
Ella Elefant kann nicht laut tröten, entdeckt aber, dass ihre sanften Puster magische Schäfchenwolken in den Nachthimmel zaubern können.
Tief in der weiten, warmen Savanne, wo die Akazienbäume wie riesige grüne Schirme in den Himmel ragten, lebte ein kleines Elefantenmädchen namens Ella.
Ella war ein ganz besonderer Elefant.
Nicht, weil sie die Größte war oder die Stärkste.
Nein, Ella war besonders, weil sie anders trötete als alle anderen Elefanten in ihrer Herde.
Wenn ihr Papa, der mächtige Elefantenbulle Gustav, trötete, dann klang das wie eine riesige Tuba, die durch die ganze Savanne schallte.
TRÖÖÖÖÖÖÖÖT!
Wenn ihre Mama Mathilda trötete, war es ein hoher, klarer Ton, der die Vögel in den Bäumen zum Zwitschern brachte.
Tröööt!
Und wenn Ellas großer Bruder Emil übte, klang es manchmal noch ein bisschen quietschig, aber trotzdem schon richtig laut.
Tröö-ieet!
Aber Ella?
Wenn Ella versuchte zu tröten, kam nur ein sanftes, leises Geräusch heraus.
Ein bisschen wie ein Windhauch durch trockene Gräser.
Puff.
Manchmal auch nur ein ganz feines…
…pust.
Die anderen jungen Elefanten fanden das manchmal komisch.
„Ella kann ja gar nicht richtig tröten!“, kicherte Elmar, der immer alles am besten konnte.
„Hört mal, sie pustet ja nur!“, rief Edda und machte es nach: „Puff, puff!“
Ella senkte dann oft traurig ihren Rüssel und schaute auf ihre großen Elefantenfüße.
Sie wünschte sich so sehr, auch einmal richtig laut tröten zu können.
Einmal, um die frechen Affen zu erschrecken, die immer ihre Ohren kitzelten.
Oder um Mama zu rufen, wenn sie sich beim Spielen zu weit entfernt hatte.
Aber es half nichts. Immer kam nur dieses leise „Puff“.
Eines Abends, als der Mond wie eine riesige, silberne Melone am Himmel hing und die Sterne wie Diamanten funkelten, konnte Ella einfach nicht einschlafen.
Ihre ganze Familie schlief schon tief und fest.
Papa Gustav schnarchte leise wie ein sanftes Erdbeben, und Mama Mathilda atmete ruhig neben ihr.
Aber Ella war hellwach.
Ihre Gedanken drehten sich im Kreis.
Warum konnte sie nicht so sein wie die anderen?
Leise, ganz leise, stand sie auf und tapste aus dem schützenden Kreis ihrer Familie hinaus.
Die Savanne war nachts ganz anders.
Still und geheimnisvoll.
Die Schatten der Bäume tanzten im Mondlicht, und irgendwo zirpte eine Grille ihr Schlaflied.
Ella fühlte sich ein bisschen unruhig.
Sie atmete tief ein und ließ die Luft wieder heraus.
Puff.
Der kleine Luftstoß wirbelte ein bisschen Staub vor ihren Füßen auf.
Der Staub tanzte im Mondlicht wie winzige Glühwürmchen.
Ella schaute neugierig.
Sie ging zu einem Busch, an dem trockene Blätter hingen.
Sie holte tief Luft und pustete vorsichtig.
Puff!
Die Blätter raschelten leise und ein paar lösten sich und segelten wie kleine Boote durch die Luft.
Das sah lustig aus.
Ella kicherte leise.
Sie entdeckte eine Pflanze mit vielen flauschigen, weißen Samenständen, fast wie Wattebäusche.
Sie kannte diese Pflanze. Mama nannte sie „Wollgras“.
Ella stupste vorsichtig mit ihrem Rüssel dagegen.
Nichts passierte.
Dann erinnerte sie sich an ihr Pusten.
Sie nahm einen tiefen Atemzug, spitzte ihren Rüssel und pustete ganz sanft gegen einen der Wattebäusche.
Puuuuufffffff.
Und dann geschah etwas Wundervolles!
Nicht nur ein paar Samen lösten sich, nein, Dutzende von winzigen, weißen Flöckchen schwebten auf einmal in die Luft.
Sie sahen aus wie winzig kleine Schäfchen, die im Mondlicht tanzten.
Sie schwebten langsam nach oben, immer höher und höher, getragen von Ellas sanftem Puster.
„Oh!“, flüsterte Ella und ihre Augen wurden groß.
Das war ja zauberhaft!
Sie pustete noch einmal, diesmal gegen einen anderen Samenstand.
Puff!
Und wieder stieg eine kleine Wolke aus tanzenden Schäfchen in den Nachthimmel auf.
Ella wurde ganz aufgeregt.
Sie lief von einem Wollgrasbusch zum nächsten und pustete und pustete.
Puff! Puff! Puuuufffffff!
Bald war die Luft um sie herum erfüllt von Hunderten dieser kleinen, leuchtenden Schäfchenwolken.
Sie drehten sich, tanzten und schwebten langsam davon, wie winzige Träume auf dem Weg zu den Sternen.
Ella war so beschäftigt mit ihrem Wolkenpusten, dass sie gar nicht bemerkte, wie sich jemand näherte.
„Huchu, was für ein schönes Schauspiel, junge Ella.“
Ella zuckte zusammen.
Auf einem nahen Ast saß Professor Uhu, die weiseste Eule der ganzen Savanne.
Seine großen Augen leuchteten im Dunkeln.
„Oh, Professor Uhu“, stammelte Ella, „ich… ich wollte nur… ich konnte nicht schlafen.“
Der Professor nickte langsam.
„Ich sehe. Du kannst nicht laut tröten, habe ich recht?“
Ella senkte den Kopf. „Nein. Ich kann nur… pusten.“
Professor Uhu lächelte weise, was bei Eulen immer ein bisschen streng aussieht.
„Manchmal, liebe Ella“, sagte er mit seiner tiefen Stimme, „sind die leisesten Töne die zauberhaftesten.“
Er deutete mit einem Flügel auf die schwebenden Schäfchenwolken.
„Siehst du das? Das ist keine Schwäche, das ist eine Gabe. Du pustest keine einfache Luft. Du pustest Schäfchenwolken in den Himmel.“
Ella schaute erstaunt.
„Schäfchenwolken?“
„Ja“, sagte Professor Uhu. „Man sagt, diese kleinen Wolken tragen die sanftesten Träume und die leisesten Wünsche durch die Nacht. Sie helfen den Kleinen beim Einschlafen und bringen Ruhe in die Welt.“
Ella spürte, wie ihr Herz einen kleinen Hüpfer machte.
Ihre Puster waren nicht nutzlos?
Sie waren… magisch?
„Wirklich?“, fragte sie leise.
„Ganz gewiss“, bestätigte der Professor. „Nicht jeder Elefant muss laut tröten können, um wichtig zu sein. Manche Elefanten haben eben andere Talente. Du bist eine Wolkenpusterin, Ella. Eine sehr seltene und wertvolle Gabe.“
Ella schaute zu den Sternen auf, wo ihre kleinen Schäfchenwolken langsam verblassten.
Ein warmes, glückliches Gefühl breitete sich in ihr aus.
Sie war nicht komisch. Sie war besonders.
Sie bedankte sich leise beim Professor und tapste langsam zurück zu ihrer schlafenden Familie.
Sie kuschelte sich dicht an Mama Mathilda.
Sie war immer noch der leiseste Elefant in der Herde.
Aber das machte jetzt nichts mehr.
Sie schloss die Augen, atmete tief ein und pustete einen letzten, winzigen Hauch Luft aus.
Puff.
Vielleicht, dachte sie schläfrig, flog gerade jetzt ein klitzekleines Schäfchenwölkchen mit einem süßen Traum zum Mond hinauf.
Und mit diesem Gedanken schlief Ella Elefant, die Wolkenpusterin, endlich glücklich und zufrieden ein.