienmitglieder:
„Wir schaffen das zusammen. Du bist nicht allein.“
Was wirklich zählt
Nach all den Jahren und Situationen weiß ich: Perfektion ist nicht gefragt. Die Menschen merken, ob du es ernst meinst oder nur eine Pflicht erfüllst.
Mach dir nicht den Kopf darüber kaputt, ob deine Worte gut genug sind. Sie sind es. Weil sie von dir kommen und weil du dir Gedanken machst.
Schweigen aus Angst vor dem falschen Wort ist das Schlimmste, was du machen kannst. Lieber ein ungeschickter Versuch als gar keiner.
Und wenn du komplett sprachlos bist: „Mir fehlen die Worte, aber ich denke an dich“ funktioniert immer. Damit liegst du nie falsch.
Ein letzter Punkt: Vergiss die Trauernden nicht nach ein paar Wochen. Da brauchen sie Unterstützung am meisten – wenn der erste Schock vorbei ist und der Alltag ohne den geliebten Menschen beginnt.
Das ist das Beste, was du tun kannst: Da sein. Auch wenn’s schwer ist.