
Der kleine Dachs Finn will partout nicht schlafen und meckert über alles, bis ein geheimnisvolles, müdes Murren seine Neugier weckt.
Finn, der kleine Dachs, war ein Weltmeister im Trotzköpfchen sein. Besonders abends, wenn die Sonne längst hinter den Hügeln verschwunden war und der Mond wie eine silberne Mandarine am Himmel hing.
„Zeit fürs Bettchen, mein kleiner Brummbär“, sagte Mama Dachs mit ihrer sanften Stimme und stupste Finn liebevoll mit der Nase an.
Finn verschränkte die kurzen Ärmchen vor der Brust. „Nö!“, brummte er. Seine Schnauze zog sich zu einem beeindruckenden Knautschgesicht zusammen.
„Aber Finn“, seufzte Papa Dachs, der gerade dabei war, das Moosbettchen aufzulockern. „Alle kleinen Dachse müssen jetzt schlafen gehen, damit sie morgen wieder fit für neue Abenteuer sind.“
„Ich will aber keine Abenteuer!“, protestierte Finn. „Ich will… ich will…“ Er überlegte angestrengt. „Ich will wach bleiben und Käfer zählen!“
Mama Dachs schmunzelte. „Die Käfer schlafen jetzt auch schon, mein Schatz.“
„Dann zähle ich eben die Sterne!“, verkündete Finn trotzig.
„Die kannst du auch morgen noch zählen“, sagte Papa Dachs geduldig und hob Finn hoch, um ihn ins Bett zu tragen.
„Ich will nicht! Das Kissen ist zu klumpig! Und die Decke kratzt! Und der Mond scheint mir direkt ins Gesicht!“
Seine Eltern tauschten einen müden Blick. Das kannten sie schon. Finn konnte manchmal ein richtiger kleiner Griesgram sein, besonders wenn er müde war – was er natürlich niemals zugeben würde.
Sie deckten ihn trotzdem liebevoll zu. Mama Dachs gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Versuch einfach, die Augen zuzumachen. Vielleicht kommt ja ein schöner Traum vorbei.“
Papa Dachs summte noch ein leises Schlaflied, eine Melodie, die nach Moos und warmem Waldboden klang.
Aber Finn dachte gar nicht daran, die Augen zu schließen. Er starrte mit zusammengekniffenen Augen zur Decke des gemütlichen Dachsbaus. Alles war doof. Schlafen war doof. Kissen waren doof. Nur Wachbleiben war gut.
Er lauschte den Geräuschen des Waldes. Das leise Rascheln der Blätter im Wind, das ferne Rufen einer Eule. Alles wie immer.
Doch dann… war da noch etwas anderes.
Ein ganz leises, tiefes Geräusch. Es klang wie… ein Murren. Ein müdes, grummeliges Murren.
„Mürrrr… mürrrr…“
Finn spitzte die Ohren. Das war kein Käfer und auch keine Eule. Das klang… seltsam.
Er hielt die Luft an und lauschte angestrengt. Da war es wieder!
„Mürrrr… mürrrr…“
Es kam irgendwo aus der Nähe. Aus seinem Zimmer!
Finns Trotz war plötzlich wie weggeblasen. Stattdessen machte sich Neugier breit. Was war das nur?
Er schob vorsichtig die Decke beiseite. Seine kleinen Dachsfüße tapsen lautlos auf den kühlen Erdboden. Er schaute unter sein Bett. Nichts. Nur ein vergessener Tannenzapfen und ein bisschen Staub.
Er schlich zur Tür und spähte in den Gang hinaus. Mama und Papa saßen im Wohnbereich und unterhielten sich leise. Von dort kam das Geräusch nicht.
„Mürrrr… mürrrr…“
Es war wieder da! Diesmal klang es, als käme es direkt von der Wand neben seinem Bett.
Finn ging zurück und legte sein Ohr an die kühle Erde der Wand. Ja! Hier war es lauter!
Er schaute sich um. Neben seinem Bett lag ein kleiner Haufen trockener Blätter, den er am Nachmittag zum Spielen gesammelt hatte.
Und genau aus diesem Blätterhaufen kam das müde Murren!
„Mürrrr… mürrrr…“
Finn stupste vorsichtig mit der Nase gegen die Blätter. Sie raschelten leise.
Plötzlich bewegte sich etwas unter dem Laub. Ein winziges, pelziges Knäuel rollte hervor und blinzelte Finn verschlafen an.
Es war ein Siebenschläfer, kaum größer als Finns Pfote, mit einem buschigen Schwanz und winzigen Knopfaugen, die ihn vorwurfsvoll anstarrten.
„Kann man denn hier nirgendwo seine Ruhe haben?“, piepste der Siebenschläfer mit einer erstaunlich tiefen, brummigen Stimme für so ein kleines Tier. „Erst dieser Lärm mit dem Hin- und Hergelaufe, und jetzt stupst man mich auch noch an!“
„Mürrrr… mürrrr…“, machte der Siebenschläfer wieder und gähnte herzhaft, wobei man sein winziges, rosafarbenes Mäulchen sehen konnte.
Finn war so überrascht, dass er für einen Moment vergaß, selbst trotzig zu sein. „Du… du warst das? Du hast so gemurrt?“
Der Siebenschläfer, der sich Schlafmütz nannte, nickte unwirsch. „Natürlich war ich das! Ich versuche hier, meinen Winterschlaf-Vorschlaf zu halten. Das ist sehr wichtig für einen ordentlichen Siebenschläfer. Aber bei dem Getrampel und Gebrummel von dir kann ja keiner schlafen!“
Finn musste kichern. Dieser kleine Kerl war ja noch viel grummeliger als er selbst!
„Ich hab gar nicht gebrummelt!“, verteidigte sich Finn, obwohl er wusste, dass das nicht ganz stimmte.
„Ha! Nicht gebrummelt?“, spottete Schlafmütz. „Klang aber ganz danach. ‚Das Kissen ist zu klumpig! Die Decke kratzt! Mimimi!‘“ Der kleine Siebenschläfer machte Finn mit hoher Piepsstimme nach.
Jetzt musste Finn richtig lachen. Es klang wirklich zu komisch, wie der winzige Schlafmütz seine Beschwerden nachahmte.
„Na gut“, gab Finn zu. „Vielleicht war ich ein bisschen schlecht gelaunt.“
„Ein bisschen?“, murrte Schlafmütz. „Du bist ja ein richtiger kleiner Stinkstiefel. Aber jetzt sei leise. Ich bin müüüüde.“ Er gähnte wieder, so weit, dass Finn dachte, er würde gleich umfallen.
Finn betrachtete den kleinen Siebenschläfer. Er sah wirklich unglaublich müde aus. Viel müder, als Finn sich fühlte.
„Ist dein Blätterhaufen denn bequem?“, fragte Finn etwas freundlicher.
Schlafmütz zuckte mit den winzigen Schultern. „Geht so. Ein bisschen zugig vielleicht.“ Er kuschelte sich tiefer in die Blätter. „Mürrrr…“
Finn überlegte kurz. Dann hatte er eine Idee. Er tapste zu seinem Bett und zupfte vorsichtig ein besonders weiches Stück Moos von seinem Kissen.
„Hier“, sagte er und legte das Moosstückchen neben den Siebenschläfer. „Das ist viel weicher. Und nicht klumpig.“
Schlafmütz blinzelte. Er stupste das Moos misstrauisch mit der Nase an. Dann kuschelte er sich hinein.
„Ooooh“, seufzte er wohlig. „Das… das ist gut. Danke, kleiner… äh… Stinkstiefel.“
Finn grinste. „Ich heiße Finn.“
„Schön für dich“, murmelte Schlafmütz schon halb im Schlaf. „Ich bin jetzt weg. Weck mich nicht vor dem Frühling.“
Und kaum hatte er das gesagt, rollte er sich auf dem Moos zusammen, sein leises „Mürrrr… mürrrr…“ wurde zu einem sanften, regelmäßigen Schnarchen.
Finn beobachtete den schlafenden Siebenschläfer. Er sah so friedlich aus. Und so unglaublich müde.
Plötzlich spürte Finn selbst ein Kribbeln hinter den Augen. Ein großes, tiefes Gähnen kam aus seinem eigenen Maul. Hoppla.
Er schaute zu seinem Bett. Das Kissen sah auf einmal gar nicht mehr so klumpig aus. Und die Decke wirkte weich und einladend.
Leise tapste Finn zurück zu seinem Bett und schlüpfte unter die Decke. Sie kratzte gar nicht. Sie war warm und kuschelig.
Er schloss die Augen. Das Mondlicht, das durch einen Spalt fiel, war eigentlich ganz schön. Es malte silbrige Muster an die Wand.
Aus der Ecke hörte er das leise Schnarchen von Schlafmütz. Es war ein beruhigendes Geräusch.
Als Mama und Papa Dachs wenig später noch einmal nach ihm sahen, lag Finn tief und fest schlafend in seinem Bettchen. Ein kleines Lächeln spielte um seine Schnauze.
Der kleine Trotzkopf hatte sein müdes Murren gefunden – und dabei seine eigene Müdigkeit entdeckt. Und das war, wie sich herausstellte, gar nicht so doof.