Das Geheimnis der schnarchenden Teetasse

Das Geheimnis der schnarchenden Teetasse

Leo entdeckt, warum seine Lieblingstasse schnarcht! Ein winziger, müder Besucher sorgt für ein nächtliches Abenteuer. Kuschelig & lustig.

Leo liebte seine Abendroutine.

Nach dem Zähneputzen und dem Anziehen seines kuscheligen Schlafanzugs mit den Raketen drauf, gab es immer eine warme Milch mit Honig.

Nicht aus irgendeinem Becher. Nein, es musste SEINE Tasse sein.

Die Tasse war weiß mit kleinen, schläfrigen Schäfchen, die über winzige Zäune sprangen.

Mama nannte sie die „Schlummertasse“.

Leo fand das passend. Die Schäfchen sahen wirklich sehr müde aus.

An diesem Abend war alles wie immer.

Mama brachte die warme Milch, Leo kuschelte sich in sein Bett, nahm die Schlummertasse in beide Hände und schloss die Augen, um den ersten Schluck zu genießen.

Doch bevor die Milch seine Lippen erreichte, hörte er etwas.

Ein leises… „Chrrr… pfüüü…“

Leo runzelte die Stirn. Kam das Geräusch von draußen?

Er lauschte angestrengt. Nichts. Nur das Ticken der Uhr im Flur.

Er hob die Tasse wieder an.

„Chrrr… pfüüü… Chrrr… schnorchel…“

Es kam direkt aus der Tasse!

Leo hielt die Luft an. Seine Lieblingstasse… schnarchte?

Er schaute hinein. Nur warme, weiße Milch. Keine Spur von einem Schnarcher.

Vorsichtig stellte er die Tasse auf seinen Nachttisch.

Sofort hörte das Geräusch auf.

„Komisch,“ murmelte Leo. „Hab ich mir das nur eingebildet?“

Er nahm die Tasse wieder in die Hand.

„CHRRRR… PFFFÜÜÜÜ…!“

Diesmal war es lauter! Es klang fast wie Papas Schnarchen, nur viel, viel kleiner. Wie eine Mücke, die versucht, einen Baumstamm durchzusägen.

Leo kicherte. Eine schnarchende Teetasse! Das war ja verrückt.

Aber auch ein bisschen beunruhigend. Was, wenn die Tasse krank war? Brauchte sie einen Tassen-Doktor?

„Hallo?“, flüsterte Leo in die Tasse hinein. „Alles in Ordnung da drin?“

Als Antwort kam nur ein zufriedenes „Schnorchel… püh.“

Leo schüttelte die Tasse sanft. Das Schnarchen wurde kurz unterbrochen, dann ging es mit einem empörten „Chrrrr-grunz!“ weiter.

Okay, Schütteln half nicht.

Er überlegte. Was machte Mama, wenn Papa schnarchte? Sie stupste ihn manchmal an.

Leo stupste vorsichtig eines der gemalten Schäfchen auf der Tasse an.

Nichts. Das Schäfchen schlief tief und fest, genau wie der unsichtbare Schnarcher im Inneren.

„Mama!“, rief Leo leise. „Meine Tasse macht komische Geräusche!“

Mama kam ins Zimmer. „Was ist denn los, mein Schatz?“

„Sie schnarcht! Hör mal!“ Leo hielt seiner Mama die Tasse ans Ohr.

Mama lauschte. Ihre Augen wurden groß. „Du hast recht! Das ist ja allerliebst! Sie klingt wie Opa Herbert nach dem Mittagessen, nur in Miniatur.“

„Aber warum schnarcht sie?“, fragte Leo besorgt.

„Vielleicht träumt sie?“, überlegte Mama. „Vielleicht träumt sie davon, eine große, starke Teekanne zu sein?“

Leo fand die Vorstellung lustig, aber das erklärte das Geräusch nicht wirklich.

„Oder vielleicht…“, sagte Mama und holte ihre Lesebrille aus der Tasche, „…hat sich ein kleiner Besucher darin gemütlich gemacht.“

Sie nahm die Tasse und kippte die Milch vorsichtig zurück in den Topf. Dann leuchtete sie mit der kleinen Lampe ihres Handys hinein.

Leo spähte neugierig über Mamas Schulter.

Und da, ganz unten am Tassenboden, an die Keramikwand gekuschelt, saß etwas Winziges.

Es war kaum größer als ein Reiskorn, rundlich, mit sechs Beinchen und zwei winzigen Fühlern. Es hatte einen schillernden Panzer, der im Licht sanft glänzte.

Und es… schnarchte. „Chrr… pfüü…“

„Was ist das?“, flüsterte Leo ehrfürchtig.

„Ich glaube,“ sagte Mama leise, „das ist ein Schlummerkäfer.“

„Ein Schlummerkäfer?“

„Ja, die sind sehr selten. Man sagt, sie suchen sich die gemütlichsten Orte zum Schlafen aus. Und deine Tasse mit den Schäfchen drauf muss ihm besonders gut gefallen haben.“

Der kleine Käfer gähnte im Schlaf, streckte seine Beinchen und drehte sich auf die andere Seite. „Schnorchel…“

„Er ist süß,“ sagte Leo. „Aber er kann doch nicht in meiner Tasse wohnen bleiben. Dann kann ich ja keine Milch mehr daraus trinken.“

„Da hast du recht,“ sagte Mama. „Wir müssen ihn vorsichtig wecken und ihm helfen, ein anderes gemütliches Plätzchen zu finden.“

Mama nahm ein weiches Grashalm vom Balkonkasten. Ganz behutsam kitzelte sie den Schlummerkäfer damit an einem Fühler.

Der Käfer murmelte etwas Unverständliches („Mrmpf… noch fünf Minuten…“), dann blinzelte er mit winzigen Käferaugen.

Er schaute sich verschlafen um. „Wo… wo bin ich?“ piepste er mit einer Stimme, die so leise war wie das Summen einer Fliege hinter Glas.

„Du bist in meiner Teetasse,“ erklärte Leo freundlich. „Du hast darin geschlafen und geschnarcht.“

Der Schlummerkäfer wurde rot, soweit man das bei einem Käfer sehen kann. „Oh, Verzeihung! Ich war so müde vom langen Krabbeln. Ich bin gestern Abend von meinem Blatt gefallen und habe mich verirrt. Diese Tasse roch so schön nach warmer Milch und Schlaf…“

„Das ist okay,“ sagte Leo. „Aber du brauchst sicher ein richtiges Zuhause.“

„Ja,“ seufzte der Käfer. „Ich vermisse meine Familie im alten Geranientopf auf dem Fensterbrett.“

„Den kennen wir!“, rief Leo. „Wir bringen dich hin!“

Mama nahm den kleinen Käfer vorsichtig auf den Grashalm. Leo öffnete das Fenster zum Balkon.

Gemeinsam trugen sie den Schlummerkäfer zum großen Geranientopf, der in der Abenddämmerung duftete.

„Hier!“, sagte Leo und zeigte auf ein großes, grünes Blatt.

Der Käfer krabbelte vom Grashalm auf das Blatt und schaute sich um. „Ja! Das ist mein Zuhause! Oh, danke, danke!“

Er winkte Leo und Mama mit einem seiner winzigen Beinchen zu. „Schlaft gut! Und entschuldigt das Schnarchen!“

Dann krabbelte er unter das Blatt, wo sicher schon seine Familie wartete.

Leo und Mama gingen zurück ins Zimmer. Mama spülte die Tasse kurz aus und füllte sie wieder mit warmer Milch.

Leo nahm einen tiefen Schluck. Sie schmeckte köstlich. Und sie war still.

Kein „Chrrr… pfüü…“ mehr.

Er kuschelte sich wieder in sein Bett. Die Schäfchen auf der Tasse sahen immer noch müde aus, aber sie schnarchten nicht.

„Das war ein Abenteuer,“ murmelte Leo schläfrig.

„Das war es,“ sagte Mama und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Und jetzt schlaf schön, mein kleiner Entdecker.“

Leo schloss die Augen. Er dachte an den winzigen Schlummerkäfer, der nun sicher und gemütlich unter seinem Blatt schlief.

Vielleicht würde er ja vom Fliegen träumen? Oder von einer großen Teekanne?

Leo lächelte. Eine schnarchende Teetasse war wirklich etwas Besonderes gewesen.

Und wer weiß, vielleicht würde er ja morgen früh einen anderen kleinen Besucher in seinem Cornflakes-Schälchen finden?

Aber das war eine Geschichte für einen anderen Tag.

Jetzt war es Zeit zu schlafen.

Ganz ohne Schnarchen.