
Finn, der neugierige Dachs, wundert sich, warum der Mond ein Pflaster trägt. Lustige Waldbewohner haben kuriose Ideen, doch die Wahrheit ist verrückt!
Finn, der kleine Dachs, blinzelte. Seine schwarzen Knopfaugen versuchten, durch das dichte Blätterdach des Waldes zu spähen.
Normalerweise war der Mond sein liebster Anblick in der Nacht. Rund und silbern, wie eine riesige, leuchtende Münze am Himmel.
Aber heute… heute war etwas anders.
Finn rieb sich die Augen mit seinen kleinen Pfoten. War er noch müde? Nein, das konnte nicht sein. Er war gerade erst aus seinem gemütlichen Bau gekrochen, bereit für die nächtlichen Abenteuer.
Er schaute wieder hoch.
Da war es! Mitten auf der Wange des Mondes, dort, wo er sonst so glatt und hell war, klebte etwas Großes, Weißes. Es sah aus… ja, es sah genau aus wie ein riesiges Pflaster!
„Ein Pflaster?“, murmelte Finn vor sich hin. „Warum trägt der Mond denn ein Pflaster?“
So etwas hatte er noch nie gesehen. Der Mond war doch der große, weise Wächter der Nacht. Der fiel doch nicht einfach hin und holte sich eine Beule!
Die Neugier packte Finn fester als eine Klette sein Fell. Das musste er herausfinden!
Er tapste los, seine Nase dicht über dem Waldboden, aber seine Augen immer wieder nach oben gerichtet, zum seltsamen Mond mit dem Pflaster.
Als Erstes traf er Frida, das Eichhörnchen. Frida saß auf einem Ast und knabberte an einer Nuss, die sie wohl vom Tag übriggelassen hatte. Sie war immer ein bisschen… nun ja, flatterhaft.
„Frida!“, rief Finn leise nach oben. „Hast du den Mond gesehen? Er hat ein Pflaster!“
Frida ließ ihre Nuss fast fallen. „Ein Pflaster? Oh Schreck! Wirklich? Zeig mal!“ Sie kletterte ein Stück höher und spähte zum Himmel.
„Tatsächlich!“, quietschte sie. „Ganz groß und weiß! Weißt du, was ich glaube, Finn?“ Sie beugte sich verschwörerisch zu ihm herunter.
„Ich glaube“, flüsterte sie aufgeregt, „der Mond hat zu viele von diesen glitzernden Sternschnuppen-Bonbons genascht! Die sind furchtbar süß, weißt du? Bestimmt hat er Bauchweh bekommen, so richtig schlimm, und der Mann im Mond musste ihm ein Riesen-Bauchweh-Pflaster draufkleben!“
Finn dachte nach. Sternschnuppen-Bonbons? Bauchweh-Pflaster? Das klang… nun ja, das klang sehr nach Frida.
„Meinst du wirklich?“, fragte er zweifelnd.
„Ganz sicher!“, nickte Frida eifrig und knabberte weiter an ihrer Nuss. „Passiert mir auch manchmal, wenn ich zu viele Eicheln auf einmal esse.“
Finn bedankte sich, aber so ganz überzeugt war er nicht. Er trottete weiter durch das raschelnde Laub.
Unter einem großen Farnwedel rollte sich gerade Hubert, der Igel, zusammen. Hubert war meistens ein bisschen brummig, besonders wenn man ihn störte.
„Hubert?“, fragte Finn vorsichtig.
Ein Schnauben kam unter dem Farn hervor. „Was gibt’s? Kann ein Igel nicht mal seine Ruhe haben?“
„Entschuldige, Hubert“, sagte Finn. „Aber hast du den Mond gesehen? Er trägt ein Pflaster!“
Hubert entrollte sich langsam und blinzelte mit seinen kleinen Augen zum Himmel. Er brummte.
„Pflaster, soso. War ja klar“, grummelte er. „Dieser Mond! Immer mit dem Kopf in den Wolken. Wetten, er ist über die Milchstraße gestolpert, weil er wieder nicht aufgepasst hat? Tapsig ist er, das sag ich dir. Tapsig!“
Hubert schüttelte missmutig seine Stacheln. „Wahrscheinlich hat er sich das Knie aufgeschlagen. Oder die Nase. Ein großes Pflaster für eine große, ungeschickte Mondnase. Pffft.“
Über die Milchstraße gestolpert? Finn stellte sich das vor. Der riesige Mond, wie er über die funkelnden Sterne purzelte. Das klang auch komisch. Und ein bisschen lustig.
„Danke, Hubert“, sagte Finn und zog weiter.
Seine Neugier war immer noch nicht gestillt. Er brauchte eine Antwort von jemandem, der wirklich Bescheid wusste.
Und wer wusste im Wald am besten Bescheid? Natürlich, Professor Uhu!
Der alte, weise Uhu saß wie immer auf dem höchsten Ast der alten Eiche am Waldrand. Seine großen, runden Augen schienen alles zu sehen.
„Huu-huu, Professor Uhu?“, rief Finn nach oben.
Der Kopf des Uhus drehte sich lautlos herum. „Finn, mein junger Freund. Was führt dich in dieser schönen Nacht zu mir?“ Seine Stimme war tief und ruhig.
„Professor“, begann Finn aufgeregt, „der Mond! Er trägt ein Pflaster! Frida meint, er hat Bauchweh von Sternschnuppen-Bonbons, und Hubert sagt, er ist über die Milchstraße gestolpert. Aber was ist wirklich passiert?“
Professor Uhu schmunzelte leise, was bei einem Uhu eher wie ein sanftes Wackeln der Federohren aussah.
Er blickte zum Mond hinauf, auf dem das weiße Etwas immer noch deutlich zu sehen war.
„Nun, Finn“, sagte er bedächtig. „Frida und Hubert haben viel Fantasie, das muss man ihnen lassen. Aber die Wahrheit ist vielleicht noch ein bisschen abenteuerlicher.“
Finn spitzte die Ohren. Abenteuerlicher?
„Der Mond“, fuhr Professor Uhu fort, „ist nicht nur der Wächter der Nacht, er ist auch ein großer Entdecker und manchmal… nun ja, manchmal ein kleiner Draufgänger.“
„Ein Draufgänger?“, staunte Finn.
„Oh ja“, nickte der Uhu. „Heute Nacht zum Beispiel hat er versucht, etwas Neues zu lernen. Er wollte kosmische Radschläge üben!“
„Kosmische Radschläge?“, wiederholte Finn mit großen Augen.
„Genau. Direkt neben den Ringen des Saturns. Das ist ein wunderbarer Ort dafür, aber man kann leicht schwindelig werden bei all dem Glanz und Glimmer“, erklärte der Professor.
„Und was ist dann passiert?“, fragte Finn atemlos.
„Nun“, sagte der Uhu und senkte seine Stimme verschwörerisch, „er hat einen Radschlag zu viel gemacht, wurde ein bisschen dusselig im Kopf und… BUMS!… ist er mit seiner Backe gegen einen kleinen, schläfrigen Asteroiden gestoßen, der gerade vorbeidriftete.“
„Oh nein!“, rief Finn.
„Keine Sorge“, beruhigte ihn der Uhu. „Es war nur ein kleiner Stupser. Aber der Mann im Mond, der ja immer gut auf unseren Freund aufpasst, hat ihm vorsichtshalber dieses große, leuchtende Trost-Pflaster auf die Backe geklebt.“
Finn schaute wieder zum Mond. Ein kosmisches Radschlag-Unglück! Ein Zusammenstoß mit einem schläfrigen Asteroiden! Ein Trost-Pflaster vom Mann im Mond!
Das klang nach der allerbesten Erklärung! Viel besser als Bauchweh oder Stolpern.
Er betrachtete das weiße „Pflaster“ – vielleicht war es ja nur eine Wolke, die gerade vorbeizog, oder der Schatten eines großen Kraters, aber die Geschichte vom Professor gefiel ihm viel, viel besser.
„Danke, Professor Uhu!“, rief Finn glücklich. „Das ist eine tolle Geschichte!“
„Gern geschehen, kleiner Dachs“, sagte der Uhu. „Und nun schlaf gut. Auch Abenteurer wie der Mond brauchen mal ihre Ruhe.“
Finn gähnte. Er war jetzt tatsächlich müde geworden. Die ganze Aufregung um das Mond-Pflaster!
Er tapste zurück zu seinem Bau, blickte noch einmal zum Himmel und zwinkerte dem Mond mit dem Pflaster zu.
„Gute Besserung!“, flüsterte er.
Dann kuschelte er sich in sein weiches Moosbett und schlief sofort ein.
Er träumte von kosmischen Radschlägen, glitzernden Saturnringen und kleinen, schläfrigen Asteroiden, die man besser nicht anstupsen sollte.