
Leo kann nicht schlafen, weil das Haus knarzt und brummt. Neugierig entdeckt er die lustige „Nachtmusik“ seiner besonderen Hausbewohner.
Leo kuschelte sich tiefer unter seine Bettdecke. Draußen war es stockdunkel, nur der Mond warf einen schmalen, silbernen Streifen Licht durch einen Spalt im Vorhang.
Eigentlich war Schlafenszeit. Mama hatte ihm eine Geschichte vorgelesen, Papa hatte ihm einen Gutenachtkuss gegeben, und sein Kuschelhase, Hoppel, lag treu neben ihm.
Aber Leo konnte nicht einschlafen.
Warum? Weil das Haus heute Nacht besonders gesprächig war.
Erst war da dieses leise Knarzen. Knarrrz… knarrrz… Es kam aus Richtung des Flurs. Als würde jemand auf Zehenspitzen schleichen, der aber dringend mal neue Schuhe bräuchte.
Dann mischte sich ein Glucksen dazu. Gluck, gluck, gurgel… Das klang wie aus dem Wohnzimmer, von der alten Heizung, die immer ein bisschen fror, bevor sie warm wurde.
Und dann war da noch dieses feine Pfeifen. Fiiiiiiieeeep… fiiiiiiieeeep… Ganz leise, aber stetig. Es schien vom Fenster zu kommen, als würde der Wind versuchen, ein Lied zu summen.
Leo zog die Decke bis unters Kinn. Ein bisschen mulmig war ihm schon. Waren das Gespenster? Oder vielleicht Haus-Monster, die nur nachts herauskamen?
Aber Gespenster machten doch „Huuuuuh“, oder? Und Monster trampelten doch bestimmt laut, oder?
Dieses Knarzen, Glucksen und Pfeifen klang… anders. Fast ein bisschen… lustig?
Die Neugier kitzelte Leo mehr als die Angst. Was war das nur?
„Hoppel“, flüsterte er seinem Hasen ins Ohr, „ich glaube, wir müssen mal nachsehen.“
Hoppel sagte nichts, aber Leo war sich sicher, dass er zustimmend mit seinen langen Ohren gewackelt hätte, wenn er wach gewesen wäre.
Ganz leise schob Leo die Bettdecke zur Seite. Seine Füße tippten auf den kühlen Holzboden. Patsch, patsch, patsch… ganz vorsichtig.
Er schlich zur Tür und öffnete sie einen winzigen Spaltbreit. Knarrrz… machte die Tür. „Psst!“, zischte Leo, als hätte die Tür ihn verraten wollen.
Im Flur war es dämmrig. Das Knarzen war jetzt lauter. Knarrrrz… knarrrrz…
Leo spähte um die Ecke. Da war niemand! Nur der alte Holzboden lag still da. Aber als Leo ganz genau hinsah, war es, als würde sich eine der Dielen, direkt vor der Wohnzimmertür, ganz leicht bewegen. Nur einen Millimeter hoch und runter. Bei jeder Bewegung machte sie: Knarrrz!
„Aha!“, dachte Leo. „Das ist also Herr Knarz!“ Er grinste. Der Boden war also der Knarz-Meister.
Jetzt hörte er das Glucksen deutlicher. Gluck, gurgel, gluck…
Er schlich weiter zum Wohnzimmer. Dort stand die alte Heizung an der Wand. Sie war schon ein bisschen rostig, aber immer zuverlässig warm. Und jetzt gluckste und gurgelte sie vor sich hin, als hätte sie Blubberwasser getrunken.
„Guten Abend, Frau Gluck!“, flüsterte Leo. Er stellte sich vor, wie das Wasser in der Heizung fröhlich Blasen schlug und dabei sang.
Und das Pfeifen? Fiiiiiiep…
Leo ging zum großen Fenster. Draußen tanzten die Blätter im Wind. Und genau da, wo der Fensterrahmen nicht ganz dicht war, pfiff ein dünner Luftzug herein. Mal lauter, mal leiser. Fiiiiieeeep… fiiiiiiieeeeep…
„Hallo, ihr Wind-Zwillinge!“, kicherte Leo. Das waren also die Pfeifer.
Plötzlich hörte er noch ein Geräusch. Ein tiefes, gleichmäßiges Brummen. Brrrrruuuuuuummmmm…
Das kam aus der Küche! Leo kannte dieses Geräusch. Das war doch…
Er tappte leise über den Flur, vorbei an Herrn Knarz, der immer noch rhythmisch knarzte, in die Küche.
Dort stand er, groß und weiß: der Kühlschrank.
Brrrrruuuuuuummmmm… machte er. Ganz ruhig und gemütlich, wie ein großer Bär, der im Schlaf schnarcht.
„Hallo, Herr Kühlschrank-Brummer!“, flüsterte Leo.
Er stand mitten im dunklen Haus und lauschte.
Knarrrz… (Herr Knarz, der Boden)
Gluck, gurgel… (Frau Gluck, die Heizung)
Fiiiiieeeep… (Die Wind-Zwillinge am Fenster)
Brrrrruuuuuuummmmm… (Der Kühlschrank-Brummer)
Und dann fiel es ihm auf! Das war ja wie… wie Musik!
Tick… Tack… Tick… Tack… machte die alte Standuhr im Flur. Sie gab den Takt vor!
Leo musste kichern. Das war keine Geisterstunde, das war ein Konzert! Die „Nachtmusik im Haus“!
Herr Knarz spielte die knarzige Geige. Frau Gluck sang mit ihrer blubbernden Stimme. Die Wind-Zwillinge spielten die feine Flöte. Der Kühlschrank-Brummer sorgte für den tiefen Bass. Und Tick & Tack an der Uhr waren das Schlagzeug!
Leo hob leise seine Hände, als wäre er der Dirigent. Er bewegte sie im Takt der Geräusche.
Einmal dirigierte er Herrn Knarz, dann Frau Gluck, dann die Wind-Zwillinge und den Brummer. Es machte riesigen Spaß!
Die Geräusche waren gar nicht mehr unheimlich. Sie waren wie alte Freunde, die nachts leise Musik machten, damit das Haus nicht so allein war.
Leo gähnte. Das Dirigieren war anstrengend. Und die Musik war eigentlich ganz beruhigend.
Er schlich zurück in sein Zimmer. Patsch, patsch, patsch…
Er kuschelte sich wieder unter die Decke, neben Hoppel.
Jetzt hörte er die Nachtmusik wieder. Knarrrz… gluck… fiiiiep… brummm… Tick… Tack…
Aber jetzt lächelte er.
„Gute Nacht, Herr Knarz“, murmelte er.
„Schlaf schön, Frau Gluck.“
„Träumt süß, Wind-Zwillinge.“
„Bis morgen, Herr Kühlschrank-Brummer.“
„Danke für den Takt, Tick & Tack.“
Er lauschte der seltsamen, aber freundlichen Musik seines Hauses. Es war wie ein ganz besonderes Schlaflied, nur für ihn.
Knarrz… gluck… fiiiiep… brummm…
Und während das Hausorchester weiterspielte, fielen Leo endlich die Augen zu, und er schlief tief und fest ein.