Barnaby Bär und die große Nachtwanderung

Barnaby Bär und die große Nachtwanderung

Ein mutiges Gummibärchen fällt nachts aus der Tüte und erlebt auf der Suche nach seiner Familie ein riesiges Abenteuer im dunklen Schlafzimmer.

Tief in einer knisternden Tüte, auf einem Nachttisch neben einem schlummernden Kind, lebte Barnaby.

Barnaby war kein gewöhnlicher Bär. Oh nein.

Er war ein Gummibär, leuchtend rot und voller Abenteuerlust.

Er kuschelte sich gerade gemütlich zwischen seine Brüder und Schwestern – gelbe, grüne, orangefarbene und noch mehr rote Gummibären – als die Welt plötzlich wackelte.

Ein kleines Rumpeln nur, vielleicht hatte sich das Kind im Schlaf gedreht.

Aber dieses Rumpeln reichte aus.

Die Tüte kippte ein winziges bisschen zur Seite.

Und Barnaby, der immer gerne am Rand saß, um besser sehen zu können, purzelte hinaus!

„Huch!“ machte es noch in seinem Gummibärenkopf, dann fiel er.

Der Fall dauerte nicht lange, aber für Barnaby fühlte es sich an wie eine Ewigkeit.

Er landete weich. Plumps.

Er blinzelte. Wo war er?

Über ihm ragte der Nachttisch auf wie ein riesiger, dunkler Berg.

Die Beine des Bettes sahen aus wie die Stämme uralter Bäume.

Und der Boden… der Boden war ein dichter, flauschiger Wald aus Teppichfasern.

„Hallo?“, piepste Barnaby. „Ist da jemand?“

Keine Antwort. Nur das leise Atmen des schlafenden Kindes und das ferne Ticken einer Uhr.

Seine Familie! Sie waren noch oben in der Tüte!

Er musste zurück!

Mutig machte sich Barnaby auf den Weg durch den Teppich-Dschungel.

Die Fasern kitzelten an seinen Gummifüßen.

Plötzlich raschelte es vor ihm.

Etwas Großes, Graues und Wolliges bewegte sich langsam auf ihn zu.

Ein Monster? Ein Teppich-Ungeheuer?

Barnaby erstarrte. Sein kleines Gummibärenherz klopfte bis zum Hals.

Das wollige Ding kam näher und näher.

Es hatte keine Augen, keinen Mund, nur… Staub?

Barnaby atmete erleichtert auf. Es war nur ein Staubknäuel! Ein riesiges zwar, aus seiner Sicht so groß wie ein Schaf, aber harmlos.

„Entschuldige bitte“, murmelte Barnaby und schob sich vorsichtig daran vorbei. Das Staub-Schaf zitterte nur ein wenig.

Er musste einen besseren Überblick bekommen.

In der Ferne sah er einen bunten Hügel. Bauklötze!

„Perfekt!“, dachte Barnaby. „Von dort oben kann ich sicher den Nachttisch-Berg sehen!“

Der Aufstieg war mühsamer als gedacht.

Die Klötze waren glatt und einige lagen wackelig aufeinander.

Einmal rutschte er fast ab, konnte sich aber gerade noch an einer Kante festhalten.

„Puh!“, schnaufte er, als er endlich den Gipfel erreichte – einen blauen Legostein.

Und tatsächlich! Von hier oben konnte er den Nachttisch sehen!

Und… oh Schreck!

Direkt davor, zusammengerollt wie ein riesiger, pelziger Felsbrocken, lag die Katze!

Minka, die Samtpfote.

Für Barnaby war sie gerade eine schlafende Bestie von unvorstellbarer Größe.

Ihr Schwanz zuckte leise im Schlaf. Ein gefährliches Pendel.

Barnaby schluckte. Da musste er vorbei.

Er kletterte vorsichtig den Bauklotz-Hügel wieder hinunter.

Dann schlich er auf Zehenspitzen über den Teppichboden.

Immer die Katze im Blick.

Ihr leises Schnurren klang in seinen Ohren wie das Grollen eines Vulkans.

Er war fast vorbei, als Minka tief durchatmete und sich wohlig streckte.

Ihre riesige Pfote landete nur wenige Zentimeter neben Barnaby!

Er hielt die Luft an und rührte sich nicht, bis sich die Pfote wieder zurückzog.

Geschafft! Er war an der Bestie vorbei!

Doch das nächste Hindernis wartete schon.

Eine kleine Pfütze verschütteten Wassers glitzerte im Mondlicht, das durchs Fenster fiel.

Für Barnaby war es ein reißender Fluss.

Wie sollte er da nur hinüberkommen?

Sein Blick fiel auf einen Bleistift, der achtlos auf dem Boden lag.

Er war lang genug! Eine Brücke!

Barnaby schob und zerrte mit all seiner Gummibärenkraft, bis der Bleistift über der Pfütze lag.

Vorsichtig balancierte er hinüber. Das Holz war rund und rollte leicht.

„Nicht hinunterfallen!“, ermahnte er sich selbst.

Sicher erreichte er das andere Ufer.

Endlich stand er am Fuße des Nachttisch-Berges.

Er legte den Kopf in den Nacken. Der Weg nach oben schien unendlich weit.

Wie sollte er da nur hochkommen?

Er spähte nach oben zur rettenden Tüte.

Konnte er da nicht ein leises Rascheln hören? Ein vertrautes Knistern?

Seine Familie! Sie waren so nah!

Da entdeckte er es!

Eine Socke! Eine einzelne, geringelte Socke hing vom Rand des Nachttisches herab wie ein Seil, das ein freundlicher Riese für ihn dagelassen hatte.

Das war seine Chance!

Barnaby nahm all seinen Mut zusammen und begann zu klettern.

Der Stoff war weich und gab gut Halt.

Stück für Stück zog er sich höher und höher.

Seine kleinen Arme wurden langsam müde, aber der Gedanke an seine Familie gab ihm Kraft.

Endlich erreichte er den Rand des Nachttisches.

Er zog sich mit letzter Kraft hoch und stand auf der glatten Oberfläche.

Da war sie! Die Tüte!

Er konnte seine Geschwister durch das durchsichtige Material sehen!

Er rannte zur Öffnung und spähte hinein.

„Barnaby!“, riefen Dutzende kleiner Gummibärenstimmen durcheinander.

Ein gelber Bär half ihm hineinzuklettern.

Er war wieder zu Hause!

Alle drängten sich um ihn.

„Wo warst du?“

„Wir hatten solche Angst!“

„Was ist passiert?“

Barnaby, erschöpft aber glücklich, kuschelte sich tief in die Menge seiner Familie.

„Oh, Freunde“, flüsterte er, „ihr glaubt nicht, was ich erlebt habe! Ich war im Teppich-Dschungel, bin auf Berge geklettert, habe ein Staub-Schaf getroffen und bin an einer schlafenden Bestie vorbeigeschlichen!“

Die anderen Gummibären lauschten mit großen Augen seinen Erzählungen von der riesigen Welt da draußen.

Barnaby gähnte. Die Nachtwanderung war aufregend gewesen, aber auch sehr anstrengend.

Sicher und geborgen zwischen all den anderen Gummibären schloss er die Augen.

Er träumte von riesigen Wäldern aus Teppichfasern und freundlichen Staub-Schafen.

Und er wusste: Auch wenn die Welt da draußen groß und manchmal ein bisschen unheimlich war, das größte Abenteuer war es doch, wieder sicher bei seiner Familie zu sein.

Schlaf gut, kleiner Barnaby.