Das Geheimnis der schlafenden Spieluhr

Das Geheimnis der schlafenden Spieluhr

Klara entdeckt, dass ihre alte Spieluhr nachts eine traurige Melodie spielt. Eine geheime Karte führt sie auf die Suche nach der verlorenen Ballerina.

Klara kuschelte sich tiefer in ihre Decke. Draußen war es schon ganz dunkel, nur der Mond warf einen silbernen Streifen Licht durch ihr Zimmerfenster.

Normalerweise schlief sie um diese Zeit schon längst, aber heute Nacht war etwas anders.

Auf dem Regal über ihrem Schreibtisch stand eine alte Spieluhr. Sie gehörte ihrer Oma und war schon ein bisschen staubig.

Klara hatte sie oft aufgezogen, dann drehte sich eine winzige Ballerina zu einer sanften Melodie.

Aber heute Nacht… heute Nacht spielte die Spieluhr von ganz allein.

Und es war nicht die übliche Melodie.

Es klang ein bisschen traurig, ein bisschen verloren, wie ein Lied, das sich verlaufen hatte.

Klara spitzte die Ohren. Das war ja komisch!

Sie schob vorsichtig die Decke beiseite und tapste barfuß über den kühlen Holzboden zum Regal.

Die Spieluhr summte leise vor sich hin, die traurige Melodie schwebte durch die Stille.

Klara nahm die Spieluhr behutsam in die Hand. Sie war aus dunklem Holz und hatte feine Schnitzereien.

Plötzlich bemerkte sie etwas, das sie noch nie zuvor gesehen hatte.

An der Seite, versteckt unter einer Rankenverzierung, war ein winziger Knopf.

Neugierig drückte Klara darauf.

Klick.

Ein kleines Fach sprang auf, so klein wie eine Streichholzschachtel.

Darin lag ein zusammengefaltetes Stück Papier und… nein, die winzige Ballerina war nicht da!

Nur der kleine Magnet, auf dem sie sonst tanzte, war leer.

Klara faltete das Papier auseinander. Es war eine winzige Karte, gezeichnet mit feinen Strichen.

Und darunter stand in krakeliger Schrift:

„Ich spiele nur mein fröhliches Lied, wenn ich komplett bin. Meine Tänzerin ist fort! Finde sie, damit ich wieder lachen kann. Die Karte zeigt dir den Weg durch die nächtliche Riesenwelt.“

Klara kicherte leise. Eine Riesenwelt? Sie meinte wohl das Haus!

Die Karte war wirklich lustig gezeichnet.

Ihr Bett war als „Schlummerberg“ eingezeichnet, der große Wohnzimmersessel als „Thron des Nickerchens“ und der Flur als „Langer Gang der Echos“.

„Okay, Spieluhr“, flüsterte Klara. „Ich finde deine Tänzerin!“

Sie schnappte sich ihre Taschenlampe vom Nachttisch und schlich zur Tür.

Im Flur war es stockdunkel. Nur der Lichtkegel ihrer Taschenlampe tanzte über den Boden.

Plötzlich tauchte ein Schatten auf. Zwei grüne Augen leuchteten ihr entgegen.

„Miau?“, machte Herr Schnurrbert, Klaras Kater. Er blinzelte verschlafen.

„Pst, Herr Schnurrbert“, wisperte Klara. „Wir sind auf geheimer Mission. Wir suchen eine verschwundene Ballerina.“

Der Kater gähnte nur, streckte sich und beschloss dann anscheinend, dass diese Mission interessant genug war, um sie zu begleiten. Er trottete leise hinter Klara her.

Laut Karte musste sie zuerst am „Wasserfall der sauberen Wäsche“ vorbei. Das war eindeutig die Waschmaschine in der Abstellkammer!

Sie öffnete leise die Tür. Die Waschmaschine stand still da, aber Klara stellte sich vor, wie tagsüber das Wasser darin rauschte.

Keine Ballerina in Sicht.

Weiter ging es zum „Dschungel der Zimmerpflanzen“ im Wohnzimmer.

Klaras Taschenlampe wanderte über die großen Blätter der Monstera und des Gummibaums.

Herr Schnurrbert schnupperte neugierig an einem Farnwedel.

„Siehst du sie?“, flüsterte Klara.

Der Kater schüttelte fast unmerklich den Kopf – oder vielleicht hatte er auch nur eine Fluse an der Nase.

Die Karte zeigte nun einen Pfeil zum „Tal der verlorenen Socken“. Das musste Papas Arbeitszimmer sein, wo unter dem Schreibtisch immer ein kleines Chaos herrschte.

Klara leuchtete unter den Schreibtisch. Wollmäuse, ein alter Stift, ein einzelner Hausschuh…

Moment mal! Der Hausschuh!

Klara erinnerte sich, dass sie gestern mit der kleinen Ballerina gespielt hatte, als Papa sie gerufen hatte.

Hatte sie sie vielleicht…?

Sie kniete sich hin und leuchtete vorsichtig in den Hausschuh.

Da war nichts.

Enttäuscht seufzte sie.

Herr Schnurrbert stupste sie plötzlich mit der Nase an. Dann tapste er zu seinem Kratzbaum in der Ecke und schaute auffordernd nach oben.

„Was ist denn, Herr Schnurrbert? Da ist sie doch nicht“, sagte Klara.

Aber der Kater miaute leise und kratzte einmal kurz am Sisalstamm.

Klara folgte seinem Blick. Ganz oben auf der kleinen Plattform des Kratzbaums lag etwas Winziges, das im Licht der Taschenlampe glitzerte.

Sie zog einen Stuhl heran und kletterte vorsichtig darauf.

Und da lag sie! Die winzige Ballerina, mit ihrem rosa Tütü und den goldenen Schühchen.

Sie musste wohl gestern beim Spielen heruntergefallen und irgendwie dort oben gelandet sein.

„Gefunden!“, jubelte Klara leise. „Danke, Herr Schnurrbert, du bist der beste Detektiv-Kater der Welt!“

Der Kater schnurrte zufrieden und rieb seinen Kopf an Klaras Bein.

Schnell kletterte Klara wieder herunter und lief, so leise sie konnte, zurück in ihr Zimmer.

Sie setzte die kleine Ballerina vorsichtig auf den Magneten der Spieluhr.

Dann zog sie die Spieluhr auf.

Und diesmal… diesmal erklang die altbekannte, fröhliche Melodie. Hell und klar tanzte sie durch das Zimmer, und die kleine Ballerina drehte sich anmutig im Kreis.

Die Spieluhr schien richtig glücklich zu sein.

Klara lächelte. Sie war auch glücklich. Und ein bisschen stolz auf ihre nächtliche Rettungsaktion.

Sie stellte die Spieluhr zurück aufs Regal, wo die Melodie noch leise weiterspielte.

Dann kuschelte sie sich wieder in ihr Bett. Herr Schnurrbert sprang mit einem Satz dazu und rollte sich am Fußende zusammen.

Die fröhliche Musik wiegte Klara sanft in den Schlaf.

Sie träumte von tanzenden Ballerinas, mutigen Detektiv-Katern und geheimen Karten, die zu den wunderbarsten Schätzen führten – manchmal sogar im eigenen Haus.