Barnabas und der knurrende Bauch voller Träume

Barnabas und der knurrende Bauch voller Träume

Der kleine Dachs Barnabas sucht im Nachtwald nach einem Lied für seinen knurrenden Bauch und entdeckt die beruhigende Melodie der Stille.

Barnabas, the little badger, snuggles into his soft leaf bed and discovers that the song of hungry dreams is not a song at all, but the silence and sounds of the forest.

Barnabas, der kleine Dachs, kuschelte sich tiefer in sein weiches Laubbett.

Mondlicht fiel durch den Eingang seiner Höhle und malte silbrige Muster auf den Boden.

Er war müde. Seine Augen fielen fast von alleine zu.

Aber gerade als er ins Land der Schlummer schlummern wollte, passierte es:

GRUMMMEL-KNURRRR!

Barnabas schreckte hoch. „Oh nein, nicht schon wieder!“

Sein Bauch, den er heimlich „Grummelbauch“ nannte, hatte gesprochen. Und er sprach laut.

„Was ist denn los, Grummelbauch?“, flüsterte Barnabas und tätschelte vorsichtig seinen Bauch. „Du hast doch Abendbrot gegessen. Leckere Regenwürmer und saftige Wurzeln.“

GRUMMMEL-WURZEL-KNURRRR!

Barnabas seufzte. Das klang nicht nach normalem Hunger. Das klang… anders. Fast ein bisschen sehnsüchtig.

„Vielleicht“, überlegte Barnabas, dessen Gedanken oft seltsame Wege gingen, „vielleicht hast du keinen Hunger auf Essen? Vielleicht hast du Hunger auf… Träume?“

Der Gedanke kitzelte ihn. Ein Bauch, der Träume essen wollte! Das war ja verrückt! Aber sein Grummelbauch antwortete mit einem hoffnungsvollen:

GLUCKS-GRUMMMEL!

„Na gut“, entschied Barnabas mutig. „Wenn du Träume brauchst, dann müssen wir welche finden! Oder vielleicht… vielleicht gibt es ja ein Lied, das hungrige Träume satt macht?“

Diese Idee gefiel ihm noch besser. Ein Lied! Das klang nach Abenteuer.

Leise, auf weichen Pfoten, schlich Barnabas aus seiner gemütlichen Höhle hinaus in den nächtlichen Wald.

Der Wald war ganz anders bei Nacht. Die Bäume warfen lange, tanzende Schatten, und die Luft roch nach feuchter Erde und Moos.

Ein leises „Huu-huuu?“ ließ ihn zusammenzucken.

Oben auf einem Ast saß Hedwig, die Eule, ihre großen Augen leuchteten wie Bernstein im Mondlicht.

„Na, Barnabas?“, fragte Hedwig mit ihrer sanften, aber klugen Stimme. „Wohin des Weges so spät in der Nacht? Suchst du etwa verlorene Sterne?“

Barnabas schaute zu ihr auf. „Nein, liebe Hedwig. Ich suche das Lied der hungrigen Träume. Mein Grummelbauch braucht es dringend.“

Hedwig blinzelte nachdenklich. „Das Lied der hungrigen Träume? Hmmm. Ein kniffliges Lied. Es versteckt sich gern.

Ich gebe dir ein Rätsel: Es hat keine Stimme, doch jeder kann es hören. Es hat keine Noten, doch es bringt Ruhe daher. Was ist es?“

Barnabas kratzte sich am Kopf. „Keine Stimme… keine Noten… Ruhe? Puh, das ist schwer.“

„Denk darüber nach, kleiner Dachs“, sagte Hedwig und breitete leise ihre Flügel aus. „Manchmal findet man die Antwort, wenn man ganz genau hinhört.“ Mit einem lautlosen Flügelschlag verschwand sie zwischen den Blättern.

Barnabas trottete weiter, das Rätsel im Kopf. Keine Stimme, aber man hört es? Seltsam.

Plötzlich zischte etwas ärgerlich vom Wegesrand.

„Pass doch auf, wo du hintrittst! Meine Güte, immer diese trampeligen Nachtwanderer!“

Ein winziges grünes Lichtlein pulsierte im Moos. Es war Gustav, das Glühwürmchen, und er schien wie immer schlechte Laune zu haben.

„Entschuldige, Gustav“, sagte Barnabas. „Ich war in Gedanken. Ich suche etwas.“

„Na, was denn Wichtiges?“, grummelte Gustav. „Bestimmt wieder irgendwelchen Unsinn. Die Jugend von heute… sucht Lieder statt Würmer.“

Barnabas staunte. „Woher weißt du, dass ich ein Lied suche?“

Gustavs Licht flackerte genervt. „Hat die Eule wieder ihre Rätsel aufgegeben? ‚Das Lied der hungrigen Träume‘, was? So ein Quatsch! Als ob Träume singen könnten! Hör lieber auf das Rascheln im Laub oder das Säuseln des Windes. Das ist Musik genug für die Nacht! Und jetzt lass mich in Ruhe leuchten!“

Gustav drehte ihm beleidigt sein Hinterteil zu, das nun besonders hell leuchtete.

Barnabas aber horchte auf. Rascheln im Laub? Säuseln des Windes? Das war doch… keine Stimme, aber man konnte es hören!

„Danke, Gustav!“, rief er, aber das Glühwürmchen tat so, als hörte es nichts.

Er ging weiter, tiefer in den Wald hinein. Er lauschte.

Da war das leise Knacken eines Zweiges.

Das ferne Rauschen des Baches.

Das Flüstern der Blätter hoch über ihm.

Plötzlich raschelte es ganz nah im Gebüsch. Barnabas blieb wie angewurzelt stehen.

Ein spitzes Gesicht mit einer schwarzen Nase lugte hervor, gefolgt von einem buschigen roten Schwanz. Es war Frederik, der Fuchs.

Frederik schnüffelte aufgeregt am Boden. „Hast du sie gesehen? Hast du sie gesehen?“

„Wen denn?“, fragte Barnabas vorsichtig.

„Meine Socken!“, rief Frederik verzweifelt. „Meine Lieblingssocken! Eine rot geringelte und eine mit blauen Punkten. Ich habe geträumt, ich hätte sie beim Versteckspielen im Moos verloren!“

Barnabas musste kichern. Ein Fuchs, der von verlorenen Socken träumt!

„Träume sind manchmal komisch“, sagte Barnabas. „Mein Bauch träumt heute Nacht vom Hungrigsein.“

Frederik hörte auf zu schnüffeln und sah Barnabas an. „Ein hungriger Bauch? Kenn ich. Meiner knurrt manchmal so laut, dass die Mäuse denken, es donnert. Aber weißt du, was hilft?“

„Was denn?“, fragte Barnabas neugierig.

„Ganz still sein“, flüsterte Frederik. „Ganz still sein und lauschen. Dem Wind. Den Blättern. Dem eigenen Atem. Manchmal… manchmal ist das das beste Schlaflied der Welt. Besser als jedes Lied über Socken.“ Er zwinkerte und verschwand wieder im Gebüsch, seine Nase immer noch am Boden.

Barnabas blieb allein auf der kleinen Lichtung stehen.

Er schloss die Augen.

Er lauschte.

Da war das leise Säuseln des Windes in den Baumkronen.

Das ferne Rauschen des Baches.

Das Zirpen einer Grille.

Das Rascheln der Blätter unter den Pfoten eines nachtaktiven Tieres.

Das Pochen seines eigenen kleinen Dachsherzens.

Und er lauschte auf seinen Bauch.

Der Grummelbauch war immer noch da, aber er knurrte nicht mehr wütend oder sehnsüchtig.

Er machte jetzt ein ganz leises, zufriedenes Geräusch. Ein bisschen wie das Schnurren einer Katze, nur eben… grummeliger.

BRUMMEL-SUMM-SCHLUMMER.

Barnabas lächelte. Hedwigs Rätsel. Gustavs Gemecker. Frederiks Socken-Traum. Sie alle hatten recht gehabt.

Das Lied der hungrigen Träume war kein richtiges Lied zum Mitsingen.

Es war die Stille.

Es war das Zuhören.

Es war das Gefühl, sicher und geborgen zu sein, während der Wald um ihn herum schlief und seine eigenen leisen Lieder sang.

Langsam trottete Barnabas zurück zu seiner Höhle.

Er kuschelte sich wieder in sein Laubbett.

Er lauschte noch einmal auf die Geräusche des Waldes und auf das sanfte Brummeln seines Bauches.

BRUMMEL-SCHLUMMER-FEIN.

„Gute Nacht, Grummelbauch“, flüsterte Barnabas.

Und diesmal fielen seine Augen wirklich zu.

Er schlief ein, satt und zufrieden, und träumte von Eulen, die Rätselreime sangen, Glühwürmchen, die im Takt blinkten, und Füchsen, die mit bunten Socken jonglierten.