
Leo kann nicht schlafen, weil ein leises ‚Pfft‘ aus seinem Bett kommt. Die lustige Suche führt ihn zu Erna, einer Erbse mit einem unbequemen Problem.
Leo konnte nicht einschlafen.
Es war stockdunkel in seinem Zimmer, nur der Mond warf einen schmalen Streifen Licht auf seinen Teppich.
Normalerweise schlief Leo sofort ein, kuschelte sich in seine Decke und träumte von Drachen oder fliegenden Fahrrädern.
Aber heute Nacht war etwas anders.
Da war ein Geräusch.
Ein ganz, ganz leises Geräusch.
Pfft.
Leo spitzte die Ohren. War das der Wind? Nein, die Fenster waren zu.
Pfft.
Es klang… komisch. Fast wie… wie ein winzig kleines Pupsen.
Leo musste kichern. Ein Pupsen in seinem Zimmer? Wer sollte das denn sein? Sein Teddybär Bruno? Wohl kaum.
Pfft.
Es kam irgendwo aus der Nähe seines Bettes.
Leo setzte sich auf. „Hallo?“, flüsterte er in die Dunkelheit. Keine Antwort. Nur Stille.
Und dann… Pfft.
Jetzt wurde Leo neugierig. Das war doch kein normales Geräusch. Es war zu regelmäßig, zu… pupsi-artig.
Er rutschte leise aus dem Bett. Seine Füße landeten lautlos auf dem weichen Teppich.
Er schlich um sein Bett herum. Er lauschte an der Wand. Nichts.
Er öffnete die Schranktür einen Spaltbreit. Nur seine Kleider hingen dort, ganz still.
Pfft.
Es kam definitiv von unter dem Bett! Oder… aus dem Bett?
Leo kniete sich hin und spähte unter das Bettgestell. Staubmäuse tanzten im fahlen Mondlicht, ein vergessener Legostein lag dort, aber nichts, was pupsen konnte.
Er legte sein Ohr auf die Matratze. Ganz still.
Pfft.
Es war ganz nah! Es musste in der Matratze sein! Aber wie?
Leo runzelte die Stirn. Hatte Mama vielleicht eine dieser lustigen Pups-Maschinen in seinem Bett versteckt? Das wäre gemein!
Vorsichtig hob er eine Ecke seiner Matratze an. Es war ziemlich schwer.
Er spähte in den Spalt zwischen Matratze und Lattenrost.
Dunkelheit.
Er hob die Matratze noch ein kleines Stück höher.
Und da sah er etwas.
Etwas Kleines. Rundes. Grünes.
Es war eine Erbse!
Eine einzelne, kleine, grüne Erbse lag dort eingeklemmt unter der schweren Matratze.
Leo starrte sie an. Eine Erbse? Hier?
Pfft.
Das Geräusch kam direkt von der Erbse!
Leo ließ die Matratze langsam wieder sinken, aber nur ein kleines Stück, damit die Erbse nicht zerquetscht wurde.
„Bist du das?“, flüsterte Leo ungläubig.
Die Erbse zuckte leicht. Dann, mit einem noch winzigeren Stimmchen, das klang wie raschelndes Papier, piepste sie: „Wer stört?“
Leo war baff. Die Erbse konnte sprechen!
„Ich… ich bin Leo. Ich wohne hier. Und du… du pupst!“, platzte es aus ihm heraus.
Die Erbse schien leicht rot anzulaufen, soweit man das bei einer grünen Erbse sehen konnte.
„Ich pupse nicht!“, quetschte sie beleidigt hervor. „Das ist nur… äh… eingeklemmte Luft! Jawohl! Wegen dieser riesigen, schweren… Ding da über mir!“ Sie wackelte empört mit ihrem nicht vorhandenen Kopf in Richtung Matratze.
„Du meinst die Matratze?“, fragte Leo.
„Genau die! Ein Ungetüm! Ich liege hier fest, seit… seit dem Abendessen, glaube ich. Ich bin vom Teller gerollt, unter den Tisch, und dann… zack… hierher. Und jetzt drückt dieses Monster auf mich!“
Pfft.
„Da schon wieder!“, sagte Leo, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen.
„Das ist nicht lustig!“, schmollte die Erbse, die sich als Erna vorstellte. „Stell dir mal vor, dir liegt ein ganzes Haus auf dem Bauch! Da entweicht einem schon mal ein Lüftchen!“
Leo überlegte. Das klang irgendwie logisch. Und auch unbequem.
„Tut mir leid, Erna“, sagte er sanft. „Ich wusste ja nicht, dass du hier bist. Soll ich dich rausholen?“
Erna, die Erbse, seufzte erleichtert. „Oh ja, bitte! Dieses Matratzen-Gefängnis ist schrecklich. Und die Federn piksen!“
Leo stemmte sich mit aller Kraft gegen die Matratze und hob sie so weit an, dass er Erna vorsichtig mit zwei Fingern greifen konnte.
Sie war ganz klein und glatt.
Er setzte sie auf seine Handfläche. Sie rollte ein wenig hin und her.
„Puh, Freiheit!“, piepste Erna. „Danke, Leo! Du bist mein Held!“
Leo lächelte. „Gern geschehen. Aber was machen wir jetzt mit dir? Zurück in die Küche?“
Erna schüttelte energisch ihren kleinen Erbsenkörper. „Auf keinen Fall! Da werde ich doch nur wieder gegessen! Ich will Abenteuer erleben! Die Welt sehen!“
Leo schaute die winzige Erbse an. Eine Abenteuer-Erbse. Das war ja noch besser als eine pupsende Erbse.
„Aber hier unter der Matratze ist es doch kein Abenteuer“, sagte Leo.
„Nein, das war eher Folter“, stimmte Erna zu. „Ich brauche ein gemütliches Versteck. Sicher vor Füßen und Staubsaugern. Und vor allem vor hungrigen Mündern!“
Leo dachte nach. Wo könnte eine kleine Erbse sicher und gemütlich wohnen?
Sein Blick fiel auf eine leere Streichholzschachtel auf seinem Nachttisch.
„Ich hab’s!“, rief er leise.
Er nahm die Streichholzschachtel, zog die Lade heraus und leerte die letzten Streichhölzer in eine Dose (ganz vorsichtig natürlich).
Dann zupfte er ein wenig Watte aus einem Wattebausch von Mamas Schminktisch (er würde es ihr morgen erklären) und legte die Watte in die kleine Schublade der Streichholzschachtel.
„Hier, Erna“, sagte er stolz. „Dein eigenes kleines Bett. Weich und sicher.“
Erna kullerte neugierig zur Schachtel und spähte hinein. Sie stupste die Watte an.
„Ooooh“, machte sie. „Das ist… das ist ja luxuriös! Viel besser als unter der Matratze!“
Sie rollte vorsichtig in die weiche Watte und kuschelte sich ein. Man konnte sehen, wie sie sich entspannte.
„Vielen Dank, Leo“, murmelte sie schläfrig. „Das ist das bequemste Bett der Welt.“
Kein Pfft war mehr zu hören. Nur das leise Atmen einer sehr zufriedenen, kleinen Erbse.
Leo schob die Schublade vorsichtig fast ganz in die Hülle der Streichholzschachtel zurück, sodass Erna dunkel und geschützt war, aber noch Luft bekam. Er stellte die Schachtel sicher auf seinen Nachttisch.
Dann kletterte er zurück in sein Bett.
Die Matratze fühlte sich jetzt ganz normal an. Keine geheimnisvollen Geräusche mehr.
Leo kuschelte sich in seine Decke. Er war müde, aber auch glücklich.
Er hatte nicht nur das Rätsel des leisen Pupsens gelöst, sondern auch eine neue, winzige Freundin gefunden.
Eine Erbse namens Erna, die von Abenteuern träumte.
Was sie wohl morgen erleben würden? Leo lächelte. Das würde sicher spannend werden.
Mit dem Gedanken an Erna in ihrem Streichholzschachtel-Bett schlief Leo endlich ein, und diesmal träumte er von winzigen Erbsen, die auf Staubmäusen durch sein Zimmer ritten. Und kein einziges „Pfft“ war zu hören.