Ferdinand Faultier und der Langsam-ins-Bett-Wettbewerb

Ferdinand Faultier und der Langsam-ins-Bett-Wettbewerb

Faultier Ferdinand ist viel zu schnell! Kann er den Langsam-ins-Bett-Wettbewerb gewinnen und das Geheimnis der Gemütlichkeit entdecken?

Tief im Dschungel, wo die Lianen wie grüne Spaghetti von den Bäumen hingen, lebte ein Faultier namens Ferdinand. Nun, Faultiere sind ja bekannt dafür, dass sie die Dinge gemütlich angehen. Sehr gemütlich. Aber Ferdinand? Ferdinand war anders. Er war das wahrscheinlich schnellste Faultier des gesamten Kontinents. Wo andere Faultiere Stunden brauchten, um einen Ast zu wechseln, sauste Ferdinand in gefühlten Sekunden hinüber. Seine Morgengymnastik – ein blitzschnelles Strecken und Gähnen – war vorbei, bevor die Tukane überhaupt „Guten Morgen“ krächzen konnten. Seine Freunde schüttelten oft verwundert die Köpfe. „Ferdinand, mein Bester“, sagte Barnabas, der bedächtige Brillenbär, „du solltest mal einen Gang runterschalten. Das ist ja nicht gesund für ein Faultier!“ Ferdinand lachte nur sein schnelles Kicherlachen. „Ach was, Barnabas! Wer rastet, der rostet! Oder so ähnlich.“ Eines Abends, als die Sonne wie eine müde Orange hinter den Baumkronen versank, verkündeten die weisen alten Eulen, Huberta und Herbert, den alljährlichen „Langsam-ins-Bett-Wettbewerb“. „Ohooo! Ohooo!“, rief Huberta mit ihrer tiefen Stimme. „Wer dieses Jahr die langsamste, gemütlichste, aller-aller-langsamste Zubettgeh-Routine vorführt, gewinnt…“ „…das flauschigste Mooskissen des Dschungels!“, ergänzte Herbert feierlich. Ein Raunen ging durch die versammelte Tierwelt. Ein Mooskissen! So weich, dass man darauf träumte, auf Wolken zu schweben! Ferdinand spitzte die Ohren. Langsam sein? Das konnte ja nicht so schwer sein. Er war schließlich ein Faultier! Das musste er doch im Blut haben. „Ich mache mit!“, rief er und sauste – zack! – zur Anmeldeliste, schneller als Karla Kolibri, die vor Schreck fast ihren Nektar verschüttete. Der Wettbewerb begann am nächsten Abend. Die Regeln waren einfach: Wer am längsten brauchte, um sich bettfertig zu machen und die Augen zu schließen, gewann. Die Teilnehmer waren eine bunte Mischung. Da war Karla Kolibri, die schon beim Gedanken ans Langsamsein nervös mit den Flügeln schwirrte. Gustav Gürteltier, der sich bei der kleinsten Aufregung sofort zur Kugel zusammenrollte – was nicht gerade langsam war. Penelope Papagei, die einfach nicht aufhören konnte zu plappern. Und Wanda Waschbär, deren Augen ständig nach glitzernden Dingen Ausschau hielten. Ferdinand war als Erster dran. Er nahm sich fest vor: Langsam sein. Gaaanz langsam. Er griff nach seiner Zahnbürste aus speziellem Rindenholz. „So“, murmelte er. „Gaaanz laaangsaaa…“ Schrubb-schrubb-schrubb-zack-fertig! In Rekordzeit waren seine Zähne blitzblank. Ferdinand seufzte. Das war wohl nichts. Nächster Versuch: Schlafanzug anziehen. Ein großes, weiches Bananenblatt. Er nahm das Blatt. Konzentrierte sich. Bewegte den Arm in Zeitlupe. Raschel-zupf-schwupps! Er steckte im Blatt. „Mist!“, murmelte Ferdinand. Warum war das so schwer? Karla Kolibri versuchte es als Nächste. Sie wollte ganz langsam zu ihrem Nest schweben. Sie holte tief Luft, schlug vorsichtig mit den Flügeln… Schwirrrrr… und schoss wie ein Pfeil davon. „Ich kann nicht!“, piepste sie aus der Ferne. Gustav Gürteltier wollte sich langsam in sein Blätterbett legen. Er machte einen Schritt… noch einen… da knackte ein Zweig! Klack! Gustav war eine perfekte Kugel. „Schon wieder!“, quiekte er gedämpft von innen. Penelope Papagei sollte ein Schlaflied summen. Ganz leise und langsam. Sie fing an: „Schlaaaaaf, Kindlein, schlaaaaaf… HAST DU GEHÖRT, WAS DER AFFE GERTRUD HEUTE…“ Sie plapperte und plapperte. Wanda Waschbär kam gar nicht erst zum Versuch. Sie entdeckte einen Tautropfen, der im Mondlicht glitzerte, und war sofort abgelenkt. Ferdinand beobachtete das alles. Er sah, wie langsam der Mond über den Himmel zog. Wie gemächlich eine Ranke am Baum emporwuchs. Wie still das Moos auf dem Boden lag. „Vielleicht“, dachte er, „geht es gar nicht darum, sich krampfhaft langsam zu bewegen. Vielleicht geht es darum, ruhig zu werden. Ganz ruhig.“ Er war wieder an der Reihe. Diesmal versuchte er es anders. Er schloss die Augen. Atmete tief ein und aus. Spürte die kühle Abendluft auf seiner Nase. Er dachte nicht ans Gewinnen. Er dachte nicht ans Langsamsein. Er dachte einfach… an nichts. Er griff nach einem saftigen Blatt für seinen Abendimbiss. Er kaute. Einmal. Zweimal. Dreimal. Genüsslich. Jeder Bissen dauerte eine kleine Ewigkeit. Dann kletterte er zu seiner Hängematte. Nicht schnell. Nicht langsam. Einfach nur… Schritt für Schritt. Kralle für Kralle. Er legte sich hinein. Spürte, wie die Matte sanft schwankte. Er zog sich seine Blätterdecke heran. Faden für Faden, so fühlte es sich an. Er lauschte den Geräuschen des Dschungels. Dem Zirpen der Grillen, dem leisen Rauschen der Blätter. Er gähnte. Ein langes, tiefes, wunderbar entspanntes Gähnen. Dann schloss er die Augen. Millimeter für Millimeter. Es wurde ganz still. Huberta und Herbert, die Eulen-Richter, nickten sich beeindruckt zu. „Ohooo!“, sagte Huberta leise. „Das… das war wahre Langsamkeit.“ „Die Langsamkeit des Herzens“, flüsterte Herbert. Am nächsten Morgen wurde Ferdinand vom sanften Sonnenlicht geweckt. Neben seiner Hängematte lag es: das flauschigste, weichste Mooskissen des Dschungels! Er hatte gewonnen! Aber das war gar nicht das Wichtigste. Ferdinand reckte sich – ganz gemütlich. Er gähnte – ausgiebig. Er hatte entdeckt, wie schön es sein konnte, nicht immer der Schnellste zu sein. Er hatte die Freude an der Langsamkeit gefunden. Von diesem Tag an war Ferdinand immer noch ein flinkes Faultier, wenn er wollte. Aber abends, wenn es Zeit war, ins Bett zu gehen, da nahm er sich Zeit. Ganz viel Zeit. Er kuschelte sich in sein Mooskissen, lauschte dem Dschungel und schlief tief und friedlich ein. Manchmal, so sagen die anderen Tiere, konnte man ihn sogar ganz leise und langsam… schnarchen hören.