Theo Tropfen rutscht die Regenrinne ins Bett

Theo Tropfen rutscht die Regenrinne ins Bett

Ein neugieriger Regentropfen namens Theo sucht das Abenteuer und rutscht eine Regenrinne hinunter, in der Hoffnung auf ein warmes Bett.

Hoch oben, in einer dicken, grauen Wolke, saß Theo Tropfen und schaukelte auf einem Wassertröpfchen wie auf einer Hängematte.

Es war ein ganz normaler Regentag, und unter ihm wartete die Erde.

Normalerweise war das ganz okay. Fallen, platschen, fertig.

Aber heute… heute war Theo irgendwie langweilig.

„Immer nur runterfallen“, murmelte er vor sich hin. „Platsch. Pfütze. Versickern. Das kann doch nicht alles sein!“

Seine Tropfenfreunde kicherten. „Was willst du denn sonst machen, Theo? Fliegen wie ein Vogel? Buddeln wie ein Maulwurf?“

Theo schüttelte energisch seinen kleinen Tropfenkopf. „Nein! Aber… vielleicht mal woanders landen? Nicht immer nur auf der Wiese oder dem Autodach.“

Er spähte nach unten. Die Welt unter ihm sah aus wie ein Flickenteppich. Grüne Wiesen, graue Straßen, bunte Häuser.

Ein Haus fiel ihm besonders auf. Es hatte ein leuchtend rotes Dach und gelbe Fensterläden. Und an der Seite schlängelte sich eine silberne Regenrinne entlang.

„Da!“, rief Theo aufgeregt. „Seht ihr die Regenrinne? Ich wette, die führt irgendwohin! Vielleicht… vielleicht sogar in ein warmes Bett!“

Die anderen Tropfen lachten schallend. „In ein Bett? Theo, du Träumer! Regenrinnen führen in Tonnen oder in den Garten, aber doch nicht in Betten!“

Aber Theo war nicht zu bremsen. Eine Idee hatte sich in seinem wässrigen Köpfchen festgesetzt.

„Ich probier’s aus!“, rief er entschlossen. „Wer nicht wagt, der nicht platscht!“

Und als die Wolke beschloss, ihre Ladung loszuwerden, stieß Theo sich kräftig ab.

Er sauste an seinen Freunden vorbei, konzentrierte sich ganz auf das rote Dach unter ihm.

Wind zischte an ihm vorbei. „Huiiiii!“, jubelte Theo. Das war schon mal aufregender als das normale Fallen.

Klack! Er landete mit einem sanften Aufprall auf einer roten Dachziegel. Sie war warm von der Sonne, die kurz zuvor noch geschienen hatte.

Theo kullerte ein Stück, dann noch ein Stück. Die Schwerkraft zog ihn unaufhaltsam Richtung Dachkante.

„Hallo, kleiner Abenteurer!“, krächzte plötzlich eine Stimme.

Theo blickte auf. Auf dem Balkon neben der Dachrinne stand eine alte, etwas verbeulte Gießkanne. Sie hatte freundliche Augen aufgemalt bekommen.

„Wer bist du denn?“, fragte Theo neugierig.

„Ich bin Gisela Gießkanne. Und du scheinst es ja eilig zu haben, in die Rinne zu kommen.“

Theo nickte eifrig. „Ich will sehen, wohin sie führt! Vielleicht in ein Bett?“

Gisela lachte rostig. „Ein Bett? Sowas hab ich ja noch nie gehört! Pass lieber auf, mein Kleiner. Rinnen sind dunkel und manchmal voller Laub.“

„Ich passe auf!“, versprach Theo. „Danke, Gisela!“

Schwupp! Mit einem letzten Kuller landete er in der Dachrinne. Es war tatsächlich etwas dunkel hier drin, und es roch nach feuchtem Metall und ein bisschen nach Moos.

Das Wasser sammelte sich und begann, schneller zu fließen. Theo wurde mitgerissen.

„Juhuuuu!“, rief er. Es war wie auf einer Wasserrutsche im Schwimmbad, nur viel länger und geheimnisvoller.

Die Rinne machte eine Biegung. Theo klatschte gegen die Wand, drehte sich und sauste weiter.

Er hörte das Rauschen der anderen Tropfen hinter sich. Sie folgten ihm!

Plötzlich wurde es stockdunkel. Die Rinne war in ein Fallrohr übergegangen.

Theo fiel und fiel. Es war ein bisschen unheimlich, aber auch wahnsinnig spannend.

Er hörte ein dumpfes Grollen von unten. Was war das?

„Gleich bin ich da!“, dachte Theo aufgeregt. „Gleich weiß ich, ob es das Bett ist!“

PLAAAATSCH!

Theo landete in etwas Kaltem und Nasskalten. Es war definitiv kein Bett.

Er blinzelte. Es war dunkel, aber nicht mehr stockfinster. Er schwamm in einer großen, hölzernen Tonne.

„Na sowas! Wer stört denn meine Abendruhe?“, quakte eine tiefe Stimme.

Theo zuckte zusammen. Aus dem Halbdunkel tauchten zwei große Glubschaugen auf.

Ein Frosch saß auf einem alten Blatt am Rand der Tonne und sah ihn missmutig an.

„Entschuldigung“, piepste Theo. „Ich bin Theo Tropfen. Ich bin die Regenrinne runtergerutscht.“

Der Frosch quakte amüsiert. „Die Regenrinne? Und was hast du hier unten gesucht? Gold?“

„Nein“, sagte Theo kleinlaut. „Ein Bett.“

Der Frosch prustete los. „Ein Bett? In der Regentonne? Quak-ha-ha! Kleiner Tropfen, du bist ja lustig! Ich bin Fritz Frosch, und das hier ist mein Reich. Kein Bett weit und breit.“

Theo war ein bisschen enttäuscht. „Oh. Dann haben die anderen ja doch recht gehabt.“

Fritz Frosch hörte auf zu lachen und sah Theo neugierig an. „Aber warum wolltest du denn in ein Bett?“

„Naja“, erklärte Theo, „immer nur fallen und platschen ist langweilig. Ich wollte ein Abenteuer. Und ein Bett klang so… gemütlich und anders.“

Fritz nickte verständnisvoll. „Verstehe. Abenteuer sind gut. Und gemütlich ist auch gut. Aber hier in der Tonne ist es auch nicht schlecht. Von hier aus geht’s bald in den Garten. Das ist auch ein Abenteuer!“

Theo schaute sich um. Die Tonne war ziemlich voll. Das Wasser reichte fast bis zum Rand.

„Der Garten?“, fragte er.

„Ja!“, quakte Fritz. „Gleich nebenan. Da schläft auch der kleine Leo in seinem Zimmer. Sein Fenster ist oft einen Spalt offen. Manchmal höre ich ihn im Schlaf brabbeln.“

Leos Zimmer? Ein offenes Fenster? Theos Tropfenherz machte einen kleinen Hüpfer.

„Meinst du… meinst du, ich könnte vielleicht… dorthin?“

Fritz Frosch überlegte. „Hmm, direkt rüberfliegen kannst du nicht. Aber siehst du das große Blatt da am Rand? Wenn du darauf kletterst und eine sanfte Brise kommt… vielleicht…“

Theo paddelte aufgeregt zum Blattrand. Vorsichtig kletterte er auf das große, grüne Blatt. Es schaukelte leicht.

Er wartete. Der Regen hatte fast aufgehört. Nur noch wenige Tropfen platschten in die Tonne.

Dann spürte er es. Ein leichter Windhauch strich über die Regentonne.

Das Blatt unter ihm hob sich ein kleines bisschen.

Es löste sich vom Rand und schwebte langsam, ganz langsam durch die Luft.

Theo hielt die Luft an. Er schwebte! Direkt auf das Haus zu, auf das leicht geöffnete Fenster.

Er konnte gedämpftes Atmen hören.

Sanft landete das Blatt mit Theo darauf auf der Fensterbank, direkt im warmen Zimmer.

Theo rutschte vorsichtig vom Blatt. Der Teppichboden unter ihm war weich.

Er blickte sich um. Da lag Leo in seinem Bett, eingekuschelt unter einer Decke mit Raumschiffen drauf. Er schlief tief und fest.

Es war warm hier drin. Viel wärmer als in der Wolke oder der Regentonne.

Theo fühlte sich plötzlich ganz ruhig und zufrieden. Es war kein Bett, in dem er gelandet war, aber es war ein gemütlicher, sicherer Ort.

Er hatte sein Abenteuer gehabt. Er war die aufregende Regenrinne gerutscht, hatte Gisela und Fritz getroffen und war sogar geflogen!

Langsam, ganz langsam, spürte Theo, wie er sich veränderte. Die Wärme des Zimmers ließ ihn dunsten.

Er wurde leichter und leichter, stieg als winziger, unsichtbarer Dampf nach oben.

Er sah noch einmal zu Leo hinüber, der sich im Schlaf seufzend umdrehte.

„War schön hier“, dachte Theo Tropfen, bevor er sich ganz auflöste und wieder Teil der großen Luft wurde, bereit, irgendwann wieder zu einer Wolke zu werden.

Und vielleicht träumte Leo in dieser Nacht von lustigen Regentropfen, die auf Blättern durch die Luft segelten.