Bruno Brummbär sucht sein verlorenes Schnarchgeräusch

Bruno Brummbär sucht sein verlorenes Schnarchgeräusch

Der Bär Bruno sucht verzweifelt sein verlorenes Schnarchgeräusch im Wald und entdeckt dabei, dass Gefühle seinen Klang verändern können.

Bruno der Bär rieb sich die Augen. Gähnend reckte er seine Tatzen in die Morgensonne, die durch die Blätter seiner gemütlichen Höhle blinzelte. Ein neuer Tag im Wald! Zeit für ein leckeres Frühstück aus Beeren und vielleicht… ja, vielleicht ein kleines Nickerchen danach. Bruno liebte Nickerchen. Und er liebte sein Schnarchen. Es war kein gewöhnliches Schnarchen. Oh nein! Brunos Schnarchen war legendär. Es klang wie ein sanftes Gewitter, das über moosbewachsene Hügel rollt, gemischt mit dem Brummen eines zufriedenen Hummelkönigs und dem Rascheln alter Eichenblätter im Wind. Es war ein Schnarchen, das sagte: „Hier ruht ein glücklicher Bär.“ Doch an diesem Morgen war etwas anders. Bruno holte tief Luft, bereit für das erste wohlige Schnarchkonzert des Tages, aber… nichts. Nur Stille. Er versuchte es noch einmal. Ein tiefer Atemzug… und wieder nur… Pfft. Ein kleines, kümmerliches Geräusch, wie Luft, die aus einem alten Gummistiefel entweicht. „Wo ist es?“, murmelte Bruno und schaute sich verwirrt in seiner Höhle um. „Wo ist mein Schnarchen?“ Er spähte unter sein Blätterbett. Nichts. Er schnupperte an seinem Lieblingshonigtopf. Nur Honigduft. Er klopfte sich auf den Bauch. Nur ein dumpfes „Poch“. Sein Schnarchen war weg! Verschwunden! Futsch! Ein Bär ohne sein Schnarchen war wie ein Vogel ohne Federn, wie ein Fisch ohne Wasser, wie ein Eichhörnchen ohne… nun ja, ohne seinen buschigen Schwanz! Bruno musste es finden. Sofort! Er tappte aus seiner Höhle und machte sich auf den Weg in den Wald. Der erste, den er traf, war Ferdinand Fuchs, der gerade dabei war, so zu tun, als würde er keine Hühnerpläne schmieden. „Ferdinand!“, rief Bruno aufgeregt. „Hast du vielleicht mein Schnarchen gesehen? Oder gehört?“ Ferdinand legte den Kopf schief und spitzte die Ohren. „Dein Schnarchen, Bruno? Das große, brummige, das die Vögel aus den Nestern scheucht?“ „Genau das!“, bestätigte Bruno eifrig. „Es ist weg!“ Der Fuchs strich sich nachdenklich über sein spitzes Kinn. „Hmm, weg, sagst du? Vielleicht hat es der Wind mitgenommen? Gestern Abend war es ziemlich windig. Oder vielleicht hat es sich in den Brombeerbüschen verheddert?“ Bruno schaute zu den dichten Brombeerbüschen. Das sah schmerzhaft aus. „Ich glaube nicht… es klang nie dornig.“ Er bedankte sich bei Ferdinand und trottete weiter. Sein nächster Halt war bei der alten Eiche, wo Elsbeth Eule in einer Astgabel döste. „Elsbeth! Entschuldige die Störung!“, rief Bruno so leise er konnte nach oben. Elsbeth öffnete ein Auge. Es blinzelte müde. „Huuu? Wer wagt es, meine Tagesruhe zu… oh, Bruno. Was gibt’s?“ „Mein Schnarchen! Es ist verschwunden!“, erklärte Bruno verzweifelt. „Hast du eine Ahnung, wo ein Geräusch hingehen könnte?“ Elsbeth gähnte herzhaft, wobei ihr Schnabel weit aufklappte. „Geräusche… huu… manchmal verirren sie sich im Echo… drüben bei der Flüsterschlucht… oder sie werden vom Bach mitgetragen… schlafen… jetzt… huu.“ Und schon war ihr Auge wieder zugefallen. Die Flüsterschlucht? Der Bach? Bruno seufzte. Das klang kompliziert. Er schlurfte weiter und stieß beinahe mit Willi Wildschwein zusammen, der missmutig im Schlamm suhlte. „Na pass doch auf, du Trampeltier!“, grunzte Willi. „Entschuldige, Willi“, sagte Bruno. „Ich bin ganz durcheinander. Mein Schnarchen ist weg!“ Willi schnaubte verächtlich. „Dein Schnarchen? Gut so! Dieses Getöse! Obwohl… letzte Nacht war da so ein komisches Geräusch… ganz anders… hat mich trotzdem geweckt.“ „Anders? Wie anders?“, fragte Bruno hoffnungsvoll. „Keine Ahnung“, brummte Willi. „Nicht dein übliches Sägewerk. Eher wie… wie eine traurige Tuba. Jetzt lass mich in Ruhe!“ Und er wühlte weiter im Schlamm. Eine traurige Tuba? Bruno wurde immer ratloser. Sein Schnarchen klang doch nicht traurig! Es war ein fröhliches, zufriedenes Schnarchen! Entmutigt ließ er sich unter einem Haselnussstrauch nieder. Genau dort, wo Susi Siebenschläfer in ihrem Blätternest ihren Vormittagsschlaf hielt. Bruno seufzte tief. Ein langer, sorgenvoller Seufzer. Plötzlich raschelte es über ihm. Susi Siebenschläfer steckte ihren verschlafenen Kopf aus dem Nest. „Was… was war das?“, piepste sie. „Klang ja fast wie dein Schnarchen, Bruno! Nur… irgendwie… ganz leise und… traurig?“ Bruno stutzte. Der Seufzer? Klang wie sein Schnarchen? Nur traurig? Er dachte nach. Er war ja auch traurig und besorgt, weil sein Schnarchen weg war. Konnte es sein, dass sein Schnarchen gar nicht wirklich weg war? Sondern nur… anders klang, weil er sich anders fühlte? Ein Gedanke blitzte in seinem Bärenkopf auf. Er schloss die Augen und dachte ganz fest an etwas Schönes. An den riesigen Topf mit goldenem, klebrigem Waldhonig, den er gestern gefunden hatte. Mmmmh, Honig! Er atmete tief ein und aus… und da war es! Ein kleines, zufriedenes Brummen, wie eine einzelne, glückliche Hummel. Es war noch nicht sein altes Schnarchen, aber es war ein Anfang! Bruno grinste. Jetzt dachte er an seine kuschelige Höhle, an das weiche Moosbett und den langen, gemütlichen Winterschlaf, der irgendwann kommen würde. Er atmete wieder tief ein… und ließ die Luft langsam entweichen. BROOOOMMMMM… CHRRRRR… FIIIIUUU… Da war es! Laut und deutlich! Sein wunderbares, einzigartiges, bärenstarkes Schnarchgeräusch! Es klang wieder wie ein sanftes Gewitter, gemischt mit Hummelkönigsbrummen und Blätterrascheln! Susi Siebenschläfer zuckte zusammen und zog schnell den Kopf wieder ein. „Oh je, jetzt geht das wieder los“, murmelte sie. Bruno aber war überglücklich. Sein Schnarchen war nie weg gewesen! Es hatte sich nur versteckt, weil er so besorgt war. Er lachte laut auf, ein tiefes Bärenlachen, das durch den Wald hallte. Beschwingt machte er sich auf den Rückweg zu seiner Höhle. Er grüßte Willi Wildschwein fröhlich (der nur zurückgrunzte), winkte Elsbeth Eules Baum zu und rief Ferdinand Fuchs zu: „Ich hab’s wiedergefunden! Es war die ganze Zeit in mir drin!“ Ferdinand schmunzelte nur wissend. Zurück in seiner Höhle kuschelte sich Bruno in sein Bett, dachte an Honig, Beeren und gemütliche Nickerchen. Er holte tief Luft und… ließ das schönste, lauteste, zufriedenste Schnarchen hören, das der Wald seit langem gehört hatte. Und während Bruno selig schlief und schnarchte, wussten alle Tiere im Wald: Alles war wieder in bester Ordnung.