Der Keks auf der Suche nach dem Milchglas-Meer

Der Keks auf der Suche nach dem Milchglas-Meer

Ein mutiger Keks namens Knusper büxt aus seiner Dose aus, um das legendäre Milchglas-Meer zu finden. Eine abenteuerliche Reise durch die Küche.

In einer knisternden, bunten Keksdose auf dem obersten Regalbrett der Küche wohnte ein Keks namens Knusper. Knusper war kein gewöhnlicher Keks. Er war ein Schokoladen-Splitter-Keks mit extra vielen Splittern und einem unstillbaren Durst nach Abenteuern.

Die anderen Kekse in der Dose waren zufrieden damit, darauf zu warten, von großen Händen gepackt und gegessen zu werden. Sie tuschelten über die besten Krümelplätze in der Dose oder darüber, welcher Schokosplitter am glänzendsten war.

Aber Knusper hörte lieber den Geräuschen außerhalb der Dose zu. Dem Brummen des Kühlschranks, das klang wie ein schlafender Riese, dem Glucksen der Kaffeemaschine am Morgen und dem leisen Rauschen des Wassers im Spülbecken.

Eines Abends, als die Dämmerung hereinbrach und die Küchenlichter ein warmes Glühen verbreiteten, hörte Knusper ein Gespräch zwischen zwei alten Haferflockenkeksen.

„Hast du schon vom großen Milchglas-Meer gehört?“, flüsterte der eine.

„Dem Ort, wo die Wellen weiß und süß sind?“, hauchte der andere ehrfürchtig.

„Genau! Ein Paradies für jeden Keks! Man sagt, wer darin badet, wird unendlich glücklich und knusprig.“

Knuspers Schokosplitter begannen vor Aufregung zu kribbeln. Das Milchglas-Meer! Das klang nach dem größten Abenteuer von allen! Er musste es finden.

In dieser Nacht, als alle anderen Kekse fest schliefen und von Zuckerstangen träumten, fasste Knusper einen mutigen Plan. Er rollte sich vorsichtig zur Kante der Keksdose.

Der Sprung nach unten schien riesig. Die Arbeitsplatte der Küche dehnte sich unter ihm aus wie eine endlose, beige Wüste.

„Mutig, mutig“, murmelte Knusper vor sich hin und stieß sich ab.

Er landete mit einem leisen „Pock“ auf der kühlen Oberfläche. Puh, geschafft! Kein Krümel war abgebrochen.

Vor ihm lag eine unbekannte Welt. Riesige Tassen ragten wie Berge auf, ein glänzender Toaster sah aus wie eine metallische Festung, und der Wasserhahn glitzerte wie ein silberner Wasserfall in der Ferne.

Knusper begann seine Reise. Er krümelte vorsichtig an einer Obstschale vorbei, in der eine Banane lag, die wie ein riesiges, gelbes Luftschiff aussah.

Plötzlich hörte er ein leises Rascheln. Aus einer Teepackung lugte ein weiser, alter Teebeutel hervor. Sein Faden baumelte wie ein langer Bart herab.

„Wohin des Weges, kleiner Keks?“, fragte der Teebeutel mit einer Stimme, die nach Kamille und fernen Ländern klang.

„Ich suche das große Milchglas-Meer!“, rief Knusper aufgeregt.

Der Teebeutel schmunzelte. „Ah, das Meer der süßen Träume. Ein kühner Plan. Aber der Weg ist weit und voller… nun ja, voller Krümelgefahren.“

„Ich schaffe das!“, sagte Knusper entschlossen.

„Dann pass auf die glatte Schlucht beim Spülbecken auf und hüte dich vor dem salzigen Riesen“, riet der Teebeutel und zog sich wieder in seine Packung zurück.

Knusper bedankte sich und wanderte weiter. Er kletterte über einen Stapel Untertassen, der sich anfühlte wie eine steile Gebirgskette.

Dann erreichte er eine glänzende Fläche – die Herdplatte. Sie war zum Glück kalt. Aber daneben stand ein grimmig dreinblickender Salzstreuer.

„Na, was krümelt denn hier herum?“, knarzte der Salzstreuer, den Knusper sofort als den „salzigen Riesen“ erkannte.

„Ich bin auf dem Weg zum Milchglas-Meer!“, erklärte Knusper stolz.

Der Salzstreuer lachte rau. „Milchglas-Meer? So ein Unsinn! Bleib lieber, wo du bist, Kleiner. Die Welt da draußen ist nichts für weiche Kekse wie dich. Ein falscher Schritt, und zack, bist du nur noch ein Haufen Krümel!“

Knusper ließ sich nicht entmutigen. „Ich bin nicht weich! Ich bin knusprig! Und ich werde das Meer finden!“

Er umrundete den mürrischen Salzstreuer und erreichte bald die „glatte Schlucht“, von der der Teebeutel gesprochen hatte – das Spülbecken. Es sah tief und gefährlich aus.

Wie sollte er da nur hinüberkommen?

Da sah er sie – eine lange, glänzende Brücke! Es war ein Suppenlöffel, der über den Rand des Beckens ragte.

Vorsichtig balancierte Knusper auf dem Stiel des Löffels. Unter ihm gähnte die Tiefe.

Gerade als er die andere Seite fast erreicht hatte, wackelte der Löffel!

Knusper rutschte ab, konnte sich aber im letzten Moment mit einem Schokosplitter an der Kante der Arbeitsplatte festhalten.

Mit letzter Kraft zog er sich hoch. Geschafft!

Nun war er auf der anderen Seite. Und da, am Ende der Arbeitsplatte, auf dem großen Esstisch… da sah er es!

Ein hohes, durchsichtiges Gebilde, gefüllt mit einer leuchtend weißen Flüssigkeit. Es schimmerte im sanften Licht der kleinen Nachtlampe, die auf dem Tisch stand.

„Das… das muss es sein!“, flüsterte Knusper ehrfürchtig. „Das Milchglas-Meer!“

Es war noch schöner, als die alten Haferflockenkekse es beschrieben hatten. Es sah so einladend, so kühl und süß aus.

Mit neuem Mut rollte Knusper über den Rand der Arbeitsplatte und landete auf einem Stuhl. Von dort kletterte er auf den Tisch.

Er stand nun direkt vor dem riesigen Glas. Es ragte über ihm auf wie ein Leuchtturm.

Er spähte über den Rand. Die weiße Oberfläche war glatt wie ein Spiegel.

„Für das Abenteuer!“, rief Knusper und nahm Anlauf.

Mit einem beherzten Sprung stürzte er sich kopfüber in das kühle Weiß.

Platsch! machte es.

Oh, war das herrlich! Die Milch war kühl und süß. Sie umspülte ihn sanft. Er drehte sich und tauchte unter, seine Schokosplitter lösten sich ein ganz klein wenig auf und machten das Meer noch leckerer.

Der grummelige Salzstreuer hatte Unrecht gehabt. Das war kein Unsinn, das war das pure Glück!

Knusper trieb eine Weile auf dem Rücken, blickte nach oben zu den fernen Lichtern der Küchendecke, die wie Sterne aussahen, und fühlte sich unendlich knusprig und zufrieden.

Er hatte das Milchglas-Meer gefunden. Sein großes Abenteuer war geglückt.

Langsam, ganz langsam, während er so in den süßen Wellen schaukelte, wurden seine Keks-Augen schwer.

Das Meer war nicht nur aufregend, es war auch wunderbar beruhigend.

Und so schlief der mutige Keks Knusper, glücklich und zufrieden, mitten im weißen, süßen Milchglas-Meer ein, träumend von neuen, knusprigen Abenteuern.