Moritz Maulwurf und die Tau-Tropfen-Symphonie

Moritz Maulwurf und die Tau-Tropfen-Symphonie

Der kleine Maulwurf Moritz überwindet seine Angst vor der Nacht und entdeckt dank der Motte Frieda die zauberhafte Tau-Tropfen-Symphonie.

Moritz war ein kleiner Maulwurf mit einer großen Leidenschaft fürs Graben.

Seine Welt war ein gemütliches Labyrinth aus Gängen und Kammern tief unter der Erde. Hier kannte er jede Kurve, jeden Stein, jede Wurzel.

Er liebte das Gefühl von kühler Erde um sich herum, das sanfte Rieseln von Sand und das Gefühl von Sicherheit, das ihm seine unterirdische Decke gab.

Was Moritz allerdings gar nicht mochte, war die Welt über der Erde. Besonders nachts.

Nachts war es dort oben… offen. So riesig und ohne gemütliche Decke. Und dunkel! Nicht das vertraute Dunkel seiner Gänge, sondern ein fremdes, weites Dunkel voller unbekannter Geräusche.

Seine Freunde, die Feldmäuse, erzählten manchmal von den Sternen und dem Mond, aber Moritz schüttelte nur seinen kleinen Kopf und zog es vor, in seinem sicheren Bau zu bleiben.

Doch eines Abends, als Moritz gerade seine Sammlung glitzernder Kieselsteine sortierte, hörte er etwas Seltsames.

Ein leises, feines Geräusch drang von oben durch die Erde. Es klang wie… pling-plong… pling-plong.

Es war kein Geräusch, das er kannte. Nicht das Rascheln der Mäuse, nicht das Rufen der Eule, nicht das Zirpen der Grillen.

Dieses Pling-plong war anders. Es klang… zauberhaft.

Moritz spitzte die Ohren. Seine Neugier begann, an seiner Angst zu knabbern.

Was konnte das nur sein?

Pling-plong… pling-plong…

Er versuchte, es zu ignorieren, putzte seine Kieselsteine weiter, aber das Geräusch ließ ihn nicht los. Es zog ihn magisch an.

„Nur ganz kurz nachsehen“, murmelte er sich selbst zu. „Ein winziges Guckloch. Mehr nicht.“

Vorsichtig begann er, mit seinen kräftigen Pfoten nach oben zu graben. Nicht einen seiner üblichen breiten Gänge, nur ein kleines Loch, gerade groß genug für seine Nase.

Als er durchbrach, fiel ein blasser Lichtstrahl herein. Mondlicht! Moritz blinzelte.

Und da war es wieder, lauter jetzt: Pling-plong… pling-plong…

Er atmete tief durch, setzte seinen winzigen Bergmannshelm auf, an dem ein kleines Glühwürmchen als Lampe diente (nur für den Fall der Fälle!), und schob seine Samtnase durch das Loch.

Die Nachtluft war kühl und roch nach feuchter Erde und… Blumen?

Er zog den Kopf schnell wieder ein. Puh, war das weit da draußen!

Aber das Pling-plong lockte.

„Na gut“, seufzte Moritz und wagte sich erneut hinaus, diesmal mit dem ganzen Kopf.

Seine kleinen Augen versuchten, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Über ihm wölbte sich ein riesiger, samtiger Himmel, übersät mit funkelnden Punkten. Sterne! Sie waren ja wirklich da.

Plötzlich raschelte es neben ihm.

Moritz zuckte zusammen und wäre am liebsten sofort wieder in seinem Loch verschwunden.

Ein großer Nachtfalter mit silbrig schimmernden Flügeln landete sanft auf einem Grashalm.

„Guten Abend, kleiner Erdbewohner“, summte der Falter mit einer überraschend freundlichen Stimme. „Du schaust ja ganz erschrocken drein.“

Moritz starrte den Falter an. „Wer… wer bist du? Und… und hast du das auch gehört? Dieses… Pling-plong?“

Der Falter lachte leise, ein Geräusch wie das Rascheln trockener Blätter. „Ich bin Frieda. Und ja, das Geräusch höre ich. Das ist die Tau-Tropfen-Symphonie.“

„Tau-Tropfen-Symphonie?“, fragte Moritz verwirrt. „Was ist das denn?“

„Komm mit, dann zeige ich es dir“, sagte Frieda und flatterte langsam auf. „Aber sei leise, wir wollen die Musiker nicht stören.“

Moritz zögerte. Weg von seinem sicheren Loch? Aber die Neugier und das geheimnisvolle Pling-plong waren stärker.

Er krabbelte unbeholfen aus seinem Loch und tappte hinter Frieda her. Sein Glühwürmchen-Helm wackelte auf seinem Kopf.

Sie gingen über weiches Moos, vorbei an schlafenden Blumen und unter großen Bäumen hindurch, deren Blätter im Mondlicht silbern glänzten.

Moritz stolperte über eine Wurzel und plumpste fast auf einen schlafenden Mistkäfer, der ärgerlich brummte.

„Entschuldigung!“, piepste Moritz.

Frieda schwebte geduldig voraus. Das Pling-plong wurde lauter und klarer, ein feines, rhythmisches Klingen.

Schließlich erreichten sie eine kleine Lichtung.

Moritz blieb wie angewurzelt stehen und staunte.

Überall zwischen den Gräsern und Büschen waren feine Spinnweben gespannt. Und an jedem einzelnen Faden hingen unzählige winzige Tautropfen, die im Mondlicht wie Diamanten funkelten.

Wenn ein sanfter Lufthauch wehte oder ein Mondstrahl genau richtig darauf fiel, bewegten sich die Tropfen ganz leicht und stießen aneinander oder an die Fäden. Und jedes Mal machte es… pling-plong.

Es war, als würden tausende winziger Glöckchen spielen, eine leise, wunderschöne Melodie.

Kleine Glühwürmchen tanzten wie schwebende Funken durch die Luft und trugen zum Zauber bei.

„Wow…“, hauchte Moritz. Er hatte noch nie etwas so Schönes gesehen. Die weite, offene Nacht wirkte plötzlich nicht mehr nur beängstigend, sondern auch… magisch.

„Das… das ist ja unglaublich“, flüsterte er zu Frieda.

Die alte Nachtfalterin nickte sanft. „Die Nacht hat ihre eigenen Geheimnisse und Schönheiten, kleiner Maulwurf. Man muss nur lernen, hinzusehen und hinzuhören.“

Moritz stand lange da, lauschte der Tau-Tropfen-Symphonie und beobachtete die tanzenden Lichter der Glühwürmchen.

Er vergaß seine Angst vor der Dunkelheit und der fehlenden Decke über seinem Kopf.

Er fühlte sich immer noch klein unter dem riesigen Sternenhimmel, aber nicht mehr verloren, sondern als Teil von etwas Wunderbarem.

Schließlich stupste Frieda ihn sanft an. „Es wird bald Morgen, kleiner Freund. Zeit für dich, in deinen Bau zurückzukehren.“

Moritz nickte. Er war müde, aber auch glücklich.

„Danke, Frieda“, sagte er ehrlich. „Danke, dass du mir das gezeigt hast.“

Er kramte in seiner Backentasche und zog seinen allerschönsten, glattesten Kieselstein hervor. „Hier, für dich.“

Frieda betrachtete den Stein im Mondlicht. „Oh, er ist wunderschön. Vielen Dank, Moritz.“

Moritz lächelte stolz.

Er machte sich auf den Rückweg zu seinem Loch, diesmal viel sicherer und ohne über Wurzeln zu stolpern.

Als er wieder in seinem gemütlichen Gang war, mit vertrauter Erde um sich herum, fühlte er sich wohl.

Aber etwas war anders.

Er kuschelte sich in sein Blätternest und dachte an die funkelnden Tautropfen und das leise Pling-plong.

Die Welt da oben war immer noch groß und anders, aber sie war nicht mehr nur unheimlich.

Sie war auch voller Wunder.

„Vielleicht“, murmelte Moritz schläfrig, „schaue ich morgen Nacht wieder kurz raus.“

Und mit einem Lächeln auf seinem kleinen Maulwurfgesicht schlief er ein und träumte vom Klingen der Tau-Tropfen-Symphonie.