Als die Pantoffeln eine Polonaise zum Bett machten

Als die Pantoffeln eine Polonaise zum Bett machten

Leo will nicht ins Bett, bis seine Pantoffeln eine lustige Polonaise mit seinem Spielzeug starten, um ihn tanzend ins Schlummerland zu bringen.

Leo saß auf dem flauschigen Teppich in seinem Kinderzimmer.

Überall um ihn herum lagen bunte Bausteine verstreut wie Konfetti nach einer wilden Party.

Er baute gerade den allertollsten, höchsten und wackeligsten Turm der ganzen weiten Welt, zumindest fühlte es sich für ihn genau so an.

„Leo! Langsam wird es Zeit fürs Bett!“, rief Papas Stimme aus dem Flur.

Leo kniff die Augen zusammen und tat so, als wären seine Ohren plötzlich mit Watte gefüllt.

Der Turm war noch nicht fertig! Er brauchte unbedingt noch eine knallrote Spitze, sonst war er ja nur ein halber Turm.

„Leo! Hörst du? Zähne putzen, Schlafanzug anziehen, ab ins Bett!“

Leo seufzte tief. Ein Seufzer, so tief, dass die Bausteine ein bisschen wackelten. Immer dieses Bett. Es war doch noch viel zu früh und überhaupt nicht müde.

Die Sonne war zwar schon lange hinter den Häusern verschwunden, aber die Straßenlaterne vor seinem Fenster malte faszinierende Schattenmonster an die Wand. Viel zu aufregend zum Schlafen!

Er griff gerade nach dem entscheidenden roten Baustein, als ihm etwas am Rande seines Blickfeldes auffiel.

Seine Pantoffeln.

Sie standen etwas verloren neben dem kleinen blauen Stuhl, genau dort, wo er sie vorhin achtlos von den Füßen gestreift hatte.

Der eine Pantoffel, Flitzi, war leuchtend blau und hatte einen coolen gelben Blitz aufgenäht. Flitzi sah immer ein bisschen übermütig aus.

Der andere, Schlappi, war ebenfalls blau, aber sein Blitz hing nur noch an einem Faden und er wirkte generell eher gemütlich und, nun ja, schlapp.

Plötzlich – Leo traute seinen Augen kaum – wackelte Flitzi.

Nur ein ganz kleines bisschen, wie ein Blatt im Wind.

Leo blinzelte. Hatte er sich das eingebildet? Vielleicht waren seine Augen schon müde?

Doch dann wackelte auch Schlappi. Deutlich langsamer, eher wie ein Gummibärchen in der Sonne.

Leo ließ den roten Baustein mit einem leisen Klack auf den Teppich fallen. „Was ist denn…?“, murmelte er.

Flitzi machte einen winzigen, aber entschlossenen Hopser nach vorne.

„Pst, Schlappi!“, flüsterte er. Seine Stimme klang wie raschelndes Butterbrotpapier. „Alarmstufe Rot! Leo muss ins Bett!

Schlappi gähnte herzhaft, ein Geräusch wie eine alte, rostige Türangel. „Och nööö, Flitzi. Hier ist es doch so schön weich. Lass uns noch fünf Minuten…“

„Nix da, fünf Minuten!“, zischte Flitzi energisch. „Operation Bettruhe läuft! Und zwar mit Musik! Polonaise!“

Und ohne Vorwarnung fing Flitzi an zu singen, eine quäkende, aber irgendwie fröhliche Melodie:

„Hier kommt die Pantoffel-Bahn,
zicke-zacke, vorne an!
Wer nicht mitmacht, der verpennt was,
kommt mit uns ins Schlummerland, nanas!“

Er tippelte auf der Stelle, wackelte mit dem Blitz und machte kleine Hüpfer.

Schlappi seufzte erneut, diesmal wie ein Luftballon, dem die Luft ausgeht. Aber er rappelte sich auf und schlurfte pflichtbewusst hinter Flitzi her.

„Na schön, na schön“, brummte er. „Aber bitte nicht hetzen. Meine Sohle ist nicht mehr die jüngste.“

Und so begannen die beiden Pantoffeln, eine kleine, etwas unrunde Polonaise durch Leos Zimmer zu tanzen.

Ein Hopser von Flitzi, ein Schlurfer von Schlappi.

Leo saß mit offenem Mund da und starrte sie an. Seine Pantoffeln? Tanzen? Das war ja verrückter als lila Kühe auf dem Schuldach!

Flitzi, der Anführer der seltsamen Parade, steuerte zielsicher auf den großen Teddybären zu, der gemütlich an die Wand gelehnt döste.

„He, Brummi! Aufstehen, mittanzen!“, rief Flitzi mit seiner Knisterpapier-Stimme.

Der Teddybär, ein erfahrener Kuschelfreund mit einem liebevoll angenähten Ohr, blinzelte überrascht mit seinen schwarzen Knopfaugen.

Er schüttelte kurz seinen Plüschpelz und tapste dann etwas ungelenk hinter Schlappi her.

„Na, wenn’s unbedingt sein muss“, brummte der Teddy mit einer tiefen, wohligen Stimme, die klang, als käme sie direkt aus seinem weichen Bauch. „Aber wehe, es gibt keine Kekse danach!“

Die Polonaise wurde länger: Flitzi, der flotte Tänzer. Schlappi, der gemütliche Schlurfer. Brummi, der brummige Teddy.

Sie zogen weiter, vorbei an Leos fast fertigem Bausteinturm, der nun doch nicht mehr ganz so wichtig erschien.

Flitzi stupste ein kleines rotes Spielzeugauto an, das neben dem Turm parkte.

„Rudi Raser! Reifen warm laufen lassen! Polonaise-Alarm!“

Das Auto machte ein leises „Brrrrm“, fast wie ein zufriedenes Schnurren, und seine kleinen schwarzen Räder fingen an zu rollen.

Es reihte sich ganz brav hinter Brummi ein, immer schön in der Spur.

„Hier kommt die Pantoffel-Bahn…“, sang Flitzi wieder, diesmal schon etwas lauter und selbstbewusster.

Leo konnte nicht anders, er musste kichern. Das war einfach zu komisch! Seine Spielsachen machten eine Polonaise, angeführt von seinen Pantoffeln!

Die ungewöhnliche Prozession zog weiter durchs Zimmer.

Ein dickes Bilderbuch, das aufgeschlagen neben dem Bett lag, klappte plötzlich rhythmisch auf und zu, als würde es mit den Seiten im Takt winken. Es schob sich langsam hinter das rote Auto.

„Bert Buch meldet sich zum Vorlese… äh… Polonaise-Dienst!“, raschelte es aufgeregt.

Und dann kamen noch zwei geringelte Socken dazu, die einsam unter dem Stuhl gelegen hatten. Sie kringelten und schlängelten sich wie zwei lustige Raupen und wackelten hinter dem Buch her.

„Wir sind Socke Links und Socke Rechts!“, zischten sie im Duett. „Immer im Gleichschritt, äh, Gewackel!“

Die Polonaise schlängelte sich nun in einer langen, bunten Linie quer durchs Zimmer: Flitzi hüpfte vorneweg, gefolgt vom schlurfenden Schlappi, dem tapsigen Brummi, dem rollenden Rudi Raser, dem klappernden Bert Buch und den wackelnden Socken Links und Rechts.

Sie machten einen eleganten Bogen um den Schreibtisch, wackelten frech am großen Kleiderschrank vorbei und kamen Leos Bett unaufhaltsam immer näher.

Leo war inzwischen aufgestanden. Er stand barfuß auf dem Teppich und folgte der tanzenden Truppe mit großen, staunenden Augen.

Er war viel zu neugierig, um einfach sitzen zu bleiben. Das musste er sich aus der Nähe ansehen!

„Hier kommt die Pantoffel-Bahn,
zicke-zacke, vorne an!
Alle machen mit, ganz klar,
denn das Bett ist wunderbar!“

Flitzi sang jetzt aus voller Kehle, oder was auch immer Pantoffeln zum Singen benutzen, und hüpfte besonders energisch. Sogar Schlappi schien ein bisschen mehr Schwung in der Sohle zu haben und wackelte fast im Takt.

Sie erreichten das Bett.

Flitzi machte einen besonders eleganten Hopser auf den kleinen, weichen Teppich direkt vor dem Bett.

Schlappi folgte ihm mit einem leisen Ächzen. „Geschafft.“

Dann halfen sie irgendwie Brummi dem Teddy, der mit einem lauten, weichen Plumps direkt aufs Kopfkissen fiel. „Na also“, brummte er zufrieden.

Rudi Raser rollte mit einem letzten „Brrm“ geschickt unter das Bett. „Parkposition eingenommen! Gute Nacht!“

Bert Buch klappte sich mit einem zufriedenen Rascheln zu und legte sich ordentlich auf den Nachttisch. „Kapitel für heute geschlossen. Träum was Schönes!“

Socke Links und Socke Rechts kringelten sich noch einmal umeinander und rollten dann gemeinsam in die offene Wäschekiste. „Bis morgen früh zur Fuß-Parade!“

Nun standen nur noch Flitzi und Schlappi vor dem Bett.

Sie drehten sich langsam zu Leo um.

Ihre aufgenähten Augen, der eine mit Blitz, der andere ohne, schienen ihn erwartungsvoll anzusehen.

Leo musste laut lachen. „Na gut, ihr habt gewonnen. Das war die beste Polonaise, die ich je gesehen habe!

Er krabbelte unter die warme Bettdecke. Sie fühlte sich plötzlich unglaublich gemütlich und einladend an.

Flitzi machte einen letzten, zufriedenen Hopser und stellte sich ganz ordentlich neben Schlappi auf den Teppich. Direkt nebeneinander, wie es sich für ein Paar Pantoffeln gehört.

Sie wackelten noch einmal kurz, als würden sie ihm zuzwinkern.

Dann wurden sie ganz still.

Sie sahen wieder aus wie ganz normale, müde Pantoffeln am Ende eines langen Tages.

Leo lag im Bett und schaute sie an. Sein Herz klopfte noch ein bisschen von der Aufregung. War das wirklich passiert?

Hatten seine Pantoffeln gerade eine Polonaise mit seinem Teddy, seinem Lieblingsauto, einem Buch und seinen verlorenen Socken durch sein Zimmer angeführt?

Es war so unglaublich lustig und seltsam und wunderbar gewesen.

Er kuschelte sich tiefer in sein Kissen und zog die Decke bis unters Kinn.

Vielleicht war Schlafengehen ja doch gar nicht so übel.

Besonders, wenn man so außergewöhnliche und tanzwütige Pantoffeln hatte.

Er schloss die Augen.

Das leise „Zicke-zacke, vorne an!“ der Pantoffel-Bahn summte noch ein ganz klein wenig in seinen Ohren, wie ein lustiges Geheimnis.

Und mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht schlief Leo ein, bereit für die Träume, die in dieser Nacht vielleicht genauso verrückt und fröhlich sein würden wie tanzende Pantoffeln.

Draußen warf die Straßenlaterne immer noch ihre langen Schatten an die Wand, aber jetzt sahen sie nicht mehr wie Monster aus, sondern eher wie tanzende Figuren aus seiner Polonaise.

Gute Nacht, Leo. Gute Nacht, tanzende Pantoffeln. Gute Nacht, Brummi, Rudi, Bert und die Socken.