Benedikt Biber baut einen Damm gegen schlechte Träume

Benedikt Biber baut einen Damm gegen schlechte Träume

Der kleine Biber Benedikt hat Angst vor Albträumen. Mit Moos, Steinen und einer Glücks-Socke baut er mutig einen Damm, um sie zu vertreiben.

Benedikt Biber war eigentlich ein ganz normaler, fröhlicher Biberjunge.

Er liebte es, im Fluss zu planschen, mit seinen Freunden Verstecken zu spielen und die leckersten Rindenstücke zu knabbern, die der Wald zu bieten hatte.

Aber seit ein paar Nächten war etwas anders.

Benedikt hatte schlecht geschlafen. Sehr schlecht sogar.

Es hatte alles angefangen, als Kalle Krähe ihm die gruselige Geschichte vom Schattenmonster im Dunkelwald erzählt hatte.

Seitdem schlichen sich jede Nacht unheimliche Gestalten in seine Träume.

Mal war es ein riesiger, wackeliger Pilz mit glühenden Augen, mal ein knurrender Busch, der ihn verfolgte.

Benedikt wachte oft schweißgebadet auf, sein kleines Biberherz klopfte wie wild.

„Puh“, murmelte er dann in sein Kissen aus Moos, „nur ein Traum.“

Aber die Angst blieb, auch wenn er wach war.

Was, wenn die schlechten Träume wiederkämen?

Er war schon ganz müde und schlapp von den unruhigen Nächten.

Seine sonst so glänzenden Biberzähne wirkten ein wenig stumpf, und seine Schwanzpatscher auf dem Wasser waren nicht mehr ganz so schwungvoll.

Seine Mama hatte ihm warme Milch mit Honig gegeben und ihm beruhigende Schlaflieder vorgesungen, aber die Traummonster ließen sich davon nicht beeindrucken.

Benedikt brauchte eine Lösung. Eine richtige Biber-Lösung!

Er saß am Ufer des Flusses und starrte auf das Wasser, das sanft an seinen Pfoten vorbeiströmte.

Biber bauten Dämme. Das wusste jeder.

Dämme hielten Wasser auf, schufen Teiche und schützten ihre Burgen.

Wenn ein Damm Wasser aufhalten kann“, dachte Benedikt plötzlich und seine Augen leuchteten auf, „warum sollte er dann nicht auch… schlechte Träume aufhalten können?

Das war es! Er würde einen Traum-Damm bauen!

Keinen gewöhnlichen Damm aus Ästen und Schlamm, oh nein.

Dieser Damm musste ganz besonders sein.

Er musste stark genug sein, um die gruseligsten Traummonster abzuwehren, aber vielleicht auch ein bisschen weich, um die guten Träume durchzulassen?

Benedikt sprang aufgeregt auf.

Sein Plan stand fest. Er würde den besten, sichersten, traum-abweisendsten Damm bauen, den die Biberwelt je gesehen hatte!

Seine Müdigkeit war wie weggeblasen. Jetzt hatte er eine Mission!

Sofort machte sich Benedikt an die Arbeit.

Er brauchte die richtigen Materialien.

Normale Äste waren gut, klar, das Grundgerüst. Aber für einen Traum-Damm brauchte er mehr.

Er sammelte das weichste Moos, das er finden konnte. „Das dämpft die Albträume ab“, murmelte er fachmännisch.

Er suchte nach glatten, glänzenden Kieselsteinen im Flussbett. „Die reflektieren die bösen Gedanken, wie kleine Spiegel!“

Er pflückte duftende Waldblumen, deren süßer Geruch die Luft erfüllte. „Gegen den Mief der Monster!“

Und dann fand er etwas ganz Besonderes: eine einzelne, rot-weiß gestreifte Socke, die wohl ein Wandererkind verloren hatte.

„Perfekt!“, rief Benedikt. „Eine Glücks-Socke! Die bringt bestimmt extra Schutz!“

Seine Freunde, Fiona Fuchs und Hubert Hase, beobachteten ihn mit einer Mischung aus Neugier und Verwirrung.

Fiona, die immer alles wissen musste, tippelte näher. „Benedikt, was machst du denn da Komisches? Baust du ein Vogelnest mit einer Socke?“

Hubert Hase zuckte nervös mit der Nase. „Sieht ein bisschen… unordentlich aus, Benedikt. Bist du sicher, dass das hält?“

Benedikt strahlte sie an, die gestreifte Socke stolz in der Pfote haltend.

„Das wird kein normaler Damm, liebe Freunde! Das wird ein Anti-Albtraum-Damm!“

Er erklärte ihnen seinen Plan, wie der Damm die bösen Träume abfangen und nur die schönen durchlassen sollte.

Fiona legte den Kopf schief. „Ein Damm gegen Träume? Hmmm. Träume sind doch im Kopf, Benedikt. Wie soll ein Damm da helfen?“ Sie klang skeptisch, aber ihre Fuchsnase zuckte interessiert.

„Ja, äh, genau!“, stotterte Hubert. „Träume sind doch… luftig! Die schlüpfen doch einfach durch die Äste durch, oder? Oder beißen sie sich fest?“ Er schaute sich ängstlich um, als könnte jeden Moment ein Traummonster aus dem Gebüsch springen.

„Nein, nein!“, erklärte Benedikt eifrig. „Dieser Damm ist speziell! Das Moos macht ihn weich, die Steine blenden, die Blumen duften gut und die Socke… nun, die Socke ist einfach Glück!“

Er begann, die Äste kunstvoll zu schichten, den Schlamm dazwischen zu verstreichen und seine besonderen Materialien einzubauen.

Es war gar nicht so einfach. Das Moos rutschte immer wieder ab, die Blumen welkten schnell in der Sonne, und die Socke wollte einfach nicht richtig zwischen den Hölzern halten.

Fiona kicherte leise, als Benedikt versuchte, einen Kieselstein mit Schlamm festzukleben, der dann prompt wieder ins Wasser plumpste.

Hubert zitterte leicht. „Pass auf, Benedikt! Nicht, dass du noch einen schlechten Traum anlockst, weil der Damm nicht richtig gebaut ist!“

Benedikt ließ sich nicht entmutigen. Mit echter Biber-Hartnäckigkeit arbeitete er weiter, bis ein kleiner, aber beeindruckend bunter und seltsam aussehender Damm vor dem Eingang seiner Biberburg stand.

Gerade als die Sonne langsam unterging, kam Egon Eule lautlos angeflogen und landete auf einem Ast über ihnen.

Egon hatte schon viele Bibergenerationen kommen und gehen sehen und wusste über fast alles Bescheid.

„Huuu, huuu, welch ein ungewöhnliches Bauwerk, junger Benedikt“, sagte Egon mit seiner tiefen, ruhigen Stimme.

Benedikt erzählte ihm aufgeregt von seinem Traum-Damm und seiner Angst vor den Albträumen.

Egon hörte aufmerksam zu, seine großen Augen musterten den Damm und den kleinen Biber davor.

„Ein Damm, sagst du“, summte Egon. „Dämme sind stark. Sie halten stand. Aber manchmal, Benedikt, liegt die größte Stärke nicht darin, etwas fernzuhalten, sondern darin, zu verstehen, warum es kommt.

Fiona spitzte die Ohren. „Was meint er damit?“

Hubert scharrte nervös mit den Pfoten. „Ist der Damm jetzt gut oder nicht?“

Egon fuhr fort: „Träume sind wie der Wind, Benedikt. Man kann sie nicht fangen. Aber man kann lernen, wie man im Wind steht. Dein Damm ist ein Zeichen deines Mutes. Der Mut, etwas zu tun.

Damit breitete Egon seine Flügel aus und verschwand so lautlos, wie er gekommen war.

Die Freunde sahen sich an. Egons Worte waren wie immer klug, aber auch ein bisschen rätselhaft.

„Mut?“, murmelte Benedikt. „Ich habe doch Angst.“

Fiona stupste ihn an. „Aber du hast trotzdem etwas gebaut! Das ist doch mutig!“

Die Nacht brach herein. Benedikt kuschelte sich in seine Burg, der bunte Traum-Damm direkt vor dem Eingang.

Er roch den Duft der Blumen, spürte das weiche Moos und sah die Kieselsteine im Mondlicht schimmern. Die Glücks-Socke hing ein wenig schief, aber sie war da.

Er fühlte sich seltsam sicher.

Er dachte an seine Arbeit, an die Mühe, die er sich gegeben hatte. Er dachte an Fionas Neugier und Huberts Sorge, und an Egons Worte über Mut.

Er schloss die Augen.

Draußen warteten Fiona und Hubert eine Weile. Sie lauschten. Kein ängstliches Quieken, kein panisches Aufwachen. Nur das leise Plätschern des Flusses und das Zirpen der Grillen.

Am nächsten Morgen wachte Benedikt erfrischt und ausgeruht auf. Die Sonne schien durch einen Spalt im Damm.

Kein Schattenmonster. Kein wackeliger Pilz. Kein knurrender Busch.

Er hatte wunderbar geschlafen!

Fiona und Hubert kamen sofort angerannt. „Und? Und?“, fragte Fiona aufgeregt. „Hat der Damm funktioniert?“

Benedikt strahlte über das ganze Bibergesicht. „Ja! Ich habe geschlafen wie ein Baumstamm! Kein einziger Albtraum!“

„Wow!“, staunte Hubert. „Dann lag es doch an der Socke!“

Benedikt schüttelte den Kopf und schaute auf seinen Damm.

„Ich glaube…“, sagte er nachdenklich, „…es war nicht nur der Damm selbst. Ich glaube, es war, weil ich etwas getan habe. Ich hatte Angst, aber ich habe nicht nur gewartet, sondern diesen Damm gebaut. Mit Moos und Steinen und Blumen… und der Socke.

Er lachte. „Ich habe den Albträumen gezeigt, dass ich mich wehre! Ich habe meine Angst in den Damm gesteckt, und das hat sie verscheucht.“

Fiona nickte langsam. „Wie Egon sagte. Der Mut, etwas zu tun.“

Von diesem Tag an hatte Benedikt kaum noch schlechte Träume.

Manchmal, wenn er doch einen unruhigen Schlaf hatte, schaute er am nächsten Morgen auf seinen Damm, besserte ihn hier und da aus, legte eine frische Blume dazu oder rückte die Glücks-Socke gerade.

Das Bauen und Kümmern erinnerte ihn daran, dass er seiner Angst nicht hilflos ausgeliefert war.

Fiona und Hubert halfen ihm manchmal dabei. Fiona brachte besonders glatte Steine, und Hubert fand das weichste Moos.

Sie nannten es den „Mut-Mach-Damm“.

Und auch wenn andere Tiere im Wald manchmal schmunzelten, wenn sie den seltsamen, bunten Damm mit der rot-weißen Socke sahen, wussten Benedikt und seine Freunde: Manchmal braucht man keinen Zauber, sondern nur ein bisschen Einfallsreichtum, gute Freunde und den Mut, selbst Hand anzulegen – sogar gegen schlechte Träume.

Und wer weiß, vielleicht half die Glücks-Socke ja doch ein kleines bisschen mit. Man konnte ja nie wissen.

Benedikt jedenfalls schlief jetzt viel besser. Und das war die Hauptsache.