Finn und der Mumpitz im Mitternachtsschrank

Finn und der Mumpitz im Mitternachtsschrank

Finn entdeckt einen grummeligen Kobold in seinem Schrank, der Träume sortiert. Gemeinsam entwirren sie das Chaos und erleben Traum-Magie.

Finn lag in seinem Bett und starrte an die Decke.

Schlafen? Keine Chance.

Draußen war es mucksmäuschenstill, aber in seinem Zimmer… da war was los.

Es kam aus der Richtung seines Kleiderschranks.

Ein leises Rascheln.

Ein gedämpftes Rumoren.

Klang ein bisschen so, als würde jemand versuchen, heimlich eine Tüte Chips zu öffnen, aber unter einer dicken Decke.

Finn zog seine eigene Decke höher, bis nur noch seine Augen herausschauten.

Monster? Bestimmt.

Riesengroß, mit zotteligem Fell und mindestens drei Köpfen, die alle gleichzeitig schnarchten.

Oder vielleicht ein Schrank-Gespenst? Eines, das Socken klaut und sie in einer anderen Dimension versteckt.

Das würde erklären, warum immer nur einzelne Socken aus der Wäsche kamen.

Das Rascheln wurde lauter.

Jetzt klang es eher wie ein Eichhörnchen, das versucht, eine besonders störrische Nuss zu knacken.

Finns Neugier war plötzlich größer als seine Angst.

Monster hin oder her, Socken-Gespenst egal – er musste wissen, was da los war.

Ganz leise schob er die Decke zur Seite.

Seine Füße tippten auf den kühlen Holzboden.

Auf Zehenspitzen schlich er zum Kleiderschrank.

Die Holztür hatte einen kleinen Spalt.

Ein winziger Lichtstrahl fiel heraus, nicht hell, eher wie das Glühen von… Glühwürmchen?

Finn spähte durch den Spalt.

Drinnen war es… chaotisch.

Seine Pullis lagen nicht ordentlich gefaltet da, sondern waren zu einem Berg aufgetürmt.

Und auf diesem Berg, mitten im Durcheinander, saß… etwas.

Es war klein, kaum größer als Finns Kuschelhase.

Es hatte struppiges, moosgrünes Haar, das in alle Richtungen abstand, und trug eine Latzhose aus alten Knöpfen.

Und es war schwer beschäftigt.

Vor ihm lag ein riesiger Haufen glitzernder, schimmernder Fäden in allen Farben des Regenbogens.

Sie sahen aus wie feinstes Seidengarn, aber sie bewegten sich leicht, als wären sie lebendig.

Das kleine Wesen zog an einem blauen Faden, murmelte etwas Unverständliches, versuchte dann einen goldenen Faden zu entwirren, der sich hoffnungslos mit einem silbernen verheddert hatte.

„So ein Mumpitz!“, brummte es mit einer Stimme, die klang wie knirschender Kies.

Immer dieser Fadensalat! Kann denn nicht einmal Ordnung herrschen im Traumland?

Finn schob die Tür einen Spalt weiter auf.

Knarrrr.

Das kleine Wesen zuckte zusammen und wirbelte herum.

Es hatte eine Nase wie eine kleine Kartoffel und Augen wie blank polierte Kieselsteine.

„Wer stört?“, knurrte es und zog einen roten Faden schützend vor sich.

„Ich… ich bin Finn“, flüsterte Finn.

„Und wer bist du?“

Das Wesen schnaubte.

„Knitterbart, der Traumordner. Und du solltest längst schlafen, statt hier herumzuschnüffeln!“

Ein Traumordner? Finn hatte noch nie davon gehört.

„Was machst du da?“, fragte er neugierig und trat näher.

Knitterbart seufzte theatralisch.

„Was ich mache? Ich versuche, diesen ganzen Traum-Mumpitz zu sortieren! Die kommen alle hier an, bevor sie zu den schlafenden Kindern flattern. Aber heute Nacht? Alles durcheinander!“

Er deutete auf den glitzernden Haufen.

„Siehst du das? Ein Albtraum vom Mathekrokodil hat sich mit einem Flugtraum auf einem Gummibärchen verheddert! Und da drüben, der Traum vom singenden Brokkoli klebt am Traum vom Purzelbaum auf dem Mond!“

Finn musste kichern.

Ein singender Brokkoli?

„Das ist nicht witzig!“, grummelte Knitterbart.

„Wenn die Träume so verknotet bei den Kindern ankommen, gibt das nur Kuddelmuddel im Kopf! Stell dir vor, du träumst, du fliegst auf einem Gummibärchen, und plötzlich fängt es an, dir Matheaufgaben zu stellen!“

Finn verzog das Gesicht. Das klang wirklich nicht gut.

„Kann ich dir helfen?“, fragte er.

Knitterbart musterte ihn misstrauisch.

„Du? Ein Menschenkind? Was weißt du schon vom Träume sortieren?“

„Ich bin gut im Entknoten“, sagte Finn.

„Meine Kopfhörerkabel sind auch immer verknotet.“

Knitterbart überlegte kurz, dann zuckte er mit den Schultern.

„Na gut. Schlimmer kann’s ja kaum werden. Nimm dir den Haufen mit den glitzernden Fäden. Das sind die Abenteuerträume.“

Finn setzte sich neben Knitterbart auf den Pulliberg und nahm vorsichtig einen schimmernden Faden.

Er fühlte sich warm und kribbelig an.

„Dieser hier“, sagte Knitterbart und zog einen hellblauen Faden heraus, „ist ein Traum vom Schwimmen mit Delfinen.“

Er legte ihn auf einen ordentlichen Stapel.

„Und der hier…“, er zog einen dunkelgrauen Faden hervor, der unruhig zuckte, „…ist ein kleiner Stolper-Albtraum. Den legen wir beiseite zum Lüften.“

Gemeinsam arbeiteten sie sich durch den Haufen.

Finn entwirrte einen Traum, in dem man auf Seifenblasen hüpfen konnte, von einem Traum, in dem alle Tiere plötzlich rückwärts sprachen.

Er fand einen Faden, der nach Popcorn roch – ein Kinotraum.

Ein anderer summte leise eine Melodie – ein Musiktraum.

Knitterbart entknotete einen besonders hartnäckigen Knoten zwischen einem Traum vom Fliegen auf einem riesigen Schmetterling und einem Traum, in dem man seine Schuhe nicht zubinden konnte.

„Siehst du?“, brummte Knitterbart, aber er klang schon viel weniger grummelig.

„Gar nicht so einfach. Man muss vorsichtig sein, damit die Träume nicht reißen.“

Langsam lichtete sich das Chaos.

Ordentliche Stapel von glatten, glitzernden Traumfäden entstanden auf Finns Pullis.

Die blauen für Wasserabenteuer, die grünen für Waldträume, die goldenen für besonders glückliche Momente, die silbernen für Mondscheingeschichten.

Finn gähnte.

Das Träume sortieren war anstrengender als gedacht.

„Wir sind fast fertig“, sagte Knitterbart und klopfte Finn anerkennend auf die Schulter.

„Gar nicht schlecht für ein Menschenkind.“

Er hielt einen letzten, besonders hell leuchtenden Faden hoch.

Er schimmerte in allen Farben gleichzeitig.

„Und das ist ein ganz besonderer“, flüsterte Knitterbart.

„Ein Wunschtraum. Den darfst du behalten. Als Dankeschön.“

Er drückte Finn den warmen, kribbelnden Faden in die Hand.

Finn betrachtete ihn staunend.

Der Kleiderschrank wirkte gar nicht mehr unheimlich.

Nur noch… magisch.

„Danke, Knitterbart“, sagte Finn.

Der Traumordner lächelte, was bei ihm aussah, als würde sein ganzes Gesicht knittern.

„Kein Mumpitz. Und jetzt husch, husch ins Bett. Die sortierten Träume müssen losgeschickt werden.“

Finn kletterte zurück in sein Bett.

Er hielt den Wunschtraum-Faden fest in der Hand.

Er hörte noch, wie Knitterbart leise im Schrank summte und die Tür vorsichtig schloss.

Kein Rascheln mehr.

Kein Rumoren.

Nur die Stille der Nacht.

Finn schloss die Augen.

Der Faden in seiner Hand wurde ganz warm.

Und bevor er richtig eingeschlafen war, begann schon der schönste, bunteste Wunschtraum, den er je gehabt hatte.

Er lächelte im Schlaf.

Der Kleiderschrank war definitiv kein Ort für Monster.

Höchstens für grummelige Traumordner und eine ganze Menge nächtlichen Mumpitz.