Klara Kleckstropfen malt ein Traumbild

Klara Kleckstropfen malt ein Traumbild

Klara Kleckstropfen, ein Regentropfen, malt statt zu fallen lieber. Nachts erschafft sie mit Freunden heimlich ein Traumbild in ihrer Wolke.

Hoch oben am Himmel, in einer Wolke so weich und bauschig wie ein riesiges Kissen, wohnte ein kleiner Regentropfen namens Klara Kleckstropfen.

Wolle Wuschel hieß die Wolke, und sie war meistens sehr gemütlich, brummte aber manchmal ein bisschen, wenn der Wind zu wild kitzelte.

Klara war kein gewöhnlicher Regentropfen. Die anderen Tropfen träumten davon, mit einem lauten „Platsch!“ auf ein Blatt oder in eine Pfütze zu fallen.

Klara aber träumte davon, zu malen.

„Malen?“, fragten die anderen Tropfen verwirrt. „Tropfen fallen, Klara. Sie malen nicht.“

„Aber warum nicht?“, fragte Klara dann und schaukelte nachdenklich an einem flauschigen Wolkenfaden. „Es gibt doch so viele Farben hier oben! Das Silber vom Mondlicht, das Glitzern vom Sternenstaub, das tiefe Blau der Nacht…“

Die anderen Tropfen schüttelten nur ihre runden Köpfchen und kuschelten sich tiefer in Wolle Wuschels Wattebauch.

Eines Abends konnte Klara aber gar nicht einschlafen. Der Mond schien besonders hell, und seine Strahlen lugten durch die dünneren Ränder von Wolle Wuschel hindurch. Sie warfen silbrige Muster an die Innenwand der Wolke.

„Wow!“, flüsterte Klara. „Das sieht ja schon fast aus wie ein Gemälde!“

Und da kam ihr eine Idee. Eine kribbelige, aufregende Idee!

„Ich male!“, beschloss sie leise. „Ich male ein Traumbild an Wolle Wuschels Wand!“

Ganz vorsichtig, um niemanden zu wecken, rutschte Klara zu einem kleinen Eiszapfen, der von einem kälteren Tag übriggeblieben war. Er war spitz und glatt – perfekt als Pinsel!

Dann sammelte sie etwas Mondlicht in einer kleinen Wolkenmulde und mischte es mit dem feinen, glitzernden Staub, der immer zwischen den Wolkenfasern schwebte.

Es entstand eine schimmernde, silbrig-blaue Farbe.

„Perfekt!“, murmelte Klara und tupfte ihren Eiszapfen-Pinsel hinein.

Sie tippelte zur großen, weichen Innenwand von Wolle Wuschel und begann zu malen.

Zuerst war es nur ein kleiner Klecks. Dann noch einer. Klara war ja nicht umsonst eine Kleckstropfen! Aber bald entstanden Formen.

Sie malte Fische mit Flügeln, die durch den Wolkenhimmel schwammen.

Sie malte Bäume, deren Wurzeln lustig nach oben wuchsen und deren Blätter wie kleine Sterne leuchteten.

Sie malte Pfützen, die freundlich lächelten und das Mondlicht spiegelten.

Ihr leises Tippeln und das Klickern des Eiszapfens weckten jemanden.

„Pssssst! Was machst du da?“, zischte eine helle Stimme.

Es war Fritz Funke, ein winziger, zappeliger Blitz, der in einer Nachbarwolke wohnte, aber oft zu Besuch kam.

„Ich male ein Traumbild!“, flüsterte Klara zurück, ohne aufzusehen.

„Malen? Mit Eis und Staub?“, Fritz Funke blitzte neugierig auf und zuckte näher heran. „Zeig mal!“

Gerade als Klara einen besonders großen, fliegenden Fisch malen wollte, zappelte Fritz so aufgeregt herum, dass er einen winzigen Funken sprühte.

Zick!* Der Funke traf genau Klaras gemalten Fisch und ließ ihn golden aufleuchten!

„Huch!“, machte Klara. „Oh! Das sieht ja toll aus!“

Fritz kicherte. „Ich helfe dir! Ich mache Spezialeffekte!“ Und er begann, kleine, harmlose Funken auf Klaras Bild zu sprühen, die wie winzige Sterne aufblitzten.

Das leise Gekicher und Gezische weckte noch jemanden.

Ein sanftes Säuseln war zu hören. „Hach… was ist denn hier los…?“, murmelte Windfried Wispel, ein kleiner, sehr verschlafener Windstoß, der sich gerne in Wolle Wuschel zum Nickerchen einkuschelte.

Er schwebte langsam näher und gähnte herzhaft.

„Klara malt ein Traumbild, Windfried!“, erklärte Fritz Funke aufgeregt und sprühte noch ein paar Funken.

Windfried blinzelte. „Oh… schön…“ Er seufzte schläfrig, und sein sanfter Atem strich über einen Teil von Klaras Gemälde.

Die Farben, die Klara gerade aufgetragen hatte, verwischten ganz sanft ineinander. Das harte Blau wurde weicher, das Silber floss in das Gold der Funken.

„Oh!“, machte Klara wieder. „Das ist ja noch schöner! Wie ein Nebelschleier!“

Windfried lächelte müde. „Gern geschehen… hach…“

Doch all der Trubel, das Gekicher, Gezische und Gesäusel, war selbst für die tief schlafende Wolle Wuschel zu viel.

Ein tiefes Grummeln rollte durch die Wolke. „Was… ist… hier… los?“, brummte eine schläfrige, tiefe Stimme. Wolle Wuschel reckte und streckte sich, und die Wände wackelten ein wenig.

„Und was sind das für… für Kleckse an meiner Wand?!“

Klara zuckte zusammen. Fritz Funke versteckte sich hinter einem Wolkenbausch, und Windfried Wispel tat so, als würde er tief schlafen.

„Ähm… Hallo, Wolle Wuschel“, piepste Klara. „Ich… ich habe nur ein kleines Traumbild gemalt.“ Sie hielt ihren Eiszapfen-Pinsel fest umklammert.

Wolle Wuschel kniff die nicht vorhandenen Augen zusammen und betrachtete die bemalte Wand. Zuerst sah er nur die Kleckse.

„Kleckse! Überall!“, grummelte er.

Aber dann sah er genauer hin. Er sah den fliegenden Fisch, der golden leuchtete. Er sah die verkehrten Bäume mit den Sternenblättern. Er sah die lächelnden Pfützen.

„Ein fliegender Fisch…“, murmelte Wolle Wuschel nachdenklich. „Ich glaube, von so einem habe ich letzte Nacht geträumt…“

Sein Brummen wurde leiser. Er betrachtete die sanften Farbverläufe, die Windfried gezaubert hatte, und die glitzernden Akzente von Fritz.

„Hm…“, machte er. „Das ist… gar nicht so übel, Klara Kleckstropfen.“

Klara schaute überrascht auf.

Wolle Wuschel räusperte sich. „Fehlt vielleicht noch ein bisschen Grau. Ein schönes Sturmwolkengrau. Das macht es dramatisch.“ Er stupste vorsichtig mit einem Wolkenfinger auf eine leere Stelle.

Klara strahlte. „Ja! Das ist eine super Idee!“

Fritz Funke kam wieder hervor, und Windfried hörte auf, Schlaf vorzutäuschen.

Gemeinsam machten sie sich daran, das Traumbild fertigzustellen. Klara malte mit ihrem Eiszapfen, Fritz setzte goldene Lichter, Windfried sorgte für weiche Übergänge, und Wolle Wuschel steuerte das perfekte Grau bei.

Es war ein herrliches Durcheinander, aber am Ende war die ganze Wolkenwand mit einem fantastischen, leuchtenden, leicht chaotischen Traumbild bedeckt.

Alle waren müde, aber sehr glücklich.

„Das ist das schönste Gekleckse, das ich je gesehen habe“, sagte Wolle Wuschel und tätschelte Klara sanft.

Klara kuschelte sich an ihren Lieblingsplatz. Sie war stolz und glücklich. Ihr erstes richtiges Gemälde!

Fritz Funke zuckte noch ein letztes Mal zufrieden auf und rollte sich zusammen.

Windfried Wispel war schon längst wieder eingeschlafen und seufzte leise im Schlaf.

Wolle Wuschel fühlte sich seltsam gemütlich mit dem bunten Bild in seinem Bauch. Es war, als hätte er nun einen eigenen Traum an der Wand, der ihn bewachte.

Klara schloss die Augen. Sie träumte von fliegenden Fischen, verkehrten Bäumen und lächelnden Pfützen, von silbernem Mondlicht und goldenen Funken.

Und sie wusste: Auch wenn Tropfen normalerweise nur fallen – manchmal, ganz manchmal, können sie auch die schönsten Träume malen.

Schlaf schön.