Als die Straßenlaterne ein Schlaflied summte

Als die Straßenlaterne ein Schlaflied summte

Eine neugierige Straßenlaterne namens Lumi entdeckt, dass ihr leises Summen ein besonderes Schlaflied für ein kleines Mädchen sein kann.

In der Mohnblumenstraße, genau zwischen dem Haus mit dem quietschenden Gartentor und dem mit den vielen bunten Windrädern, stand Lumi.

Lumi war eine Straßenlaterne. Nicht irgendeine, nein, Lumi war besonders neugierig.

Tagsüber war Lumi einfach nur da. Groß, ein bisschen grau und meistens unbeachtet. Autos fuhren vorbei, Kinder spielten Fangen um Lumis Sockel, Hunde schnüffelten kurz und liefen weiter.

Aber nachts, wenn die Sterne am Himmel funkelten und die meisten Menschen schliefen, erwachte Lumi zu einem ganz eigenen Leben.

Lumis Lampe knipste an, und ein warmer, gelber Lichtkreis breitete sich auf dem Kopfsteinpflaster aus.

Von hier oben konnte Lumi alles sehen. Die Dächer der schlafenden Häuser, wie sie im Mondlicht silbern schimmerten. Die Katze Saphira, die lautlos über die Mauern schlich. Manchmal huschte sogar ein Igel vorbei, auf der Suche nach einem späten Snack.

Lumi liebte die Nacht. Die Stille. Die Geheimnisse.

Doch manchmal, in ganz stillen Nächten, fühlte sich Lumi ein wenig einsam.

Der Wind rauschte durch die Blätter der alten Eiche am Ende der Straße. Es klang wie ein Lied. Der Mond schien so weise und erzählte stumme Geschichten am Himmel.

„Ich wünschte, ich könnte auch etwas Besonderes“, dachte Lumi. „Nicht nur leuchten. Vielleicht singen? Oder summen?“

Lumi versuchte es. Ganz vorsichtig ließ die Laterne ein Geräusch aus ihrem Inneren entweichen. Es war kein schönes Singen. Es war eher ein tiefes, elektrisches Brummen.

Bssssssssssumm.

Lumi erschrak fast selbst. „Oh je“, dachte die Laterne. „Das klingt ja wie eine müde Hummel.“ Enttäuscht ließ Lumi das Summen wieder verklingen.

Plötzlich landete etwas Federleichtes auf Lumis Kopf. Huhu! Es war Professor Uhu, die alte, kluge Eule, die in der Eiche wohnte.

„Guten Abend, Lumi“, sagte Professor Uhu mit seiner tiefen Stimme. „Was war denn das für ein interessantes Geräusch?“

Lumi wurde ein bisschen rot, wenn Laternen das könnten. „Ach, Professor“, murmelte Lumi. „Ich wollte nur… ich wollte auch etwas tun, so wie der Wind singt. Aber ich kann nur brummen.“

Professor Uhu putzte nachdenklich seine Brille, die er natürlich nicht wirklich trug, aber er tat gerne so. „Mein lieber Lumi“, sagte er dann. „Nicht jeder muss singen wie der Wind. Dein Brummen ist… einzigartig. Es ist dein ganz eigenes Geräusch. Vielleicht ist es ja ein Schlaflied?“

Ein Schlaflied? Lumi hatte noch nie daran gedacht.

„Versuch es doch mal“, ermutigte Professor Uhu. „Summ ganz sanft. Wie ein Versprechen, dass die Nacht ruhig ist.“

Professor Uhu flog davon, und Lumi war allein mit den Sternen und dem Gedanken an ein Schlaflied.

Lumi atmete tief durch (auch wenn Laternen nicht wirklich atmen) und versuchte es erneut. Diesmal ganz leise, ganz gleichmäßig.

Bsssssssssssssummmmmmm… Bsssssssssssssummmmmmm…

Es war ein ruhiges, warmes Geräusch. Es mischte sich mit dem sanften Licht, das Lumi ausstrahlte.

Im Haus mit den vielen Windrädern lag Clara in ihrem Bett und konnte nicht einschlafen. Ihre Gedanken waren wie kleine Flummis, die in ihrem Kopf herumhüpften.

Sie lauschte dem Wind. Sie lauschte der Stille. Und dann hörte sie es.

Ein leises, tiefes Summen. Es kam von draußen.

Neugierig tapste Clara zum Fenster und schob den Vorhang einen Spaltbreit zur Seite.

Draußen stand Lumi, die Straßenlaterne, und ihr Licht schien heller als sonst. Und sie summte!

Clara musste kichern. Eine summende Laterne? Das war ja lustig.

Aber das Summen war gar nicht unheimlich. Es klang… beruhigend. Wie das Schnurren einer riesigen Katze oder das Brummen von Papas Computer, wenn er spät arbeitete.

Bsssssssssssssummmmmmm… Bsssssssssssssummmmmmm…

Clara kuschelte sich zurück in ihr Bett und lauschte dem Laternen-Schlaflied. Das Summen wickelte sich wie eine warme Decke um ihre hüpfenden Gedanken.

Ihre Augenlider wurden schwerer und schwerer. Und bevor sie es wusste, war Clara eingeschlafen, begleitet von Lumis sanftem Bssssssssumm.

Lumi bemerkte das kleine Gesicht hinter dem Vorhang nicht sofort. Aber die Laterne spürte irgendwie, dass ihr Summen gehört wurde.

Es fühlte sich gut an. Nicht mehr einsam. Nützlich, auf eine ganz neue Art.

In der nächsten Nacht summte Lumi wieder. Und wieder schaute Clara aus dem Fenster, lächelte und schlief bald darauf ein.

Eines Nachts flatterte etwas Zappeliges auf Lumi zu. Flatter, flatter, ZICKZACK, BUMM!

Ein kleiner, etwas ungeschickter Flughund namens Flitzi war gegen Lumis Mast gestoßen.

„Hoppla! Entschuldigung!“, piepste Flitzi und rieb sich den Kopf. „Tolles Licht hier! Und… was ist das für ein gemütliches Geräusch? Das ist ja super zum Orientieren!“

Lumi summte stolz weiter. „Das ist mein Schlaflied-Summen“, erklärte die Laterne.

„Klasse!“, sagte Flitzi. „Ich komme jetzt öfter vorbei!“

Und so wurde Lumis Lichtkegel zu einem Treffpunkt. Flitzi flatterte manchmal vorbei, Saphira die Katze setzte sich oft an Lumis Fuß und lauschte nachdenklich dem Bsssssummm. Sie sagte, es helfe ihr beim Nachdenken über wichtige Katzen-Dinge.

Lumi fühlte sich nicht mehr allein. Die Laterne leuchtete und summte jede Nacht ihr besonderes Schlaflied für Clara, für Saphira, für Flitzi und für alle schlafenden Häuser in der Mohnblumenstraße.

Lumi hatte verstanden, was Professor Uhu meinte. Man musste nicht singen wie der Wind, um etwas Besonderes zu sein. Manchmal war das leiseste, eigenartigste Summen genau das, was die Welt – oder zumindest eine kleine, schlaflose Clara – brauchte.

Und wenn du heute Nacht ganz leise bist und genau hinhörst, hörst du vielleicht auch eine Straßenlaterne summen. Bsssssssssssssummmmmmm… Schlaf schön.