
Ein müdes Rumpelgeräusch sucht Schlaf in einem lauten Haus. Kann Leo helfen? Eine lustige Gutenachtgeschichte über Lärm und Rücksichtnahme.
Tief versteckt in den Mauern eines ganz normalen Hauses, zwischen alten Rohren und staubigen Balken, lebte etwas sehr, sehr Müdes.
Es war kein Gespenst mit Laken, kein knarrendes Monster unter dem Bett. Nein, es war einfach nur ein Geräusch.
Ein kleines, leises Rumpelgeräusch.
Nennen wir es Rumpel.
Rumpel hatte keinen Körper, keine Arme, keine Beine. Es war nur… ein Rumpeln. Ein sanftes, tiefes Brummen, das sich am wohlsten fühlte, wenn alles still war.
Aber still war es in diesem Haus fast nie.
Tagsüber trampelten Füße über den Dielenboden direkt über Rumpels Lieblingsversteck. Bumm! Bumm! Bumm!
Aus der Küche klirrten Teller und Töpfe. Klirr! Klank!
Und abends? Abends dröhnte der Fernseher im Wohnzimmer. WUMM! WUMM! Actionfilme waren das Schlimmste.
Rumpel war dauermüde.
Es seufzte leise in seiner Wand (was sich anhörte wie ein ganz, ganz leises huuuuuch) und rollte sich zusammen, so gut ein Geräusch das eben kann.
„Nur ein bisschen Ruhe“, dachte Rumpel, obwohl es ja nicht richtig denken konnte. Es war mehr ein Gefühl. Ein müdes, rumpeliges Gefühl.
Eines Nachmittags, als die Sonne durchs Fenster schien und Staubkörner im Licht tanzten, hatte Rumpel eine Idee.
Im Kinderzimmer lief laute Musik aus einem kleinen Radio. Ziemlich blechern, fand Rumpel.
Vorsichtig, ganz vorsichtig, versuchte Rumpel, sich gegen einen Stapel Kissen zu lehnen, der neben dem Radio auf dem Boden lag.
Wenn die Kissen umfielen… vielleicht würden sie das Radio leiser machen?
Rumpel drückte… ein bisschen… noch ein bisschen…
Plumps.
Ein Kissen fiel um. Aber es landete neben dem Radio. Die Musik spielte ungestört weiter.
Na toll. Rumpel seufzte wieder sein leises huuuuuch.
Später tropfte es in der Wand neben Rumpel. Tropf… Tropf… Tropf.
Immer im gleichen Takt. Zum Verrücktwerden!
Rumpel versuchte etwas Neues. Es drückte sich ganz nah an das tropfende Rohr und begann, leise zu vibrieren. Brrrrmmm…
Vielleicht konnte es das Tropfen übertönen? Oder aufsaugen?
Aber nein. Jetzt hörte man beides: Tropf… Brrrrmmm… Tropf… Brrrrmmm…
Das war noch nerviger.
Unten im Haus saß Leo auf dem Teppich und baute einen Turm aus Holzklötzen.
Er hatte gehört, wie das Kissen umgefallen war. „Komisch“, dachte er. „War da jemand?“ Er lugte um die Ecke, sah aber niemanden.
Und später, als er sich ein Glas Wasser holte, hörte er dieses seltsame Brummen aus der Wand. Brrrrmmm…
„Was ist das denn?“, murmelte er und drückte sein Ohr an die kühle Wand. Aber das Brummen hörte auf.
Rumpel hatte nämlich gemerkt, dass es nichts brachte.
Am Abend lief wieder der Fernseher. Ein lauter Film mit viel Geballer.
PENG! PENG! WUMMM!
Rumpel wurde ganz kribbelig vor lauter Lärm. Es musste etwas tun!
Neben dem Fernseher stand ein kleines Regal mit Büchern.
Rumpel konzentrierte seine ganze Rumpel-Energie.
Es schaffte es, ganz, ganz sachte gegen ein dünnes Buch zu drücken, das direkt vor dem Lautsprecher stand.
Schrrritsch…
Das Buch bewegte sich einen Millimeter nach vorne.
Schritsch-schratsch…
Noch einen Millimeter.
Leo, der gerade ins Wohnzimmer kam, blieb stehen. „Hat da was gekratzt?“
Sein Papa zuckte die Schultern. „Bestimmt nur der Wind draußen.“
Aber Leo war sich nicht sicher. Er schaute zum Regal. Das eine Buch… stand das nicht eben noch anders?
Rumpel gab auf. Das Buch war zu schwer. Der Fernseher dröhnte weiter.
Jetzt war Rumpel nicht nur müde, sondern auch ein bisschen verzweifelt.
Es hatte eine letzte Idee. In der Küche stand eine Keksdose aus Blech mit einem lockeren Deckel.
Immer wenn jemand die Küchentür zuknallte (RUMMS!), was oft passierte, wollte Rumpel versuchen, den Deckel zum Klirren zu bringen.
Vielleicht würde dieser zusätzliche Lärm die Menschen nerven? Vielleicht würden sie dann die Tür leiser zumachen?
Es dauerte nicht lange. Leos Mama kam mit Einkäufen herein und ließ die Tür hinter sich zufallen. RUMMS!
In diesem Moment vibrierte Rumpel kurz und heftig neben der Keksdose.
Klirr-ling! machte der Deckel.
Leos Mama zuckte zusammen. „Oh! Was war das?“
Leo kam angelaufen. „Was ist los?“
„Der Deckel hat geklirrt“, sagte Mama verwundert.
Am nächsten Morgen knallte Papa die Haustür zu, als er zur Arbeit ging. RUMMS!
Und wieder: Klirr-ling! machte der Deckel der Keksdose.
Leo stand daneben und sah es genau.
Er dachte nach. Das umgefallene Kissen. Das Brummen in der Wand. Das kratzende Buch. Und jetzt der klirrende Deckel, immer wenn eine Tür knallt.
„Hm“, machte Leo. Er setzte sich an den Küchentisch und überlegte.
„Vielleicht… vielleicht mag hier jemand keinen Lärm?“
Er beschloss, ein Experiment zu machen.
Als er später in sein Zimmer ging, schloss er die Tür ganz leise. Er drückte die Klinke herunter, zog die Tür zu und ließ die Klinke langsam los. Klick.
Kein RUMMS. Und kein Klirr-ling aus der Küche.
Als er Musik hörte, drehte er sie nur ganz leise auf.
Als er durch den Flur lief, versuchte er zu schleichen wie ein Indianer.
In der Wand spürte Rumpel die Veränderung.
Es war… ruhig.
So wunderbar ruhig.
Kein Trampeln. Kein Klirren. Kein Wummern.
Rumpel entspannte sich. Es fühlte sich an, als würde es sanft schweben.
Endlich.
Den ganzen Nachmittag über blieb es erstaunlich leise im Haus. Leo achtete darauf, und irgendwie machten seine Eltern auch weniger Lärm als sonst.
Die seltsamen Geräusche – das Brummen, das Kratzen, das Klirren – hörten auf.
Leo lächelte. „Ich glaube, ich habe dem Haus-Geist geholfen“, flüsterte er.
Am Abend, als Leo im Bett lag, erzählte er Mama und Papa von seinem Experiment und dem „Haus-Geist“, der keinen Lärm mag.
Mama und Papa schmunzelten.
„Ein Haus-Geist also“, sagte Papa. „Nun, vielleicht hast du recht. Ein bisschen leiser ist es ja auch viel gemütlicher, findest du nicht?“
Leo nickte müde.
Als das Licht aus war und nur noch der Mond durchs Fenster schien, lauschte Leo in die Stille.
Und wenn man ganz, ganz genau hinhörte, konnte man es vielleicht hören.
Ein winziges, zufriedenes Geräusch aus der Wand.
Ein ganz leises Rumpel-Schnarch.
Rumpel schlief endlich tief und fest. Und es träumte den schönsten Traum, den ein Geräusch nur träumen kann: den Traum von herrlicher, wunderbarer Stille.