
Ein neugieriger Reißverschluss namens Zzzzip reißt nachts von der Jacke aus, erkundet das Kinderzimmer und rutscht heimlich ins bunte Traumland.
An Leos Lieblingsjacke hing ein kleiner, silberner Reißverschluss. Er hieß Zzzzip, und das nicht ohne Grund. Jedes Mal, wenn Leo die Jacke an- oder auszog, machte es „Zzzzzzip!“ und der kleine Metallanhänger sauste die Zahnreihe rauf oder runter.
Tagsüber war das ganz aufregend. Zzzzip reiste mit Leo zum Spielplatz, in den Kindergarten, manchmal sogar zum Eisessen. Aber nachts? Nachts war es gähnend langweilig.
Leo schlief tief und fest in seinem Bettchen, das Mondlicht malte lustige Schatten an die Wand, und die Jacke hing schlaff über der Stuhllehne. „Immer nur rumhängen“, murmelte Zzzzip vor sich hin. Sein kleiner Metallkörper kribbelte vor Abenteuerlust.
„Ich will auch mal was erleben!“, flüsterte er leise in die Stille des Kinderzimmers. „Nur einmal nicht an dieser Jacke baumeln.“
Gesagt, getan! Ganz vorsichtig, fast lautlos, bewegte sich Zzzzip. Er ruckelte ein wenig nach links, dann nach rechts, bis er den Anfang der Zahnreihe erreichte. „Zz-zz-ip“, machte es ganz leise, als er sich langsam, Zahn für Zahn, von der Jacke löste.
Plumps! Mit einem leisen Klirren landete er auf dem Holzboden. Hui, das war höher als gedacht! Zzzzip schüttelte sich kurz. Die Freiheit fühlte sich kühl und ungewohnt an.
Er rutschte über die glatten Dielen. Es war, als würde er Schlittschuh laufen, nur ohne Eis. „Wohin zuerst?“, überlegte Zzzzip. Seine Neugier war riesig.
Sein Blick fiel auf den Spalt unter Leos Bett. Dort war es dunkel und geheimnisvoll. „Da muss ich hin!“, beschloss Zzzzip und glitt entschlossen darauf zu.
Unter dem Bett war es… staubig. Aber nicht nur das! Überall wuselten kleine, graue Wollknäuel herum. Sie sahen aus wie winzige, flauschige Monster mit Kulleraugen.
„Hallo?“, piepste Zzzzip mutig. Die Staubflusen-Monster zuckten zusammen und kicherten.
„Ein Reißverschluss! Ein echter, glänzender Reißverschluss!“, wisperte eines der Knäuel. „Was machst du denn hier unten?“
„Ich bin Zzzzip und mache eine Nachtwanderung“, erklärte er stolz. „Und wer seid ihr?“
„Wir sind die Hüter des Staubes! Wir kitzeln gerne Füße und verstecken einzelne Socken!“, kicherte ein anderes Staubflusen-Monster und stupste Zzzzip kitzelig an.
Zzzzip musste lachen. Sie waren gar nicht gruselig, nur ein bisschen chaotisch. Er spielte eine Weile Fangen mit den Staubflusen, bis ihm wieder einfiel, dass er ja noch mehr entdecken wollte.
„Ich muss weiter!“, rief er und rutschte wieder unter dem Bett hervor.
Sein nächstes Ziel war das große Spielzeugregal. Das war eine echte Kletterpartie! Zzzzip klemmte seinen Anhänger geschickt in die Maserung des Holzes und zog sich langsam hoch.
Oben angekommen, traf er auf Brumm Bär, Leos alten Teddy. Brumm Bär saß mit verschränkten Armen da und schaute grimmig.
„Na? Was willst du denn hier, kleiner Zzzipfel?“, brummte der Bär schläfrig.
„Ich bin Zzzzip und erkunde die Nacht!“, sagte Zzzzip. „Ist das nicht aufregend?“
Brumm Bär gähnte herzhaft. „Aufregend ist vor allem mein Kissen. Lass mich schlafen, Kleiner.“ Er drehte Zzzzip den Rücken zu und schnarchte leise weiter.
Etwas enttäuscht rutschte Zzzzip weiter zur Quietsch Ente, die in der Badewanne immer so lustig quiekte.
„Hallo Quietsch Ente!“, rief Zzzzip. Die Ente starrte ihn mit ihren großen, aufgemalten Augen an und… quietschte nicht. Sie blieb stumm.
„Na toll“, dachte Zzzzip. „Nachts sind alle Spielsachen Langweiler.“
Doch dann sah er es. Unter der Tür zum Kleiderschrank schimmerte ein sanftes, buntes Licht. Es pulsierte leicht, wie ein Herzschlag aus Farben.
„Was ist das?“, flüsterte Zzzzip voller Ehrfurcht. Es zog ihn magisch an.
Er rutschte vom Regal, landete weich auf einem Kissenstapel und glitt zum Schrank. Der Lichtspalt war gerade groß genug, dass er hindurchpasste.
„Zzzzzip!“, machte er noch einmal leise und schob sich durch den Spalt.
Wow! Dahinter war nicht der dunkle Kleiderschrank. Es war eine völlig andere Welt! Alles war weich und leuchtend. Berge aus riesigen Kissen türmten sich auf, Täler aus flauschigen Decken breiteten sich aus, und ein Fluss aus schimmernder, warmer Milch floss sanft dahin.
„Das muss Traumland sein!“, staunte Zzzzip. Er rutschte einen riesigen Kissenberg hinunter – das kitzelte im Bauch! Unten platschte er in den Milchfluss und ließ sich treiben. Leuchtende Seifenblasen tanzten um ihn herum und platzten mit einem leisen „Plopp“.
Er sah Wolken aus Zuckerwatte und Bäume, an denen Gummibärchen wuchsen. Es roch nach Vanille und Abenteuer.
Zzzzip hatte unglaublichen Spaß. Er surfte auf einem Stück Betttuch eine Deckenwelle hinunter und spielte Verstecken mit kleinen, glitzernden Traumsternen.
Aber nach einer Weile merkte er, dass etwas fehlte. Es war wunderschön hier, aber… es war nicht sein Platz. Er vermisste das Gefühl, an Leos warmer Jacke zu hängen, das vertraute „Zzzzzzip!“-Geräusch, wenn Leo ihn bewegte.
„Ich gehöre doch zur Jacke“, dachte Zzzzip ein bisschen traurig. „Hier bin ich nur ein Besucher.“
Er blickte sich um. Wo war der Ausgang? Er folgte dem Milchfluss zurück, kletterte mühsam wieder den Kissenberg hoch und fand schließlich den Lichtspalt, durch den er gekommen war.
„Auf Wiedersehen, Traumland!“, flüsterte er und schlüpfte zurück ins Kinderzimmer.
Draußen wurde es schon langsam hell. Die ersten Sonnenstrahlen malten rosa Streifen an den Himmel.
„Oh je, ich muss mich beeilen!“, dachte Zzzzip.
Schnell rutschte er über den Boden, kletterte geschickt das Stuhlbein hoch – das hatte er ja jetzt geübt – und erreichte die Jacke.
Mit einem zufriedenen „Zzzzzip!“ fuhr er die Zahnreihe entlang und klickte sich oben fest. Geschafft! Er hing wieder an seinem Platz, gerade als Leo sich im Bett reckte und die Augen öffnete.
Leo gähnte, stand auf und griff nach seiner Lieblingsjacke. „Guten Morgen, Jacke!“, murmelte er und zog sie an. „Zzzzzzip!“, machte es laut und vertraut, als Leo den Reißverschluss bis zum Hals hochzog.
Zzzzip baumelte zufrieden an seinem Platz. Er war wieder da, wo er hingehörte. Niemand wusste von seinem nächtlichen Abenteuer im Traumland. Aber Zzzzip lächelte innerlich. Es war sein kleines, glänzendes Geheimnis. Und wer weiß, vielleicht würde er nächste Nacht ja wieder eine kleine Reise unternehmen… aber nur, wenn es wieder zu langweilig wurde.