Finn Fleck auf der Tapete und sein nächtliches Abenteuer

Finn Fleck auf der Tapete und sein nächtliches Abenteuer

Ein kleiner Tapetenfleck namens Finn erlebt nachts heimlich lustige Abenteuer im Kinderzimmer, wenn alle schlafen. Neugierig und tapfer!

Finn war kein gewöhnlicher Fleck.

Na ja, tagsüber schon. Da war er einfach nur Finn, der kleine, bräunliche Klecks auf der Blümchentapete im Kinderzimmer von Leo.

Er hing da, direkt neben dem großen Bären mit der blauen Latzhose, der auch nur aufgemalt war. Ziemlich langweilig, fand Finn.

Tagsüber passierte nämlich rein gar nichts.

Leo spielte mit seinen Autos, baute Türme aus Klötzen oder malte wilde Bilder. Aber Finn? Finn hing nur rum.

Doch wenn der Mond durchs Fenster blinzelte und Leos Atemzüge ganz ruhig wurden, dann, ja dann wurde Finn lebendig.

Es kribbelte erst ganz leicht an seinen Rändern, dann ein bisschen mehr, bis er das Gefühl hatte, er müsse sich einfach bewegen!

Schon seit Wochen fragte sich Finn, wie die Welt wohl jenseits seiner Tapetenblume aussah.

Er sah den Teppich tief unter sich, der aussah wie eine riesige, flauschige Wiese.

Er sah die Spielzeugkiste in der Ecke, aus der manchmal seltsame Geräusche kamen.

Und er sah das hohe Ding, auf dem Leo schlief – das Bett. Ein unerreichbarer Berg!

„Heute Nacht“, murmelte Finn zu sich selbst, seine Ränder kribbelten schon ganz aufgeregt, „heute Nacht wage ich es!“

Er konzentrierte sich, zog all seine Flecken-Kraft zusammen und begann, sich ganz vorsichtig von der Tapete zu lösen.

Schluuuurp! machte es leise, als sich sein unterer Rand löste.

Ein bisschen wie ein Pflaster, das man abzieht, nur viel, viel langsamer.

Finn hielt den Atem an. Hatte Leo etwas gehört?

Nein, nur ein leises Schnarchen vom Bettberg.

Puh.

Noch ein kleines Schluuurp!

Jetzt hing er nur noch an einer winzigen Ecke.

Er zappelte ein wenig, schwankte kurz hin und her und… Platsch!

Da lag er. Auf dem Boden.

Es war weicher als erwartet. Und es roch anders. Nach Staub und ein bisschen nach Leos Socken.

Finn rappelte sich auf. Die Welt sah von hier unten ganz anders aus!

Riesig!

Die Tischbeine waren wie Baumstämme, der Stuhl wie ein komisches, vierbeiniges Tier.

Er machte einen ersten, vorsichtigen Schritt. Naja, eher ein Rutschen.

Als Fleck hatte man keine Füße, man bewegte sich eher… klebrig.

Taps… Taps… Patsch.

Plötzlich rollte etwas Graues und Fluffiges auf ihn zu.

Es hatte keine Augen, aber es bewegte sich schnell.

„Huch!“ quiekte Finn und versteckte sich hinter einem roten Bauklotz.

Das graue Ding rollte vorbei. Es war eine Staubmaus!

Finn hatte schon von ihnen gehört. Sie wohnten unter dem Bett und waren angeblich sehr kitzelig.

Er beschloss, lieber Abstand zu halten.

Sein Blick fiel auf Leos Spielzeugauto, das neben dem Bett parkte. Es war knallrot und glänzte im Mondlicht.

„Ein roter Blitz!“ dachte Finn bewundernd.

Er rutschte näher heran. Die Reifen waren riesig, fast so hoch wie er selbst.

Mit einiger Anstrengung – Patsch! Patsch! – kletterte er auf den Fahrersitz.

Wow! Von hier oben hatte man eine tolle Aussicht!

Er stellte sich vor, wie er mit dem roten Blitz durchs Zimmer sauste, schneller als die Staubmäuse.

Aber wie startete man so ein Ding?

Er rutschte auf dem Lenkrad herum, aber nichts passierte.

Enttäuscht ließ er sich wieder auf den Boden gleiten.

Sein nächstes Ziel: Der Wäschehaufen neben dem Schrank.

Er sah aus wie ein bunter Berg. Vielleicht gab es dort oben eine noch bessere Aussicht?

Der Aufstieg war mühsam. Ein gestreiftes T-Shirt war rutschig, eine Jeanshose voller seltsamer Fäden.

Endlich erreichte er den Gipfel – eine einzelne, geringelte Socke.

Von hier oben konnte er fast das ganze Zimmer überblicken!

Er sah Leos friedliches Gesicht auf dem Kissen.

Er sah die Sterne, die draußen am Himmel funkelten.

Und er sah… oh je! Einen hellen Streifen am Horizont.

Die Sonne! Sie kam bald zurück!

Panik ergriff Finn.

Er musste zurück an seinen Platz! Schnell!

Er rutschte den Wäscheberg hinunter – Huiiii! – und landete wieder auf dem Teppich.

Jetzt aber zackig!

Patsch, patsch, patsch, so schnell er konnte, rutschte er zur Wand zurück.

Der Bär mit der Latzhose schien ihn vorwurfsvoll anzusehen.

„Keine Zeit!“ keuchte Finn.

Er erreichte die Tapete. Aber wie kam er wieder hoch?

Er versuchte zu springen, aber als Fleck konnte man nicht gut springen.

Er versuchte zu klettern, aber die Tapete war zu glatt.

Verzweiflung machte sich breit.

Doch dann sah er es: Ein kleiner Faden, der sich von der Tapetennaht gelöst hatte, hing fast bis zum Boden herab.

Seine Rettung!

Mit letzter Kraft zog er sich an dem Faden hoch, Zentimeter für Zentimeter.

Es war anstrengend, seine Ränder fühlten sich schon ganz trocken an.

Endlich erreichte er seinen Platz neben der aufgemalten Blume.

Schnell drückte er sich fest an die Tapete.

Ein letztes, leises… Schmiegs!

Er war wieder daheim.

Gerade rechtzeitig.

Die ersten Sonnenstrahlen fielen ins Zimmer, malten goldene Muster auf den Boden.

Leo gähnte im Bett und rieb sich die Augen.

Finn Fleck hing an seiner Wand, ganz still, als wäre nichts gewesen.

Aber er war nicht mehr derselbe Fleck.

Er hatte die Welt da draußen gesehen!

Er hatte Staubmäuse getroffen, ein Auto bestiegen und einen Berg bezwungen.

Und er wusste: Das war nicht sein letztes Abenteuer gewesen.

Aber jetzt war er müde.

Er schloss seine nicht vorhandenen Augen und döste im ersten Sonnenlicht ein.

Er träumte vom Rutschen, Klettern und von riesigen, flauschigen Teppichwiesen.

Und er freute sich schon auf die nächste Nacht.