Finn Fuchs lauscht dem Gähnen des Waldes

Finn Fuchs lauscht dem Gähnen des Waldes

Der neugierige Fuchs Finn kann nicht schlafen. Ein seltsames Geräusch hält ihn wach. Ist es das Gähnen des Waldes? Eine Gute-Nacht-Geschichte.

Finn Fuchs, ein kleiner Kerl mit einem Fell so rot wie Herbstlaub und einer Schwanzspitze weiß wie der erste Schnee, konnte einfach nicht einschlafen.

Er lag in seiner kuscheligen Höhle, tief unter den Wurzeln einer alten Eiche.

Mama Fuchs hatte ihm schon die Ohren gekrault und die allerschönste Gute-Nacht-Geschichte von mutigen Mäusen und schläfrigen Sternen erzählt.

Aber Finn war hellwach.

Seine Ohren zuckten.

Da war es wieder!

Ein Geräusch.

Ein tiefes, langgezogenes… Haaaaaaaach.

Es klang ein bisschen so, als würde jemand gähnen.

Aber nicht irgendein Gähnen.

Es war ein riesiges, waldfüllendes Gähnen.

„Mama?“, flüsterte Finn und stupste seine schlafende Mutter sanft mit der Nase an.

Mama Fuchs blinzelte verschlafen.

„Was ist denn, mein kleiner Schatz?“

„Hörst du das auch?“, fragte Finn aufgeregt.

„Dieses… Gähnen?“

Mama Fuchs lauschte einen Moment, die Augen halb geschlossen.

Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.

„Ach, das“, murmelte sie schläfrig.

„Das ist nur der Wald, der gähnt. Er macht sich bettfertig, genau wie du.“

Finn runzelte die Stirn.

Der Wald gähnt?

Wälder konnten doch nicht gähnen! Oder?

Wälder hatten doch keinen Mund.

„Aber Mama, wie kann ein Wald denn gähnen?“, fragte er voller Neugier.

Mama Fuchs zog ihn näher zu sich.

„Das ist ein altes Waldgeheimnis“, flüsterte sie.

„Wenn alle Bäume müde werden und die Tiere sich in ihre Verstecke kuscheln, dann atmet der Wald einmal tief durch. Und das klingt wie ein großes, zufriedenes Gähnen. Schlaf jetzt, Finnlein.“

Sie schloss wieder die Augen und war bald eingeschlafen.

Finn aber war jetzt erst recht neugierig.

Der gähnende Wald!

Das musste er sich genauer anhören.

Ganz leise, auf weichen Pfoten, schlich er aus der warmen Höhle hinaus in die kühle Nachtluft.

Der Mond hing wie eine silberne Scheibe am Himmel und tauchte den Wald in ein geheimnisvolles Licht.

Und da war es wieder!

Haaaaaaaaach.

Es schien von überall und nirgendwoher zu kommen.

Finn spitzte die Ohren und folgte dem Geräusch.

Er schlich vorbei an einem dicken Dachsbau.

Meister Grimmbart, der Dachs, schaufelte gerade mit seinen kräftigen Pfoten noch ein wenig Erde vor seinen Eingang.

„Guten Abend, Meister Grimmbart!“, flüsterte Finn.

„Haben Sie vielleicht auch dieses Gähnen gehört?“

Der Dachs brummte, ohne aufzusehen.

„Gähnen? Ach was. Das ist nur der Wind, der durch die alten Kiefern streicht. Bringt mir meine wohlverdiente Ruhe durcheinander. Husch, husch, kleiner Fuchs, ab ins Bett mit dir!“

Finn trottete weiter.

Der Wind? Nein, das klang anders.

Viel tiefer. Viel… gemütlicher.

Er kam zu einer Lichtung, auf der eine alte Eule auf einem Ast saß.

Ihre großen, runden Augen leuchteten im Mondlicht.

„Frau Eule, weise Frau Eule!“, rief Finn leise.

„Sagen Sie mir, was ist das für ein Geräusch? Dieses lange Haaaaach?“

Die Eule drehte langsam ihren Kopf.

„Schuhu“, sagte sie mit ihrer sanften Stimme.

„Manche sagen, es ist der Seufzer der Nacht, wenn sie den Tag in den Schlaf wiegt. Andere sagen, es ist das Murmeln des Baches, der seine müden Steine zählt. Hör genau hin, kleiner Fuchs.“

Finn lauschte.

Er hörte den Wind in den Blättern rascheln.

Er hörte das leise Plätschern des Baches in der Ferne.

Er hörte das Knacken eines Zweiges, als sich irgendwo ein Reh zur Ruhe legte.

Er hörte das leise Piepsen einer Haselmaus, die schon tief schlief.

Und er hörte das tiefe Haaaaach.

Es war alles zusammen!

Es war der Wind.

Und der Bach.

Und das Rascheln und Knacken.

Und das leise Atmen der schlafenden Tiere.

Alles zusammen klang wie ein einziges, riesiges, zufriedenes Gähnen.

Mama hatte recht gehabt.

Der Wald gähnte wirklich!

Er atmete tief durch, weil er müde war und sich auf die Nachtruhe freute.

Finn musste lächeln.

Es war gar kein unheimliches Geräusch.

Es war ein beruhigendes Geräusch.

Es war das Geräusch eines Waldes, der sich schlafen legte.

Plötzlich spürte Finn, wie auch seine eigenen Augenlider schwer wurden.

Ein kleines Gähnen entfuhr ihm selbst.

Haaaaach.

Es war Zeit, nach Hause zu gehen.

Er trabte zurück zur Höhle unter der alten Eiche.

Ganz leise schlüpfte er wieder hinein und kuschelte sich an seine warme Mama.

„Na, mein kleiner Entdecker?“, murmelte sie im Halbschlaf.

„Hast du das Gähnen gefunden?“

„Ja, Mama“, flüsterte Finn zufrieden.

„Es ist wunderschön. Es ist der ganze Wald, der müde ist.“

Er schloss die Augen und lauschte noch einmal.

Haaaaaaaach.

Das Gähnen des Waldes.

Es klang jetzt wie ein sanftes Schlaflied.

Und während der Wald draußen leise weitergähnte, schlief der kleine, neugierige Finn Fuchs endlich tief und fest ein.