Florentine Federleicht tanzt auf dem Wimpernschlag

Florentine Federleicht tanzt auf dem Wimpernschlag

Die winzige Florentine Federleicht lebt auf Leos Wimper. Neugierig erkundet sie die Welt – voller Beben (Blinzeln) und Seen (Tränen). Ein Abenteuer!

Florentine Federleicht war kein gewöhnliches Staubkorn. Oh nein, sie war viel feiner, viel zarter, fast unsichtbar für das bloße Auge.

Sie wohnte an einem ganz besonderen Ort: auf der obersten linken Wimper von Leo, einem Jungen mit Augen so blau wie Sommerkornblumen.

Für Florentine war diese Wimper ihr Zuhause, ein langer, sanft geschwungener Balkon mit Blick auf eine riesige, faszinierende Welt.

Jeden Morgen, wenn Leo blinzelte, fühlte es sich für Florentine an, als würde ihr Haus sanft schaukeln. Ein angenehmes Gefühl, wie in einer Hängematte.

Die anderen Wimpern neben ihr waren der „Dichte Wald“, durch den sie manchmal spazierte, immer vorsichtig, um nicht herunterzufallen in die unergründliche Tiefe darunter.

Der warme Lufthauch, der kam, wenn Leo ausatmete, war für sie wie eine tropische Brise.

Manchmal landete ein winziger Schlafsandkristall in der Nähe. Florentine nannte sie „Glitzersteine“ und bewunderte ihr Funkeln im Morgenlicht, das durch Leos Fenster fiel.

Aber heute war Florentine irgendwie… kribbelig.

Sie hatte schon jeden Millimeter ihres Wimpern-Balkons erkundet. Sie kannte jede Biegung, jeden kleinen Knick.

„Es muss doch mehr geben als nur den Wald und die Glitzersteine“, dachte sie bei sich. Ihr winziges Herzchen pochte vor Neugier.

Sie blickte zum äußeren Augenwinkel, den sie „Das Ende der Welt“ nannte. Dahinter begann eine unbekannte, rosafarbene Ebene – Leos Haut.

„Ich wage es“, beschloss Florentine mutig. „Heute erkunde ich das Land jenseits des Waldes!“

Sie machte einen tiefen Atemzug (so tief, wie ein Staubfeenwesen eben atmen kann) und begann ihre Reise.

Sie trippelte vorsichtig am Wimpernrand entlang, Schritt für Schritt, federleicht.

Plötzlich – RUMMS! Die Welt bebte!

Leo blinzelte heftig. Für Florentine war es ein Erdbeben der Stärke zehn!

Sie krallte sich mit aller Kraft an ihrer Wimper fest, bis das Beben aufhörte.

„Puh, das war knapp“, murmelte sie. „Abenteuer sind ganz schön wackelig.“

Sie setzte ihren Weg fort, vorbei an den kürzeren Wimpern am Rand des Waldes.

Da sah sie es: Etwas Riesiges, Rundes, mit seltsamen Linien darauf, näherte sich bedrohlich!

Es war Leos Zeigefinger, der sich müde das Auge rieb.

Für Florentine war es, als würde ein gigantisches, hautfarbenes Monster angreifen!

„Hilfe!“ Florentine quiekte und versteckte sich blitzschnell hinter der Biegung ihrer Wimper.

Das Monster zog vorbei, hinterließ aber eine Welle warmer Luft.

Florentine lugte hervor. Die Gefahr war gebannt.

Sie erreichte fast das Ende der Welt, den Augenwinkel. Die rosafarbene Ebene lag verlockend vor ihr.

Doch dann geschah etwas noch Erstaunlicheres.

Ein riesiger, dunkler Spalt tat sich direkt neben ihr auf – Leos Mund, als er herzhaft gähnte.

Florentine erstarrte. „Eine Höhle! Eine riesige, tiefe Höhle voller… Zähne?“

Ein gewaltiger Windstoß – Leos Gähnen – sog fast an ihr. Sie duckte sich tief.

Als die Höhle sich wieder schloss, atmete Florentine erleichtert auf.

Gerade als sie den letzten Schritt auf die rosafarbene Ebene wagen wollte, spürte sie etwas Nasses.

Eine einzelne, riesige Wassertropfen-Kugel bildete sich am Augenwinkel. Leo hatte beim Gähnen ein kleines Tränchen verdrückt.

Für Florentine war es ein See! Ein riesiger, salziger See, der ihr den Weg versperrte.

„Oh nein! Der Große Salzsee! Wie komme ich da nur rüber?“, überlegte sie.

Sie konnte nicht hindurchschwimmen, sie war zu leicht, sie würde davongetragen werden.

Sie musste einen Umweg machen, zurück in den Wimpernwald und über eine andere Wimper versuchen, die Ebene zu erreichen.

Doch bevor sie umkehren konnte, spürte sie ein seltsames Kribbeln in der Luft.

Die Wimpern um sie herum begannen zu vibrieren.

Ein tiefes Grollen war zu hören, das immer lauter wurde.

Leo musste niesen!

HATSCHIIIIIIII!

Für Florentine war es kein Niesen. Es war ein Orkan! Ein Wirbelsturm von unvorstellbarer Kraft!

Sie wurde von ihrer Wimper gerissen, wirbelte durch die Luft wie ein Blatt im Herbststurm.

„Huiiiiiiiii!“, rief sie, halb erschrocken, halb aufgeregt.

Sie drehte sich und drehte sich, sah die Welt – Leos Gesicht, das Zimmer – in verschwommenen Farben an sich vorbeifliegen.

Dann landete sie sanft. Wo war sie?

Sie blickte sich um. Alles war rosa und weich. Sie war mitten auf der „Vast Plains of Pink“ gelandet – Leos Wange.

Von hier aus sah alles anders aus. Die Nase war ein riesiger Berg in der Ferne. Der Mund eine schlafende Schlucht.

Ein kleiner, dunkler Punkt in der Nähe zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Es war ein winziger Leberfleck, für Florentine ein „Geheimnisvoller Hügel“.

Sie trippelte darauf zu. Vielleicht wohnte hier ja jemand?

Aber der Hügel war still. Florentine setzte sich darauf und schaute sich um.

Die Reise war aufregend gewesen. Ein bisschen zu aufregend vielleicht.

Erdbeben, Monsterfinger, Höhlen, Seen und Orkane an einem einzigen Vormittag!

Sie fühlte sich plötzlich sehr klein und ein bisschen müde.

Der Wimpern-Balkon war vielleicht nicht das Ende der Welt, aber er war gemütlich und sicher.

Langsam begann Leo, ruhiger zu atmen. Seine Augen schlossen sich ganz sanft.

Die Welt wurde still.

Florentine stand auf. Sie musste nach Hause.

Sie wanderte über die weite, rosafarbene Ebene, zurück Richtung Augenwinkel.

Es war ein langer Weg für so ein kleines Staubfeenwesen.

Endlich erreichte sie den Rand des Wimpernwaldes.

Vorsichtig kletterte sie auf die unterste Wimper und hangelte sich von einer zur nächsten, immer höher, bis sie wieder auf ihrer eigenen, vertrauten Wimper landete.

Sie kuschelte sich in eine kleine Biegung, die sich anfühlte wie ein maßgeschneidertes Bett.

Die sanfte Bewegung von Leos schlafendem Atem wiegte sie hin und her.

Florentine lächelte. Sie war eine Entdeckerin gewesen! Sie hatte das Land jenseits des Waldes gesehen.

Es war groß und manchmal beängstigend, aber auch aufregend.

Doch jetzt war es schön, wieder zu Hause zu sein, auf ihrem sicheren Wimpern-Balkon.

Sie schloss ihre winzigen Augen.

Und während Leo von Fußbällen und Eiscreme träumte, träumte Florentine Federleicht von tanzenden Glitzersteinen und sanften Erdbeben, sicher und geborgen auf dem Wimpernschlag eines schlafenden Jungen.

Gute Nacht, kleine Florentine. Gute Nacht, Leo.