
Die rasend schnelle Schnecke Trudel sucht verzweifelt eine Bremse im Garten. Eine lustige Reise voller kurioser Ratschläge beginnt.
Trudel war keine gewöhnliche Schnecke.
Oh nein, ganz und gar nicht.
Während ihre Schneckenfreunde gemütlich über Blätter schlichen und Stunden brauchten, um von einem Gänseblümchen zum nächsten zu gelangen, war Trudel… schnell.
Richtig schnell.
So schnell, dass die Tautropfen nur so von ihrem Häuschen spritzten, wenn sie morgens loslegte.
Manchmal, wenn sie besonders gut drauf war, zog sie sogar eine winzige Schleimspur-Wolke hinter sich her.
Das Problem war nur: Trudel hatte keine Bremse.
Keine Ahnung, wie man anhält.
Wenn sie einmal in Fahrt war, dann schlitterte sie oft viel weiter, als sie eigentlich wollte.
Schon unzählige Male war sie an ihrem Lieblings-Kleeblatt vorbeigeschossen und erst an der alten Gießkanne zum Stehen gekommen.
Oder sie wollte nur kurz Hallo zur dicken Hummel Helga sagen und rutschte prompt bis in den Komposthaufen.
„Das kann doch so nicht weitergehen!“, murmelte Trudel eines Morgens, nachdem sie wieder einmal unsanft gegen einen Stein gestoßen war.
„Ich brauche eine Bremse! Unbedingt!“
Entschlossen reckte sie ihre Fühler in die Luft und beschloss, sich auf die Suche zu machen.
Irgendwo im großen Garten musste es doch so etwas wie eine Schneckenbremse geben!
Mit Schwung setzte sie sich in Bewegung – Pffft! – und sauste los.
Ihr erster Stopp – naja, eher ein Vorbeischlittern – war bei Bert, dem Regenwurm.
Bert war gerade dabei, sich sehr langsam durch die Erde zu wühlen.
„Hallo Bert!“, rief Trudel im Vorbeizischen.
Bert hob kaum merklich den Kopf. „Guten… Morgen… Trudel… Wohin… so… eilig?“
„Ich suche eine Bremse!“, erklärte Trudel, während sie versuchte, einen kleinen Bogen zu fahren, um wieder bei Bert zu landen.
Das gelang ihr nur so halb, und sie rutschte in ein feuchtes Erdloch.
Bert dachte lange nach. Seine Stirn, oder das, was bei einem Regenwurm eine Stirn sein könnte, legte sich in Falten.
„Eine… Bremse…“, murmelte er. „Vielleicht… musst… du… ganz… fest… ans… Anhalten… denken?“
Trudel kroch aus dem Loch. „Ans Anhalten denken? Meinst du, das hilft?“
Sie konzentrierte sich. Sie dachte an Stillstand. An Baumwurzeln. An schlafende Igel.
Nichts.
Sobald sie sich bewegte, war sie wieder schnell.
„Danke, Bert! Ich versuch’s weiter!“, rief sie und sauste davon, bevor Bert überhaupt „Gern… geschehen…“ murmeln konnte.
Ihr nächstes Ziel war die Blumenwiese, wo Frida, die Biene, geschäftig von Blüte zu Blüte summte.
Trudel schoss wie ein kleiner Komet über die Wiese.
„Achtung!“, summte Frida erschrocken und machte einen eleganten Looping in der Luft, um nicht mit der rasenden Schnecke zusammenzustoßen.
„Entschuldige, Frida!“, keuchte Trudel, die auf einem Gänseblümchen gelandet war und nun wie auf einem Karussell hin und her wackelte.
„Ich suche eine Bremse! Hast du eine Idee?“
Frida setzte sich kurz auf ein Blatt und putzte ihre Fühler.
„Eine Bremse? Hmmm… Vielleicht musst du einfach NOCH schneller werden?“, summte sie aufgeregt.
„Manchmal, wenn ich ganz schnell fliege, kann ich eine scharfe Kurve machen und dann… bin ich woanders! Vielleicht bremst dich das?“
Trudel war skeptisch. Noch schneller? Aber sie wollte ja langsamer werden!
Aber Frida klang so überzeugt.
„Na gut, ich probier’s!“, sagte Trudel, holte tief Luft und gab Gas.
Sie wurde so schnell, dass die Grashalme sich bogen. Sie versuchte eine Kurve… und landete prompt im kleinen Gartenteich.
Platsch!
Zum Glück konnte sie sich an einem Seerosenblatt festhalten.
„Das war wohl nichts!“, prustete sie und zog sich ans Ufer.
Etwas entmutigt schlich sie weiter – naja, schlich ist übertrieben, sie rutschte eher.
Da hüpfte Gustav, der Grashüpfer, gut gelaunt vorbei.
„Hoppla, Trudel! Was ist los? Du siehst ja aus wie ein begossener Pudel… äh, eine begossene Schnecke!“, zirpte er lachend.
„Ich suche eine Bremse“, seufzte Trudel. „Aber nichts funktioniert.“
Gustav machte einen besonders hohen Sprung.
„Bremsen? Ganz einfach! Du musst springen!“, riet er. „Wenn du hoch genug springst, landest du sanft und bleibst stehen. So mache ich das immer! Hüpf!“
Springen? Eine Schnecke?
Trudel zog skeptisch einen Fühler hoch.
Aber Gustav hüpfte schon wieder fröhlich davon.
„Na schön…“, murmelte Trudel. Sie nahm allen Mut zusammen, spannte ihre winzigen Schneckenmuskeln an und versuchte einen kleinen Hüpfer.
Es war mehr ein Wackeln und Ruckeln, und statt sanft zu landen, kullerte sie einen kleinen Abhang hinunter und blieb erst in einem weichen Moospolster liegen.
Sie landete so weich, dass sie fast darin versank.
Und dann… blieb sie stehen.
Einfach so.
Sie bewegte sich nicht weiter.
Sie war gebremst!
Verwundert schaute Trudel sich um. Das Moos war weich und federnd.
Sie versuchte, wieder loszurutschen, aber auf dem Moos ging das gar nicht so gut. Es bremste sie ganz natürlich ab.
„Das ist es!“, jubelte Trudel leise. „Ich brauche keine komische Maschine oder verrückte Tricks! Ich brauche nur weiches Moos!“
Sie kuschelte sich tiefer in das Polster.
Von nun an wusste Trudel, was zu tun war. Wenn sie merkte, dass sie zu schnell wurde oder anhalten wollte, suchte sie sich einfach ein schönes, weiches Moosfleckchen oder ein großes, saftiges Blatt.
Sie war immer noch die schnellste Schnecke im Garten, aber jetzt konnte sie auch elegant anhalten – meistens jedenfalls.
Zufrieden gähnte Trudel in ihrem Moosbett.
Die Suche nach der Bremse war anstrengend gewesen.
Sie rollte sich in ihrem Häuschen zusammen, das sanft im Moos wippte.
Endlich konnte sie anhalten, wann und wo sie wollte.
Und das war ein sehr beruhigendes Gefühl.
Schlaf gut, kleine Turbo-Trudel.