Der Schatten des Waldes

Elias, ein junger Mann, hält zärtlich ein verletztes Kind in einem alten, schattigen Wald.

In „Der Schatten des Waldes“ wird Elias in einen uralten Wald gezogen, wo er einer schattenhaften Gestalt und einem verletzten Kind begegnet. Sein Leben verändert sich für immer, als er sich seinen Ängsten stellt.

Der Wald war alt. Älter als jeder Mensch, der je seine Schatten unter seinen Kronen gesucht hatte. Man sprach von ihm in Flüsterton, von dunklen Gestalten, die dort hausten.

Kinder wurden gewarnt, nicht allein hineinzugehen, und selbst Erwachsene scheuten den Weg durch seine Tiefen. Doch für Elias war der Wald ein Anziehungspunkt. Ein Ruf, dem er nicht widerstehen konnte.

Er kannte jeden Baum, jede Lichtung, jeden Stein. Der Wald war sein Zufluchtsort, sein Geheimnis. Doch an diesem Tag war etwas anders. Eine Kälte kroch über seine Haut, obwohl die Sonne ihre warmen Strahlen durch das dichte Blätterdach filterte.

Ein Schatten, ungewöhnlich dunkel und groß, bewegte sich am Waldrand. Elias Herz schlug schneller. War es Einbildung, oder hatte sich der Schatten bewegt?

Ein Ruck ging durch ihn. Die vertraute Umgebung, die ihm stets Sicherheit gab, schien plötzlich fremd. Der Schatten wuchs, breitete sich aus wie eine dunkle Wolke.

Ein leises Knacken, wie der Bruch eines Astes, durchbrach die Stille. Elias’ Atem stockte. Er hielt inne, lauschte. Nichts. Nur der eigene Herzschlag, der wie ein Trommelwirbel in seinen Ohren dröhnte.

Neugier siegte über Angst. Langsam, Schritt für Schritt, näherte er sich dem Schatten. Je näher er kam, desto größer, bedrohlicher wurde er.

Die Bäume um ihn herum schienen sich zu verzerren, ihre Formen zu verwischen. Ein kalter Windstoß fegte durch die Baumkronen, und Elias fröstelte, obwohl die Sonne noch immer schien.

Der Schatten nahm Gestalt an. Ein Wesen, kein Mensch, trat hervor. Groß, unförmig, mit glühenden Augen, die in der Dunkelheit des Waldes wie Fackeln leuchteten.

Ein Schrei wollte ihm entweichen, doch kein Ton kam über seine Lippen. Er war gefangen, wie ein Schmetterling in einem Spinnennetz.

Seine Sinne schärften sich auf das Ungeheuer. Es bewegte sich langsam, bedrohlich. Seine Gestalt war menschenähnlich, doch verzerrt, als wäre sie aus Rauch geformt.

Die Augen, zwei glühende Kohlen, bohrten sich in Elias. Ein Geruch, süßlich und faulig zugleich, erfüllte die Luft.

Elias spürte, wie ihm die Kraft in den Beinen schwanden. Er wollte fliehen, doch seine Füße waren wie angewurzelt.

Ein keuchendes Geräusch entwich seiner Kehle. Das Wesen näherte sich, Schritt für Schritt. Elias schloss die Augen, bereit für das Ende.

Doch statt Schmerz fühlte er eine Kälte, die bis ins Mark drang. Als er wieder aufblickte, war das Wesen verschwunden. Nur ein Schatten, größer und dunkler als zuvor, breitete sich über dem Wald aus.

Ein leises Wimmern klang durch den Wald. Elias folgte dem Geräusch. Zwischen den Bäumen erblickte er eine Gestalt, klein und zerbrechlich. Ein Kind, allein und verängstigt. Es war verletzt, Blut rann über seine weiße Kleidung.

Elias spürte einen unwiderstehlichen Drang, dem Kind zu helfen. Die Angst vor dem Schatten war für einen Moment vergessen. Er kniete nieder, nahm das Kind vorsichtig in seine Arme.

Die kleinen Augen schlossen sich, der Atem war flach. Elias hielt das Kind fest, als fürchtete er, es könnte einfach verschwinden.

Ein erneutes Knacken, dieses Mal näher. Der Schatten kehrte zurück, größer und bedrohlicher als zuvor. Er umhüllte Elias und das Kind in einer schwarzen Wolke. Elias schrie, ein verzweifelter Schrei, der im Wind verloren ging. Dann war Dunkelheit.

Als Elias wieder zu sich kam, befand er sich nicht mehr im Wald. Er war in seinem Bett, der Morgengrauen färbte den Himmel in Pastelltöne. Das Kind war verschwunden.

Nur ein kalter Schweiß perlte auf seiner Stirn. War es ein Traum? Oder hatte er tatsächlich einen Schatten, ein Wesen aus einer anderen Welt gesehen?

Die Tage danach waren ein Schleier aus Angst und Zweifel. Der Wald, einst sein Zufluchtsort, war nun ein Ort des Grauens. Er mied ihn, doch der Schatten schien ihn zu verfolgen.

In seinen Träumen erschien er, größer, furchterregender. Das Kind, das verletzte Wesen, war ebenfalls Teil seiner Albträume.

Elias wusste, dass er zurückkehren musste. Nicht aus Neugier, sondern aus Pflichtgefühl. Das Kind brauchte Hilfe, und vielleicht konnte nur er sie leisten.

Mit zitternden Knien betrat er erneut den Wald. Die Bäume raunten ihre Geheimnisse, der Wind sang eine unheimliche Melodie.

Der Schatten wartete.