Der müde Waschlappen Willi wringt die Sorgen aus

Der müde Waschlappen Willi wringt die Sorgen aus

Der Waschlappen Willi ist schwer von Sorgen. Mit Hilfe seiner Bad-Freunde lernt er, die Grübelgedanken sanft auszuwringen und leicht einzuschlafen.

Willi war kein gewöhnlicher Waschlappen.

Oh nein, Willi war ein ganz besonderer Waschlappen.

Er wohnte im Badezimmer der Familie Mausezahn und hatte eine wichtige Aufgabe: Er half beim Sauberwerden.

Jeden Abend, wenn Leo Mausezahn aus der Badewanne kletterte, schnappte sich Mama Mausezahn den blauen, kuscheligen Willi.

Willi liebte es, den warmen Wasserdampf zu spüren und den Schaum auf Leos Haut zu verteilen. Killekille hier, schrubbelschrubbel da.

Aber Willi hatte ein kleines, nasses Geheimnis.

Er war nicht nur gut darin, Schmutz wegzuwaschen. Er sog auch Stimmungen auf, wie ein Schwamm die Suppe.

Wenn Leo einen schlechten Tag im Kindergarten hatte und beim Waschen grummelte, saugte Willi die Grummelgedanken auf.

Wenn Papa Mausezahn sich über den Stau ärgerte und mit zerknitterter Stirn das Gesicht wusch, nahm Willi die Ärgerfalten in sich auf.

Wenn Mama Mausezahn müde war und seufzte, während sie sich abschminkte, trank Willi die Seufzer wie Wasser.

Am Ende des Tages war Willi nicht nur nass vom Wasser, sondern auch schwer von all den Sorgen, dem Ärger und der Müdigkeit der Mausezahns.

„Puh“, stöhnte Willi, als er nach getaner Arbeit erschöpft auf dem Badewannenrand lag. Er fühlte sich schwer wie ein nasser Sack voller Murmeln.

„Was ist los, Willi?“, glitschte Seifen-Siggi heran. Siggi war eine weise, alte Lavendelseife, die schon viele Badezimmer und noch mehr Seufzer gesehen hatte.

„Ach, Siggi“, jammerte Willi. „Ich bin so vollgesogen. Nicht nur mit Wasser, sondern mit… mit Grübelkram! Mit Kummer-Klumpen!“

„Grübelkram?“, fragte Bürsten-Berta, die grobe, aber herzliche Nagelbürste, die neben dem Waschbecken thronte. „Kann man den wegschrubben? Einfach runter damit!“

Berta liebte es zu schrubben. Schrubben löste fast jedes Problem, fand sie. Ein bisschen Rubbeln hier, kräftig Bürsten da, und weg war der Ärger.

„Ich glaube nicht“, murmelte Willi und versuchte, sich ein bisschen aufzurichten, was ihm aber schwerfiel. Seine Ecken hingen schlaff herunter. „Das fühlt sich anders an. Tiefer drin. Ganz klebrig.“

Schwamm-Schwester Susi, ein fröhlicher, knallgelber Badeschwamm mit vielen Poren, hüpfte aufgeregt auf und ab, sodass kleine Wassertropfen spritzten. „Vielleicht musst du sie in Blubberblasen einweichen? Blubberblasen machen alles leichter! Schau mal!“ Susi produzierte sofort einen Haufen winziger, schillernder Blasen, die lustig im Licht tanzten.

Willi schaute auf die Blasen. Sie waren hübsch, aber er hatte nicht das Gefühl, dass sie ihm helfen würden. „Das sind ja eher Sorgenklumpen, keine Seifenblasen“, erklärte er traurig. „Sie sitzen fest in meinen Fasern. Wie Kletten im Pullover.“

„Hast du schon versucht, dich richtig kräftig auszuwringen?“, fragte Siggi mit seiner sanften, leicht rutschigen Seifenstimme.

„Na klar!“, sagte Willi. „Jeden Abend wringt mich Mama oder Papa aus, bis kein Tropfen Wasser mehr kommt. Aber die Sorgen… die bleiben irgendwie hängen. Wie Kaugummi im Frottee.“ Er demonstrierte es, indem er sich selbst so gut es ging zusammendrehte. Ein paar Tropfen klares Wasser fielen auf den Wannenrand, aber das schwere, graue Gefühl blieb.

Seifen-Siggi rutschte näher. Der Lavendelduft, der von ihm ausging, war sehr beruhigend. „Willi, mein nasser Freund“, sagte Siggi bedächtig. „Sorgen sind keine Seifenreste und kein Schmutz. Man kann sie nicht einfach wegspülen oder rausschrubben.“

„Und auch nicht in Blubberblasen auflösen?“, fragte Susi enttäuscht und ließ ihre imaginären Schultern hängen.

„Nicht ganz“, lächelte Siggi. „Man muss sie anders loslassen. Man muss sie bewusst auswringen. Mit Gefühl und Absicht.“

„Bewusst auswringen?“, fragte Willi verwirrt. Seine Frotteefasern kräuselten sich vor Neugier. „Wie geht das denn? Brauche ich dafür spezielle Auswring-Muskeln?“

„Nein, nein“, lachte Siggi leise. „Stell dir vor“, erklärte er, „jede Sorge, jeder Ärger, jeder Seufzer, den du aufgesaugt hast, ist eine kleine, dunkle Wolke in dir drin.“

Willi schloss seine nicht vorhandenen Augen und versuchte es. Tatsächlich konnte er kleine, graue Nebelschwaden in seinem Inneren fühlen, die ihn schwer machten.

„Gut“, nickte Siggi zufrieden. „Und nun nimm eine dieser Wolken in deine Gedanken. Denk an sie, aber nur ganz kurz. Und dann… drück sie ganz sanft aus dir heraus. Nicht mit Kraft, sondern mit… Absicht. Als würdest du sie höflich bitten, zu gehen, weil Schlafenszeit ist.“

Willi konzentrierte sich. Er dachte an Leos schlechte Laune vom Nachmittag, als sein Bauklotzturm eingestürzt war. Puh, die fühlte sich besonders schwer und spitz an. Er stellte sich vor, wie er diese graue Wolke ganz sanft, Faser für Faser, nach außen schob.

„Und vielleicht hilft ein kleines Liedchen dabei“, schlug Siggi vor. „Ein Auswring-Lied! Ein Sorgen-Schubs-Song!“

Bürsten-Berta kicherte. „Ein Auswring-Lied? Was für ein Quatsch!“

„Warum nicht?“, blubberte Susi fröhlich dazwischen. „Singen macht alles besser! La La La!“

Willi war das ein bisschen peinlich, vor allem vor der robusten Berta, aber er war verzweifelt genug, es zu versuchen. Er begann leise zu summen, eine Melodie ohne Worte, die klang wie ein sanftes Brummen. Und während er summte, stellte er sich vor, wie er die erste Sorgenwolke sanft, ganz sanft aus seinen Fäden drückte.

Plitsch!

Eine winzige, dunkelgraue Blase, nicht schillernd wie Susis Blasen, sondern matt und trüb, löste sich von ihm und schwebte langsam zur Decke, wo sie leise und unbemerkt zerplatzte.

„Huch!“, machte Willi überrascht. „Das… das hat geklappt! Ich hab’s gefühlt! Es ist weg!“

„Siehst du!“, sagte Siggi zufrieden und glänzte ein wenig mehr im Lampenlicht.

Ermutigt nahm sich Willi die nächste Sorge vor – Papa Mausezahns Ärger über den Stau heute Morgen. Wieder summte er seine Melodie, diesmal schon ein bisschen lauter und mutiger, und drückte die Wolke sanft hinaus.

Plitsch! Plitsch! Zwei graue Blasen lösten sich und schwebten langsam davon, wie müde Luftballons.

„Juhu!“, rief Susi und machte vor Freude ein paar extra Blubberblasen, die diesmal fröhlich schillerten. „Mach weiter, Willi!“

Jetzt packte Willi der Ehrgeiz. Er summte sein Auswring-Lied schon fast wie ein kleiner Profi und stellte sich eine Sorge nach der anderen vor. Mama Mausezahns Müdigkeit, Leos Streit mit dem Nachbarsjungen um die Schaufel, Papas Kopfschmerzen vom vielen Telefonieren.

Plitsch! Platsch! Plitsch!

Immer mehr kleine, graue Bläschen lösten sich von Willi. Es sah fast so aus, als würde er dunklen, traurigen Schaum produzieren. Sie stiegen auf, platzten leise an der Decke und verschwanden im Nichts.

Mit jeder Blase fühlte sich Willi leichter. Seine Fasern entspannten sich. Er war nicht mehr so schwer und verklumpt. Er fühlte sich fast wieder wie neu.

Bürsten-Berta hörte auf zu kichern und schaute fasziniert zu. Ihre Borsten standen vor Staunen fast zu Berge. „Donnerwetter, Willi! Du sprudelst ja richtig die Sorgen raus! Hätte ich nicht gedacht!“

Schließlich löste sich die allerletzte graue Blase. Sie war ganz klein, fast unsichtbar. Plitsch!

Willi atmete tief durch – so tief ein Waschlappen eben durchatmen kann. Er fühlte sich wunderbar leicht. Fluffig. Sauber. Nicht nur außen, sondern auch innen drin, wo vorher der ganze Grübelkram gewohnt hatte.

„Wow!“, sagte er glücklich und schüttelte sich vergnügt. „Ich bin… leer! Angenehm leer! Leer von Sorgen!“

Er schüttelte sich noch einmal fröhlich, und ein paar letzte, klare Wassertropfen spritzten umher und landeten auf Siggis glatter Oberfläche.

„Das hast du toll gemacht“, lobte Seifen-Siggi. „Denk dran, Willi: Jeden Abend, bevor du dich zum Trocknen aufhängst, wring die Sorgen aus. Sanft und mit Gefühl. Dann schläfst du viel besser.“

Willi nickte eifrig. Seine Ecken wippten auf und ab. „Das werde ich! Mit meinem supergeheimen Auswring-Lied! Das ist mein Trick!“

In diesem Moment kam Mama Mausezahn summend ins Bad, um nach dem Rechten zu sehen. Sie nahm den leichten, fast trockenen Willi vom Wannenrand und hängte ihn sorgfältig über den Haken an der Wand.

„So, mein guter Willi“, sagte sie lächelnd und strich ihm sanft über die blauen Fasern. „Zeit zum Ausruhen für dich.“

Willi kuschelte sich an die kühlen Fliesen. Er fühlte sich friedlich und bereit für eine lange, erholsame Nacht ohne fremde Sorgen in seinen Fasern. Nur er und die Stille.

Er lauschte dem leisen Tropfen des Wasserhahns und dachte nach. Vielleicht könnten Menschen das ja auch? Die Kinder und die Erwachsenen? Vor dem Schlafengehen die kleinen und großen Sorgen des Tages wie graue Blasen sanft auspusten oder aus dem Kopf herauswringen, damit sie nicht mit unter die Decke krabbeln und den Schlaf stören?

Das wäre doch eine gute Idee, dachte Willi, bevor er in einen tiefen, leichten Waschlappen-Schlaf fiel. Ganz ohne Grübelkram. Nur er selbst, sauber, leicht und zufrieden.