
Lichtschalter Knips ist neugierig auf die Dunkelheit. Eines Nachts wagt er sich von der Wand und entdeckt mit Staubmaus Staubie die Geheimnisse der Nacht.
An der Wand im Kinderzimmer, gleich neben der Tür, wohnte ein kleiner, weißer Lichtschalter. Sein Name war Knips.
Knips hatte eine sehr wichtige Aufgabe: Er sorgte für Licht. Wenn jemand auf seinen Bauch drückte, machte es ‚Klick!‘, und der ganze Raum wurde hell. Drückte man nochmal, machte es ‚Klack!‘, und alles wurde dunkel.
Knips liebte das ‚Klick!‘. Er liebte es, wie die Sonne im Zimmer aufging, auch wenn draußen schon längst der Mond schien. Er liebte es, die bunten Bilder an der Wand zu sehen, das Spielzeug auf dem Boden und das gemütliche Bett in der Ecke.
Aber manchmal, ganz heimlich, wenn niemand hinsah, fragte sich Knips, wie es wohl auf der anderen Seite war. Im Dunkeln.
Er hörte die Schatten wispern, wenn das Licht aus war. Er sah, wie sich die Formen im Zimmer veränderten und alles ganz geheimnisvoll wurde. Das Dunkel schien ein eigenes Leben zu haben, ein leises, sanftes Leben.
„Ich will auch mal ins Dunkel!“, dachte Knips eines Abends, als das Kind im Bett schon tief schlief und nur das kleine Nachtlicht am anderen Ende des Zimmers einen sanften Schein warf.
„Immer nur ‚Klick!‘ und hell sein ist ja schön und gut“, murmelte er leise vor sich hin, „aber ich will wissen, wie es sich anfühlt, wenn es ‚Klack!‘ macht und ich selbst im Dunkeln bin!“
Normalerweise war Knips fest mit der Wand verbunden. Aber heute Abend fühlte er sich irgendwie… locker. Er wackelte ein bisschen hin und her. Erst ganz vorsichtig, dann etwas mutiger.
Plötzlich machte es ein leises Knirsch. Knips hatte sich ein winziges Stückchen von der Wand gelöst! Er konnte seinen Kopf, also den Schalter selbst, ein wenig nach vorne beugen und um die Ecke spähen.
„Wow!“, flüsterte er. Die Welt sah von hier unten ganz anders aus.
Direkt unter ihm auf dem Boden bewegte sich etwas Flauschiges. Es war grau und sah aus wie ein kleiner Wollknäuel auf Abwegen.
„Psst! Wer bist du denn?“, fragte Knips neugierig.
Das flauschige Ding drehte sich um. Es hatte keine Augen, aber Knips spürte, dass es ihn ansah.
„Ich bin Staubie“, wisperte es zurück. „Ein Staubmaus-Philosoph. Ich lebe hier unter dem Bett und denke über den Sinn des Fussels nach.“
Knips kicherte. „Ein Staubmaus-Philosoph? Was ist das Dunkel? Ist es gefährlich?“
Staubie raschelte nachdenklich. „Gefährlich? Nein, kleiner Schalter. Das Dunkel ist nur anders. Es ist ruhig. Man hört Dinge, die man im Hellen nicht hört. Das leise Atmen des Kindes, das Knarren der Dielen, das Wispern des Windes draußen.“
Knips lauschte. Staubie hatte Recht. Es war viel stiller, aber nicht leer. Überall waren leise Geräusche.
Plötzlich huschte etwas Langes, Dunkles über den Boden. Es tanzte an der Wand entlang, mal lang und dünn, mal kurz und dick.
„Was ist das?“, fragte Knips erschrocken.
„Ach, das ist nur Schattenpfote“, erklärte Staubie gelassen. „Der Schatten von der Katze, die manchmal nachts durchs Haus schleicht. Er spielt gerne.“
Schattenpfote schien Knips bemerkt zu haben. Der Schatten formte sich zu einer riesigen Tatze, die spielerisch nach Knips tippte.
Knips zuckte zurück, musste dann aber lachen. Es sah lustig aus, wie der Schatten an der Wand tanzte und Faxen machte.
„Das Dunkel ist ja gar nicht unheimlich“, stellte Knips fest. „Es ist… gemütlich. Und voller kleiner Geheimnisse.“
Er blickte zum Nachtlicht hinüber. Es warf einen warmen, orangenen Schein auf das schlafende Kind und die Kuscheltiere im Bett. Es war wie eine kleine, freundliche Sonne mitten in der Nacht.
„Siehst du?“, sagte Staubie. „Das Dunkel ist nicht nur schwarz. Es hat auch seine eigenen Lichter. Sterne am Himmel, das Nachtlicht hier, manchmal sogar Glühwürmchen im Garten.“
Knips dachte nach. Er hatte immer nur das große, helle Licht gekannt. Aber dieses sanfte, ruhige Dunkel mit seinen kleinen Lichtpunkten und den leisen Geräuschen gefiel ihm auch.
Er unterhielt sich noch eine Weile mit Staubie über Staubflocken und Traumschnipsel. Er sah Schattenpfote zu, wie er versuchte, den Strahl des Nachtlichts zu fangen.
Langsam merkte Knips, wie er müde wurde. Das kleine Abenteuer war aufregend gewesen, aber sein Platz war doch an der Wand.
„Ich glaube, ich muss zurück“, sagte er zu Staubie. „Bald wird es Morgen, und dann muss ich wieder ‚Klick!‘ machen.“
„Das war schön, dich kennenzulernen, Knips“, raschelte Staubie. „Komm bald wieder ins Dunkel, wenn du magst.“
Knips drückte sich vorsichtig zurück an seinen Platz. Es machte wieder leise Knirsch, und er saß fest.
Er schloss die Augen und lauschte noch einmal den Geräuschen der Nacht. Dem Atmen des Kindes, dem Rascheln von Staubie, dem fernen Miauen der echten Katze, deren Schatten gerade verschwunden war.
Jetzt verstand er das Dunkel viel besser. Es war keine Leere, sondern ein Raum voller Ruhe und kleiner Wunder.
Als am Morgen eine Hand kam und auf seinen Bauch drückte, machte Knips freudig ‚Klick!‘. Das Zimmer wurde hell, und ein neuer Tag begann.
Aber Knips war nicht mehr derselbe. Er freute sich jetzt nicht nur auf das Licht, sondern auch auf das nächste ‚Klack!‘. Denn er wusste: Auch im Dunkeln gab es viel Schönes zu entdecken.
Und manchmal, wenn er ganz leise war, glaubte er, ein freundliches Rascheln von unter dem Bett zu hören. Ein Gruß von Staubie, dem Staubmaus-Philosophen.