Das Murmeln im Marmeladenglas vor dem Einschlafen

Das Murmeln im Marmeladenglas vor dem Einschlafen

Leo kann nicht schlafen, weil ein vergessener Rest Erdbeermarmelade in seinem Glas murmelt. Eine humorvolle Gutenachtgeschichte.

Leo kuschelte sich tiefer in seine Bettdecke. Draußen war es schon ganz dunkel, nur der Mond schickte einen schmalen Streifen Silberlicht durch das Fenster direkt auf seinen Nachttisch.

Er war eigentlich hundemüde. Der Tag war lang gewesen, voller Abenteuer im Garten und einem spannenden Versteckspiel mit Papa.

Aber irgendetwas war komisch.

Gerade als er die Augen zumachen wollte, hörte er es.

Ein leises… Murmeln?

Ja, es klang wie ein ganz, ganz leises Murmeln. So, als würde jemand ganz weit weg unter einer dicken Decke vor sich hin brabbeln.

Leo spitzte die Ohren. Stille.

Er atmete tief durch. Vielleicht hatte er es sich nur eingebildet.

Doch da! Wieder dieses Geräusch. Mrml… mrml… brumm…

Es war ganz nah. Nicht draußen vor dem Fenster. Nicht im Flur.

Es kam… von seinem Nachttisch?

Leo setzte sich vorsichtig im Bett auf. Sein Herz klopfte ein kleines bisschen schneller. Gespenster gab es doch nicht, oder? Das hatte Mama gesagt.

Er kniff die Augen zusammen und spähte durch die Dunkelheit zum Nachttisch.

Da stand sein Wasserglas, sein Lieblingsbuch über Dinosaurier und… das fast leere Marmeladenglas vom Abendessen.

Leo hatte noch ein kleines Stückchen Toast mit Erdbeermarmelade gemampft, bevor er ins Bett musste.

Das Murmeln schien genau aus dieser Richtung zu kommen. Mrml… unzufrieden… mrml… kleb…

Konnte ein Marmeladenglas murmeln?

Leo fand das sehr, sehr seltsam. Aber auch ein bisschen aufregend.

Er schwang die Beine aus dem Bett. Die Holzdielen waren kühl unter seinen Füßen.

Auf Zehenspitzen schlich er zum Nachttisch.

Er beugte sein Ohr ganz dicht an das Glas. Ja! Ganz deutlich hörte er es jetzt.

Ein unzufriedenes, klebriges Murmeln und Brummen.

„Hallo?“, flüsterte Leo.

Das Murmeln hörte abrupt auf.

Stille.

„Ist da jemand?“, fragte Leo noch leiser.

Plötzlich kam eine kleine, quäkige Stimme aus dem Glas: „Na wer wohl? Sieht man doch! Kalt ist es hier. Und einsam.“

Leo zuckte zurück. „Wer… wer bist du?“

„Wer ich bin?“, quäkte die Stimme empört. „Ich bin der letzte Rest! Der tapfere Überbleibsel! Das vergessene Erdbeer-Etwas im Glas!“

Leo blinzelte. Er nahm das Glas vorsichtig hoch und hielt es ins Mondlicht.

Unten am Boden klebte tatsächlich nur noch ein kleiner, dunkelroter Klecks Marmelade. Ein paar winzige Erdbeerstückchen waren darin zu erkennen.

Und dieser Klecks schien ihn jetzt vorwurfsvoll anzusehen, obwohl er gar keine Augen hatte.

„Du… du kannst sprechen?“, stammelte Leo.

„Natürlich kann ich sprechen!“, brummte die Marmelade. „Ich kann auch kleben. Und warten. Und murmeln, wenn mir langweilig ist. Und mir ist SEHR langweilig!“

Leo musste kichern. Eine sprechende Marmelade!

„Warum murmelst du denn so?“, fragte er neugierig.

„Warum ich murmle?“, wiederholte die Marmelade schnippisch. „Weil ich vergessen wurde! Einfach zurückgelassen! Alle meine Freunde, die anderen leckeren Marmeladenkleckse, sind schon längst auf leckeren Brötchen verreist. Nur ich sitze hier fest.“

Sie machte eine kurze Pause, dann murmelte sie weiter: „Ich klebe hier fest wie… wie ein alter Kaugummi unter einem Stuhl! Nur nicht so rosa.“

Leo überlegte. „Ich wollte dich ja noch essen, aber dann war ich zu müde.“

„Zu müde!“, äffte die Marmelade ihn nach. „Immer diese Ausreden. Erst groß auftischen und dann einfach stehen lassen. Stell dir mal vor, man würde DICH halb aufessen und dann einfach im Kühlschrank vergessen!“

Leo stellte sich das vor und fand den Gedanken gar nicht schön. Er bekam ein bisschen Mitleid mit dem kleinen, klebrigen Rest.

„Tut mir leid“, sagte er ehrlich. „Ich hab dich wirklich nicht absichtlich vergessen.“

Die Marmelade schniefte leise. Oder es war nur ein klebriges Geräusch.

„Na schön“, sagte sie etwas sanfter. „Aber es ist trotzdem doof hier unten. So dunkel und… klebrig.“

„Ich hab eine Idee!“, sagte Leo. „Pass auf: Ich verspreche dir hoch und heilig, dass du morgen Früh der Allererste bist, den ich auf mein frisches Frühstücksbrötchen streiche.“

Die Marmelade schien kurz nachzudenken. Man konnte fast hören, wie die Erdbeerstückchen in ihr überlegten.

„Der Allererste?“, fragte sie misstrauisch.

„Ja! Noch vor dem Honig und sogar vor der Schokocreme!“, versicherte Leo feierlich.

„Mit extra viel Butter drunter?“, hakte die Marmelade nach.

„Mit extra viel Butter“, bestätigte Leo.

„Na gut“, sagte die Marmelade und klang jetzt fast zufrieden. „Abgemacht. Aber wehe, du vergisst mich wieder! Dann murmle ich so laut, dass du garantiert nicht schlafen kannst.“

„Versprochen“, sagte Leo und lächelte.

Er schraubte den Deckel vorsichtig wieder auf das Glas. Das Murmeln war verschwunden.

Er stellte das Glas zurück auf den Nachttisch.

Dann kuschelte er sich wieder in sein Bett. Es war ganz still im Zimmer, nur sein eigener Atem war zu hören.

Er dachte an die grummelige, aber irgendwie lustige Erdbeermarmelade.

Ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht.

Was für ein seltsames, kleines Abenteuer direkt vor dem Einschlafen.

Er schloss die Augen und stellte sich ein riesiges Brötchen mit einem dicken Klecks fröhlicher Erdbeermarmelade vor.

Und bevor er es sich versah, war er eingeschlafen, ohne auch nur ein einziges weiteres Murmeln zu hören.

Er träumte von Erdbeerfeldern, auf denen die Erdbeeren leise vor sich hin summten.