
Eine kleine Wolke soll Schäfchen formen, doch die machen Unsinn! Eine lustige Gute-Nacht-Geschichte über Wolke Wuschel und Einschlaf-Fantasie.
Hoch oben am Nachthimmel, wo die Sterne blinzeln und der Mond sein sanftes Licht über die schlafende Welt gießt, wohnte eine kleine, ganz besondere Wolke.
Ihr Name war Wuschel.
Wuschel war keine gewöhnliche Regenwolke oder eine Schönwetterwolke. Nein, Wuschel hatte eine sehr wichtige Aufgabe: Wuschel war eine Schäfchenzähl-Wolke.
Jeden Abend, wenn die Kinder auf der Erde ins Bett mussten, war es Wuschels Job, kleine, flauschige Schäfchenwolken zu formen.
Ein Schäfchen nach dem anderen, ganz brav in einer Reihe, damit die Kinder sie zählen konnten, bis ihnen die Augen zufielen.
Heute Abend war Wuschel besonders aufgeregt. „So“, murmelte die kleine Wolke vor sich hin und pustete ihre Wangen auf. „Jetzt geht’s los! Das erste Schäfchen für heute.“
Wuschel konzentrierte sich, zog hier ein bisschen Wölkchen zusammen, zupfte dort ein wenig und – plopp! – da war es.
Ein perfektes kleines Schäfchen. Weiß, rundlich, mit vier winzigen Wölkchenbeinen und zwei Öhrchen.
„Wunderschön!“, freute sich Wuschel und klopfte sich stolz auf die imaginäre Schulter. „Nummer eins, bitte warten!“
Wuschel drehte sich um, um das zweite Schäfchen zu formen. Doch als Wuschel sich wieder zurückdrehte, war das erste Schäfchen… weg!
„Huch? Wo ist es denn hin?“, wunderte sich Wuschel und schaute sich um.
Da! Ein Stückchen weiter hüpfte das kleine Wölkchenschaf fröhlich einem glitzernden Mondstrahl hinterher, als wäre es ein Schmetterling.
„He! Zurückkommen!“, rief Wuschel. „Du sollst gezählt werden, nicht Fangen spielen!“
Aber das Schäfchen hörte nicht. Es machte einen lustigen Purzelbaum und verschwand hinter einem großen Stern.
Wuschel seufzte. „Na gut. Dann eben Nummer zwei.“
Wieder konzentrierte sich Wuschel. Pusten, zupfen, formen… Plopp!
Dieses Schäfchen sah… naja, ein bisschen eckiger aus. Eher wie ein Schaf, das zu lange in einer Kiste gesessen hatte.
„Nicht perfekt, aber es geht“, murmelte Wuschel. „Und du bleibst jetzt hier!“
Doch kaum hatte Wuschel das gesagt, entdeckte das eckige Schäfchen einen besonders hell funkelnden Stern.
„Ooooh!“, schien es zu staunen (obwohl Wolken ja keinen Mund haben, aber Wuschel konnte es trotzdem hören).
Und schwups! Das Schäfchen begann sich zu verändern. Es zog seine Ecken ein, streckte ein paar Zacken aus und versuchte, selbst wie ein Stern auszusehen.
Am Ende war es nur noch ein unförmiger Klecks mit Spitzen.
„Nein! Du bist ein Schaf! Ein Zähl-Schaf!“, rief Wuschel verzweifelt. Aber der Sternen-Schaf-Klecks tanzte nur glücklich im Himmelslicht.
Wuschel wurde langsam ärgerlich. „Das gibt’s doch nicht! Warum hören die denn nicht auf mich?“
Ein letzter Versuch. Tief durchatmen. Konzentration.
Pusten… zupfen… formen… Plopp!
Nummer drei. Dieses Schäfchen sah müde aus. Sehr müde. Es gähnte ein Wölkchen-Gähnen und rollte sich sofort zu einem kleinen, dichten Ball zusammen.
Es sah jetzt eher aus wie ein Wattebausch zum Abschminken, nicht wie ein Schaf zum Zählen.
„Aufwachen!“, stupste Wuschel es an. Aber das Wattebausch-Schaf rührte sich nicht. Es schlief tief und fest.
Wuschel ließ die Wolkenschultern hängen. „Das wird ja heute nichts mehr.“
Traurig schaute Wuschel hinunter auf die Erde. In einem kleinen Haus mit rotem Dach war noch Licht in einem Fenster.
Dahinter konnte Wuschel ein kleines Mädchen namens Klara sehen. Klara lag in ihrem Bett, wälzte sich hin und her und konnte einfach nicht einschlafen.
Sie zog die Decke hoch, sie legte das Kissen anders hin, sie starrte an die Decke. Aber der Schlaf wollte nicht kommen.
„Ohje“, dachte Wuschel. „Das ist meine Schuld. Klara wartet sicher auf die Schäfchen zum Zählen, und ich kriege es nicht hin.“
Ein Gefühl von Verantwortung kitzelte Wuschels flauschigen Bauch.
Wuschel musste Klara doch helfen! Aber wie, wenn die Schäfchen nicht mitmachten?
Da blitzte eine Idee in Wuschels wolkigem Köpfchen!
„Vielleicht… vielleicht braucht Klara ja gar keine Schäfchen?“, überlegte Wuschel. „Vielleicht braucht sie etwas Lustiges zum Anschauen?“
Ein schelmisches Grinsen breitete sich auf Wuschels Wolkengesicht aus.
„Okay, Planänderung!“
Wuschel pustete wieder die Wangen auf, aber diesmal nicht für ein Schaf.
Pusten, zupfen, formen… Plopp!
Am Himmel erschien… ein wackeliger Pudding mit einem Kirsch-Stern obendrauf!
Klara, die gerade wieder zum Fenster schaute, blinzelte. Sah sie das richtig? Ein Pudding am Himmel?
Sie musste kichern.
Wuschel freute sich über das Kichern und machte gleich weiter.
Plopp! Eine lange, kitzlige Schlange, die versuchte, ihren eigenen Schwanz zu fangen.
Plopp! Ein kleines Auto mit quadratischen Rädern, das lustig über den Himmel holperte.
Plopp! Ein winziger, freundlicher Drache, der Seifenblasen aus Sternenstaub pustete.
Klara drückte ihre Nase an die Fensterscheibe. Ihre Augen wurden groß. Sie hatte ganz vergessen, dass sie nicht schlafen konnte.
Sie lachte leise, als Wuschel eine Katze formte, die einem fliegenden Wollknäuel hinterherjagte.
Sie staunte, als eine riesige, wabbelige Eiswaffel mit drei Kugeln am Himmel schwebte.
Sie kicherte, als ein Elefant erschien, der versuchte, auf einem Bein zu balancieren.
Wuschel war ganz in Fahrt. Ein tanzender Besen! Ein singender Fisch! Ein Fahrrad mit nur einem Pedal!
Klara schaute und schaute. Die lustigen Wolkenbilder tanzten vor ihren Augen. Sie waren viel spannender als langweilige Schäfchen.
Langsam wurden ihre Augenlider schwer.
Das Kichern wurde zu einem leisen Schmunzeln.
Das Staunen wurde zu einem sanften Gähnen.
Wuschel sah, wie Klara sich gemütlich in ihr Kissen kuschelte und ihre Augen zufielen.
Ein warmes, flauschiges Gefühl erfüllte die kleine Wolke. Es hatte geklappt! Auch ohne Schäfchen.
„Siehst du?“, flüsterte Wuschel den widerspenstigen Schäfchen zu, die immer noch irgendwo am Himmel herumtollten. „Manchmal ist Unsinn viel besser zum Einschlafen!“
Zum Abschied formte Wuschel noch eine letzte Wolke für Klara.
Eine ganz weiche, riesengroße Federbett-Wolke, die aussah, als könnte man sich wunderbar hineinkuscheln.
Dann schwebte Wuschel langsam und zufrieden davon, müde von der ganzen Formerei.
Vielleicht waren Schäfchen ja doch nicht jedermanns Sache.
Manchmal braucht man zum Einschlafen einfach einen wackeligen Pudding, einen quadraträdrigen Autowolken-Traum oder einen kleinen, seifenblasenpustenden Drachen am Nachthimmel.
Und wer weiß? Vielleicht schaust du heute Nacht auch mal zum Fenster hinaus.
Vielleicht siehst du ja Wuschel, wie die kleine Wolke wieder lustige Figuren für dich an den Himmel zaubert.
Gute Nacht und träum was Wuscheliges!