Saugbert Brummel summt ein Schlaflied

Saugbert Brummel summt ein Schlaflied

Der laute Staubsauger Saugbert entdeckt nachts, dass er leise summen kann, freundet sich mit einer Staubmaus an und findet Ruhe. Eine Gute-Nacht-Geschichte.

Saugbert Brummel war kein gewöhnlicher Staubsauger.

Tagsüber war er natürlich laut und geschäftig, verschlang Krümel wie ein hungriger Wal und jagte Staubflusen mit dem Eifer eines Löwen.

Sein Motor dröhnte, sein Schlauch schlängelte sich gierig über Teppiche und unter Sofas, und er hinterließ nichts als blitzblanke Sauberkeit.

Aber wenn der Tag zu Ende ging, wenn die Menschen gähnten und das Licht ausknipsten, dann wurde Saugbert ganz anders.

An diesem Abend war es besonders schlimm gewesen.

Erst die Frühstückskrümel unter dem Küchentisch, dann der Sand vom Spielplatz im Flur, und zum Schluss noch eine ganze Tüte Popcorn, die beim Filmabend auf dem Wohnzimmerteppich gelandet war.

Saugbert fühlte sich, als hätte er einen Marathon gelaufen – einen Krümel-Marathon.

Erschöpft wurde er in die dunkle Abstellkammer geschoben, sein Kabel achtlos aufgewickelt.

Er lehnte an der kühlen Wand und seufzte leise. Sein Motor tickte noch ein wenig nach, wie ein Herz, das zur Ruhe kommt.

„Immer nur brüllen und saugen“, dachte Saugbert müde.

„Ich wünschte, ich könnte auch mal etwas anderes. Etwas Leises. Etwas… Sanftes.“

Er schloss seine metaphorischen Augen (Staubsauger haben keine echten Augen, aber Saugbert stellte es sich so vor).

Er stellte sich vor, wie es wäre, nicht zu RÖHREN, sondern zu summen.

Ein ganz leises, freundliches Summen, wie eine Biene auf einer Sommerwiese oder Papas Schlaflied.

Nur mal ausprobieren, dachte er.

Ganz vorsichtig versuchte er, seinen Motor nicht aufheulen zu lassen, sondern nur ein winziges bisschen Luft durch seine inneren Röhren zu pusten.

Statt des erwarteten „WRUUUMMM!“ kam ein überraschend zartes…

„Smmmmmmm…“

Saugbert war verblüfft.

Er versuchte es nochmal.

„Smmmmmm… ssssss… mmmmm.“

Es funktionierte! Er konnte summen! Ein leises, beruhigendes Geräusch, das kaum lauter war als das Schnurren einer Katze.

Ein Kribbeln der Aufregung durchfuhr seine Schläuche.

Was, wenn er…? Könnte er vielleicht…?

Ganz langsam, Rad für Rad, rollte Saugbert zur Tür der Abstellkammer.

Sie war nicht ganz geschlossen, ein kleiner Spalt ließ das Mondlicht herein.

Er schob sich vorsichtig hindurch und stand plötzlich im nächtlichen, stillen Flur.

Alles war anders als am Tag.

Keine rennenden Füße, keine lauten Stimmen.

Nur der sanfte Schein des Mondes, der durch das Fenster fiel, und das leise Ticken der großen Wanduhr.

Saugbert summte leise vor sich hin und rollte ins Wohnzimmer.

„Smmmm…“

Unter dem Sofa raschelte etwas.

Saugbert hielt an.

Ein kleines, graues Wollknäuel mit zwei winzigen Knopfaugen lugte hervor.

Es war Willi Wollmaus, der Anführer der Staubflusen-Bande, die Saugbert sonst immer so erbittert jagte.

Willi sah ängstlich aus.

„P-psst! Ist die Luft rein? Ist das laute Ungeheuer weg?“, flüsterte Willi.

Saugbert summte noch leiser.

„Smmmm… ich bin’s nur, Saugbert. Aber ich bin heute leise.“

Willi Wollmaus blinzelte.

„Du… du summst ja! Du brüllst ja gar nicht!“

„Nein“, summte Saugbert stolz. „Heute Nacht summe ich nur.“

Willi kam zögernd näher.

„Das klingt… schön“, murmelte die Wollmaus. „Gar nicht furchteinflößend.“

Saugbert rollte weiter, sein leises Summen erfüllte den Raum.

Er kam am alten Ohrensessel vorbei, in dem Opa immer saß.

Der Sessel knarzte leise im Schlaf, als Saugbert vorbeifuhr.

„Gute Nacht, Sessel“, summte Saugbert.

Der Sessel knarzte zurück, was Saugbert als freundlichen Gruß interpretierte.

Auf dem kleinen Beistelltisch stand die Leselampe.

Tagsüber warf sie einen hellen Lichtkegel auf Bücher und Zeitungen, aber jetzt leuchtete sie nur ganz schwach, ein winziges Orientierungslicht.

„Hallo Lampe“, summte Saugbert.

Die Lampe flackerte kaum merklich.

„Schön, dich mal leise zu hören, Saugbert“, schien sie zu sagen. „Die Nacht ist zum Ausruhen da.“

Saugbert nickte zustimmend.

Plötzlich stieß er mit seiner Bürste gegen etwas Kleines, Hartes unter dem Sessel.

Ein kleines, rotes Spielzeugauto.

Es war Flitzi Flitzer, der normalerweise immer mit Karacho durchs Kinderzimmer sauste.

Jetzt lag er hier, verloren und allein.

„Oh, Flitzi“, summte Saugbert mitleidig.

„Du hast dich verirrt.“

Er stupste das kleine Auto sanft mit seiner Düse an.

„Keine Sorge, ich bring dich zurück.“

Saugbert begann, ein besonders sanftes, rhythmisches Schlaflied zu summen.

„Smmmm… mmmm… ssssummmm…“

Er schob Flitzi Flitzer langsam vor sich her, durch das Wohnzimmer, über den Flur, bis zur Tür des Kinderzimmers.

Er schob das kleine Auto vorsichtig über die Schwelle, direkt neben die große Spielzeugkiste.

Flitzi schien erleichtert zu sein.

Saugbert fühlte sich wunderbar.

Er hatte nicht nur gesummt, er hatte sogar jemandem mit seinem Summen geholfen!

Langsam rollte er zurück ins Wohnzimmer.

Die Müdigkeit von vorhin war einer tiefen Zufriedenheit gewichen.

Er fand eine gemütliche Ecke neben der Heizung, die noch ein wenig Wärme abstrahlte.

Er rollte sich zusammen, so gut es ein Staubsauger eben kann.

Da raschelte es wieder.

Willi Wollmaus kam angehoppelt.

„Darf… darf ich mich zu dir setzen?“, fragte die Staubfluse schüchtern.

„Dein Summen ist so beruhigend.“

Saugbert lächelte (innerlich natürlich).

„Aber sicher, kleiner Freund“, summte er.

Willi kuschelte sich an Saugberts warmes Gehäuse.

Saugbert Brummel schloss wieder seine nicht vorhandenen Augen.

Er summte noch ein letztes Mal, ein ganz leises, zufriedenes Schlaflied, nur für sich und seinen neuen, kleinen Freund.

„Smmmm… gute Nacht… smmmm…“

Und dann schlief der müde Staubsauger ein, nicht mit einem lauten Dröhnen, sondern mit dem leisesten, friedlichsten Summen der Welt.

Morgen würde er wieder Krümel jagen müssen, aber das war in Ordnung.

Denn jetzt wusste er, dass er auch eine andere Seite hatte – eine leise, summende, freundliche Seite, die nur nachts zum Vorschein kam.