
Löffelbert, ein ganz normaler Suppenlöffel, hat einen großen Traum: Er will zum Mond! Eine humorvolle Geschichte über große Träume am Küchentisch.
Tief in der dunkelsten Ecke der Küchenschublade, dort wo die Kuchengabeln kitzelten und die Teelöffel tuschelten, lebte ein Suppenlöffel namens Löffelbert.
Löffelbert war ein ganz normaler Suppenlöffel. Rundlich, glänzend und sehr gut darin, Erbsensuppe von A nach B, also vom Teller in den Mund, zu befördern. Das war sein Job, und er machte ihn gut.
Aber Löffelbert hatte ein Geheimnis. Ein großes, schimmerndes Geheimnis, das er tief in seiner Löffelmulde verbarg.
Er träumte vom Fliegen.
Nicht nur ein bisschen hüpfen wie die Kaffeelöffel, wenn sie aus Versehen vom Tisch fielen. Nein, Löffelbert träumte vom richtigen Fliegen. Hoch oben, zwischen den Sternen.
Alles begann an einem Abend, als er nach dem Abwasch nicht sofort in die Schublade zurückgelegt wurde. Er lag ganz allein auf der Abtropfmatte neben dem Fenster.
Draußen war es dunkel, und am Himmel hing etwas Großes, Rundes und Silbriges. Es sah aus wie… ja, wie ein riesiger, vergessener Suppenteller!
„Wow“, murmelte Löffelbert leise. „Ein Himmels-Suppenteller!“
Und um diesen Teller herum funkelten tausende kleiner Lichter. Wie Zuckerstreusel auf einem Geburtstagskuchen.
Löffelbert konnte seinen Blick nicht abwenden. Er stellte sich vor, wie es wäre, dort oben zu schweben und von diesem riesigen Teller eine Kostprobe zu nehmen. Mond-Suppe! Das klang aufregend.
Von diesem Tag an war die Schublade nicht mehr nur sein Zuhause, sondern auch ein bisschen sein Gefängnis.
„Du guckst schon wieder so träumerisch“, piekste ihn Frieda Gabel eines Tages. Frieda war immer etwas spitz, nicht nur an ihren Zinken.
„Ich habe den Himmels-Suppenteller gesehen“, flüsterte Löffelbert.
Frieda verdrehte ihre nicht vorhandenen Augen. „Du meinst den Mond? Das ist nur ein kalter Stein, Löffelbert. Da gibt’s keine Suppe.“
Löffelbert wurde ein bisschen traurig. Vielleicht hatte Frieda recht.
Aber dann meldete sich Gustav Kelle zu Wort. Gustav war die große Schöpfkelle, weise und erfahren. Er hatte schon viele Suppen geschöpft und viele Geschichten gehört.
„Lass dir deine Träume nicht kleinreden, Löffelbert“, brummte Gustav sanft. „Träume sind wie Gewürze in der Suppe des Lebens. Ohne sie schmeckt alles fad.“
Das machte Löffelbert Mut. Er musste einfach einen Weg finden, diesem Himmels-Suppenteller näherzukommen!
Nachts, wenn die Menschen schliefen und die Küche still war, begann Löffelbert mit seinen Fluchtplänen.
Er versuchte, sich an den Griffen der anderen Besteckteile hochzuziehen. Aber Messer waren zu glatt, und Gabeln zu pieksig.
Einmal versuchte er, sich mit einem Gummiband, das jemand achtlos in die Schublade geworfen hatte, auf den Küchentisch zu katapultieren. Das endete mit einem lauten „Klirr!“ und Löffelbert landete unsanft auf einem Haufen Korkenzieher.
„Gib auf, Löffelbert“, seufzte Frieda Gabel. „Suppenlöffel gehören in die Suppe, nicht in den Himmel.“
Doch Löffelbert gab nicht auf. Er beobachtete die Menschen genau. Sie öffneten die Schublade, nahmen etwas heraus, schlossen sie wieder.
Und dann hatte er eine Idee!
Er wartete, bis das kleine Mädchen Maja am nächsten Morgen ihren Kakao trinken wollte. Sie riss die Schublade auf, griff nach einem Teelöffel… und Löffelbert nutzte den Moment!
Mit einem geschickten Ruckler klemmte er sich am Rand der Schublade fest. Als Maja sie zuschob, blieb Löffelbert draußen! Frei!
Er zitterte vor Aufregung. Langsam, ganz langsam, rutschte er über die Arbeitsplatte zum Fenster.
Die Sonne ging gerade unter, und da war er wieder – der Himmels-Suppenteller! Noch größer und schöner als in seiner Erinnerung.
Löffelbert lehnte sich an die kühle Fensterscheibe und starrte nach oben. Die Sterne begannen zu funkeln, einer nach dem anderen.
Er fühlte sich dem Himmel so nah wie noch nie. Er war zwar nicht oben, aber er konnte alles sehen.
Er sah Sternbilder, die aussahen wie ein vergessener Schneebesen oder eine tanzende Pfeffermühle. Er sah Sternschnuppen, die wie schnelle Silberfischchen über den Himmel huschten.
Müde von der Aufregung und dem langen Starren, schlief Löffelbert direkt auf der Fensterbank ein.
Und er träumte.
Er träumte, er würde schweben. Leicht wie eine Seifenblase stieg er höher und höher. Die Küche wurde winzig klein unter ihm.
Er flog am Himmels-Suppenteller vorbei, der tatsächlich nach kühler Nachtluft und ein bisschen nach Vanillepudding roch. Er tauchte seine Löffelmulde in einen Fluss aus Sternenstaub, der prickelte wie Brausepulver.
Er tanzte mit Kometen, die lange, glitzernde Schwänze hinter sich herzogen, und winkte fernen Galaxien zu, die aussahen wie bunte Kleckse auf einer Malerpalette.
Es war die schönste Suppe, die er je gekostet hatte – eine Suppe aus Licht und Träumen.
Als Löffelbert am nächsten Morgen aufwachte, lag er immer noch auf der Fensterbank. Die ersten Sonnenstrahlen kitzelten seine Löffelmulde.
Der Himmels-Suppenteller war weg. Der Himmel war hellblau und leer.
Ein bisschen traurig war er schon. Aber dann erinnerte er sich an seinen Traum. Er lächelte.
Vorsichtig ließ er sich auf den Boden gleiten. Mit einem kleinen „Klack“ landete er auf dem Teppich.
Als Maja später in die Küche kam, fand sie ihn. „Oh, Löffelbert! Wie kommst du denn hierher?“ Sie hob ihn auf und legte ihn zurück in die Schublade.
„Na, Träumer? Wieder da?“, fragte Frieda Gabel spöttisch.
Löffelbert lächelte nur. „Ich war auf Reisen“, sagte er geheimnisvoll.
Gustav Kelle zwinkerte ihm zu. „Manchmal sind die schönsten Reisen die, die man im Herzen macht.“
Löffelbert wusste jetzt, dass er vielleicht nie wirklich zum Mond fliegen würde. Aber das war okay.
Er war ein Suppenlöffel. Sein Platz war in der Suppe. Aber in seinen Träumen, da konnte er überallhin reisen. Zu den Sternen, zum Himmels-Suppenteller und noch viel weiter.
Und wenn er abends in der Schublade lag, dachte er nicht mehr nur an Erbsensuppe. Er dachte an Sternenstaub-Suppe und lächelte, bis er sanft einschlief, bereit für das nächste Abenteuer hinter geschlossenen Augen.