
Der Sandmann hat Schluckauf! Lotte kann nicht schlafen und hilft ihm mit lustigen Tricks, den Hicks loszuwerden und den Schlafsand zu verteilen.
Lotte lag in ihrem Bett und konnte einfach nicht einschlafen.
Ihre Augen waren kugelrund und starrten an die Decke.
Draußen war es mucksmäuschenstill, nur der Wind raschelte leise in den Blättern der großen Kastanie vor ihrem Fenster.
Normalerweise war Lotte um diese Zeit schon längst im Land der Träume.
Aber heute war alles anders.
Irgendetwas kitzelte in der Luft.
Es war, als würden winzige, glitzernde Pünktchen durch ihr Zimmer tanzen.
Sie rieben sich an ihrer Nase und ließen sie kribbeln.
Lotte setzte sich auf und rieb sich verwundert die Augen.
Wo kam denn dieser ganze Glitzerstaub her?
Sie schaute zum Fenster.
Und da sah sie ihn!
Der Sandmann schwebte leise vor ihrem Fenster vorbei.
Er trug seinen roten Mantel mit den goldenen Sternen und seinen spitzen Hut.
In der Hand hielt er seinen Beutel mit dem Schlafsand.
Aber er streute den Sand nicht sanft in die Augen der Kinder, wie er es sonst immer tat.
Nein, er zuckte merkwürdig zusammen.
Hicks! machte es laut.
Und bei jedem Hicks! flog ein ganzer Schwall Glitzersand unkontrolliert durch die Luft.
Ein Teil landete auf dem Dach des Nachbarhauses, ein anderer Teil im Rosenbusch von Frau Meier, und ganz viel davon tanzte eben auch in Lottes Zimmer.
Der Sandmann sah ganz verzweifelt aus.
Er hielt sich den Bauch und versuchte, den nächsten Hicks zu unterdrücken.
Hicks! – Wieder flog der Sand daneben.
Lotte konnte nicht anders.
Sie musste kichern.
Das sah zu komisch aus!
Leise schlich sie zum Fenster und schob es einen Spaltbreit auf.
„Hallo, Herr Sandmann?“, flüsterte sie.
Der Sandmann zuckte erschrocken zusammen.
HICKS! – Peng! Eine ganze Ladung Sand klatschte gegen Lottes Fensterscheibe.
„Oh! Äh… HICKS!… Entschuldigung!“, stammelte der Sandmann und wurde ein bisschen rot unter seinem weißen Bart.
„Ist alles in Ordnung bei Ihnen?“, fragte Lotte besorgt, aber immer noch ein bisschen kichernd.
„Nein, leider nicht!“, jammerte der Sandmann. „Ich habe… HICKS!… Schluckauf! Und zwar ganz furchtbar!“
Er versuchte, ein wenig Sand gezielt in Richtung Lottes Augen zu werfen, aber… HICKS!… der Sand landete auf ihrer Bettdecke.
„Oh je“, sagte Lotte. „Das ist ja doof. So kann ja niemand einschlafen.“
„Genau! HICKS! Das ist das Problem!“, stöhnte der Sandmann. „Ich bin schon viel zu spät dran, und dieser… HICKS!… blöde Schluckauf hört einfach nicht auf!“
Lotte überlegte.
Ihre Oma hatte immer gesagt, man müsse sich erschrecken, um Schluckauf loszuwerden.
„Ich hab eine Idee!“, rief Lotte. „Passen Sie auf!“
Sie riss die Augen weit auf, machte ein ganz gruseliges Gesicht und brüllte so laut sie konnte: „BUH!“
Der Sandmann zuckte so heftig zusammen, dass er fast seinen Hut verlor.
HIIIIIIICKS! machte es, lauter als zuvor. Der Sandbeutel wirbelte durch die Luft und eine riesige Glitzerwolke stieg auf.
„Ups“, sagte Lotte. „Das hat wohl nicht geklappt.“
Der Sandmann schüttelte den Kopf und wischte sich Sand aus dem Bart. „Nein… HICKS!… nicht wirklich. Aber danke für den… HICKS!… Versuch.“
Lotte dachte weiter nach.
„Vielleicht hilft es, Wasser zu trinken?“, schlug sie vor. „Aber verkehrt herum!“
Der Sandmann sah sie zweifelnd an. „Verkehrt herum? Wie soll das denn… HICKS!… gehen?“
Lotte holte schnell ihr Glas Wasser vom Nachttisch.
„Sie müssen sich bücken und vom anderen Rand trinken“, erklärte sie.
Der Sandmann seufzte, nahm das Glas, bückte sich tief nach vorne und versuchte, vom gegenüberliegenden Rand zu trinken.
Es gluckerte und blubberte.
Ein Teil des Wassers lief ihm in die Nase, ein anderer tropfte auf seinen schönen roten Mantel.
Er prustete.
HICKS! machte es wieder, diesmal begleitet von einem Niesen.
„Auch nicht“, stellte Lotte fest.
Der Sandmann richtete sich auf und tupfte sich mit einem Taschentuch trocken. „Ich glaube… HICKS!… das war keine gute Idee.“
„Oder Luft anhalten!“, fiel Lotte ein. „Ganz lange!“
Der Sandmann atmete tief ein, kniff die Augen zusammen und hielt die Luft an.
Lotte zählte leise: „Eins… zwei… drei… vier…“
Der Sandmann wurde langsam ein bisschen blau im Gesicht.
„Fünf… sechs… sieben…“
Er trommelte mit den Fingern auf seinen Bauch.
„Acht… neun… ze…“
Pffft-HICKS! – Der Schluckauf war immer noch da.
Der Sandmann schnappte nach Luft. „Ich kann nicht mehr! HICKS!“
Lotte war ratlos.
Was konnte man denn noch tun?
Plötzlich hatte sie eine blitzschnelle Idee.
Sie beugte sich aus dem Fenster, so weit sie konnte, und fing an, den Sandmann vorsichtig an den Füßen zu kitzeln.
„Huch! Was… HICKS!… wird das denn?“, fragte der Sandmann überrascht.
Lotte kitzelte weiter.
Erst kicherte der Sandmann nur ein bisschen.
„Hihi… HICKS!… hör auf!“
Aber Lotte kitzelte unerbittlich.
Plötzlich fing der Sandmann an, laut zu lachen.
„HAHAHA! HO HO HO! Das… das kitzelt ja furchtbar! HAHAHA!“
Er lachte so sehr, dass ihm die Tränen kamen und sein ganzer Körper wackelte.
Der Sandbeutel schaukelte hin und her.
Und dann… Stille.
Kein Hicks mehr.
Der Sandmann hörte auf zu lachen und atmete tief durch.
Er wartete.
Nichts.
„Er ist weg!“, rief er überglücklich. „Der Schluckauf ist weg! Du hast es geschafft!“
Lotte strahlte. „Wirklich?“
„Ja! Tausend Dank, kleine Lotte!“, sagte der Sandmann erleichtert.
Er schaute auf die Uhr an seinem Handgelenk, die aus Mondstaub gemacht war.
„Oh je, jetzt bin ich aber wirklich spät dran. So viele Kinder warten noch auf ihren Schlafsand.“
Lotte sah den vollen Sandbeutel.
„Soll ich Ihnen vielleicht helfen?“, fragte sie mutig.
Der Sandmann überlegte kurz. „Das wäre wundervoll! Aber du musst ganz leise sein und ganz vorsichtig streuen.“
Lotte nickte eifrig.
Der Sandmann hob Lotte sanft aus ihrem Fenster und setzte sie neben sich auf eine kleine Wolke, die er schnell herbeigezaubert hatte.
Gemeinsam schwebten sie durch die Nacht.
Bei jedem Haus hielten sie an.
Der Sandmann zeigte Lotte, wie man genau die richtige Menge Sand nahm – nur eine winzige Prise – und sie ganz sanft auf die Augenlider der schlafenden Kinder pustete.
Lotte war ganz konzentriert.
Es war aufregend, dem Sandmann bei seiner Arbeit zu helfen.
Sie sahen Kinder, die von Abenteuern träumten, von fliegenden Pferden und sprechenden Tieren.
Langsam wurde Lotte aber selbst müde.
Ihre Augenlider wurden schwer.
Das Schweben auf der Wolke war so gemütlich.
Als sie beim letzten Haus ankamen, gähnte Lotte herzhaft.
„Ich glaube, jetzt brauche ich auch etwas Schlafsand“, murmelte sie.
Der Sandmann lächelte.
Er brachte Lotte zurück zu ihrem Fenster und hob sie vorsichtig wieder in ihr Bett.
„Vielen Dank für deine tolle Hilfe, Lotte. Ohne dich hätte ich das heute Nacht nicht geschafft.“
Er nahm eine winzige, extra glitzernde Prise Sand aus seinem Beutel.
„Und hier, ein bisschen extra süßer Traumstaub für meine beste Helferin.“
Er pustete den Sand sanft auf Lottes Augen.
Sofort fielen ihr die Augen zu.
Sie kuschelte sich in ihre Decke und schlief ein, noch bevor der Sandmann leise davonschwebte.
Und in dieser Nacht träumte Lotte von einem lustigen Sandmann, der lachend durch die Luft purzelte, während überall Glitzersand umherwirbelte wie verrückt gewordene Sternschnuppen.