
Die kleine Fliege Frieda hat Angst im Dunkeln. Mit einer verrückten Idee und viel Gesumme erschafft sie ihren eigenen Sternenhimmel an der Decke.
Frieda Fliege war eine ganz normale Stubenfliege, naja, fast normal.
Sie liebte es, tagsüber Loopings um die Deckenlampe zu drehen und auf dem warmen Fensterbrett zu dösen, die Welt durch ihre tausend Augen zu betrachten und Krümel zu inspizieren.
Aber wenn die Sonne unterging und die Schatten im Zimmer lang und länger wurden wie hungrige Finger, bekam Frieda ein ganz schön mulmiges Gefühl im Bauch.
Die Dunkelheit war ihr nicht geheuer. Überhaupt nicht.
Ihr kleines Zuhause, eine gemütliche Ecke hinter dem großen, alten Bücherregal, wurde dann zu einem Ort voller unheimlicher Geräusche und Formen, die im Hellen noch ganz harmlos aussahen.
„Puh“, seufzte Frieda und putzte nervös ihre Fühler, eine Angewohnheit, die sie immer hatte, wenn sie aufgeregt war. „Schon wieder Nacht.“
Sie kuschelte sich in ihr winziges Bettchen aus sorgfältig gesammelten Staubflusen, aber an Schlaf war nicht zu denken.
Jedes Knacken des Holzes im Regal klang wie ein Riese mit Holzbeinen, der durchs Zimmer stapfte.
Jeder leise Windhauch, der durch die Fensterritze pfiff, hörte sich an wie das Wispern eines Gespenstes.
„Ich brauche Licht!“, murmelte Frieda entschlossen in ihre sechs Beine hinein. „Nur ein ganz kleines bisschen, ein winziges Funken Hoffnung gegen die Schatten.“
Sie krabbelte vorsichtig aus ihrem weichen Bett und spähte mit ihren großen Facettenaugen um die Ecke des Bücherregals.
Draußen, durch das riesige Fenster, konnte sie den Mond sehen. Er hing am Himmel wie ein riesiger, silberner Käselaib, von dem jemand schon ein Stück abgebissen hatte.
„Vielleicht kann ich mir ein Stückchen Mondlicht stibitzen?“, überlegte sie. „Ein kleines, tragbares Stückchen?“
Voller Tatendrang flog sie zum Fensterbrett. Dort lag ein kleiner Brotkrümel, vergessen vom Abendessen der Menschen. Im blassen Mondschein leuchtete er fast golden.
„Perfekt! Das ist mein Mini-Mond!“, freute sich Frieda leise. „Den nehme ich mit in meine Ecke!“
Sie versuchte, den Krümel mit ihren zarten Beinchen zu umklammern und ihn zurück zu ihrer Ecke hinter dem Regal zu tragen.
Aber oje, der Krümel war viel schwerer und unhandlicher, als er aussah.
Patsch! Ziemlich unelegant.
Mit einem leisen, enttäuschten Klatschen landete Frieda samt Krümel auf dem weichen Teppichboden.
Der Krümel, ihr Mini-Mond, rollte prompt unter den Teppichrand und war verschwunden. Das bisschen Mondlicht war auch weg.
„Mistkäfer!“, brummte Frieda ärgerlich vor sich hin. (Das war ihr absolutes Lieblingsschimpfwort, auch wenn weit und breit kein einziger Mistkäfer zu sehen war).
Sie rappelte sich auf und schüttelte den Staub aus ihren Flügeln. Plan A war also gründlich schiefgegangen. Was nun?
Ihr Blick fiel auf die Nachttischlampe auf dem großen Tisch neben dem Bett der Menschen. Sie war natürlich aus, aber vielleicht… vielleicht gab es ja eine andere Möglichkeit?
Frieda flog hinüber und landete geschickt auf dem kleinen Kippschalter. Sie stemmte sich mit aller Kraft dagegen, drückte und schob.
Nichts passierte. Der Schalter rührte sich nicht.
Sie nahm Anlauf und hüpfte auf dem Schalter auf und ab. Zuerst ganz vorsichtig, dann immer wilder, wie auf einem winzigen Trampolin.
Klick.
Plötzlich ging ein winziges, rotes Kontrolllämpchen am Stecker der Lampe an, der in der Steckdose steckte. Es war kaum heller als ein Glühwürmchen-Popo an einem nebligen Abend.
„Na toll. Immerhin etwas“, dachte Frieda sarkastisch, aber dieses Pünktchen Licht reichte bei Weitem nicht, um die große, böse Dunkelheit zu vertreiben.
Enttäuscht ließ sie sich auf die kühle Tischplatte fallen und schaute nach oben.
Sie schaute zur Decke hoch. Sie war riesig und dunkel und schien unendlich weit weg. Wie ein großes, schwarzes Loch, das alles Licht verschluckte.
„Wenn doch nur Sterne da wären“, seufzte sie wehmütig. „So wie draußen am echten Himmel. Kleine, freundliche Lichter.“
Sterne… die funkelten und blinkten und machten die Nacht irgendwie gemütlicher und nicht ganz so erdrückend dunkel.
Und dann, in diesem Moment der Sehnsucht, hatte Frieda eine Idee. Eine verrückte, eine lustige, eine absolut typische Frieda-Fliege-Idee!
„Ich weiß! Ich summe mir die Sterne einfach selbst an die Decke!“, rief sie leise, aber ihre Stimme zitterte vor aufgeregter Erwartung.
Sie hatte keine Ahnung, ob so etwas überhaupt funktionierte, aber sie musste es einfach versuchen. Was hatte sie schon zu verlieren?
Sie flog ein kleines Stück nach oben, direkt unter die weite, dunkle Zimmerdecke.
Sie atmete tief durch (so tief eine winzige Fliege eben atmen kann, was eher ein schnelles Vibrieren ist) und begann zu summen.
Zuerst ein tiefes, ganz leises, beruhigendes „Sssssssummmmmmm“. Fast wie ein Katzen-Schnurren.
Sie schloss ihre vielen kleinen Augen und stellte sich einen winzigen, funkelnden Lichtpunkt vor, genau über ihr.
Sie summte lauter, konzentrierter, legte ihre ganze Fliegen-Seele in den Ton. „Ssssssuuuuuuuummmmmmmmmm!“
Und dann passierte es tatsächlich!
Ein winziger, leuchtender Punkt erschien an der Decke, genau dort, wo sie hinsummte! Er schwebte nicht, er klebte einfach da, als hätte sie ihn dorthin gemalt.
Er glühte sanft, nicht blendend, wie ein kleines Stückchen eingefangenes Mondlicht oder ein vergessener Glühwürmchen-Funke.
„Es klappt! Hurra! Es klappt!“, jubelte Frieda innerlich und wäre vor Freude fast gegen die Decke gedonnert. Sie fing sich gerade noch und summte sofort weiter.
Sie versuchte einen höheren, feineren Ton. „Siiiiiiiiiimmmmm!“ Wie eine winzige Geige.
Ein zweiter, etwas hellerer Punkt erschien direkt daneben. Er blinkte sogar ein ganz kleines bisschen!
Jetzt war Frieda nicht mehr zu halten. Sie war im Sternen-Summ-Fieber! Sie summte die verrücktesten Melodien, kurze, abgehackte Stakkato-Töne, lange, gezogene Klänge, die in der Stille nachhallten.
„Sum-sum-dideldum!“ – Plopp, plopp, plopp – Drei kleine Sterne erschienen in einer perfekten Reihe.
„Zzzzzzziiiiiiieeeeeehhhhh!“ – Fiuuu – Ein großer, besonders heller Stern leuchtete auf, fast wie der Polarstern.
„Bssss-bssss-bssss!“ – Klicker-klacker – Ein ganzer kleiner Sternenhaufen glitzerte plötzlich an der Decke.
Die Decke über ihr begann sich langsam mit funkelnden, tanzenden Punkten zu füllen. Es sah wunderschön aus, wie ein magischer Teppich.
Ihr Summen wurde immer lauter und fröhlicher, eine Symphonie des Lichts.
Das blieb natürlich in der stillen Nacht nicht unbemerkt.
Hinter dem schweren Vorhang am Fenster raschelte es verdächtig. Eine langbeinige Spinne namens Agathe spähte mit ihren acht wachsamen Augen neugierig hervor.
„Was ist denn hier für ein nächtlicher Lärm?“, fragte sie mit einer Stimme, die klang wie knisterndes Seidenpapier. „Kann eine anständige Spinne nicht in Ruhe auf ihr verspätetes Abendessen warten?“
„Ich summe Sterne!“, erklärte Frieda stolz, ohne ihr Konzert zu unterbrechen, und summte prompt einen weiteren funkelnden Stern direkt neben Agathes kunstvolles Netz.
Agathe blinzelte verwirrt mit allen Augen gleichzeitig. „Sterne? An der Decke? Durch Summen? Na sowas habe ich ja noch nie erlebt.“ Sie schien nicht wirklich böse zu sein, nur sehr, sehr verwundert.
Da krabbelte plötzlich ein dicker, glänzend schwarzer Käfer unter dem Schrank hervor. Es war Karl, der Kellerkäfer, der immer und über alles meckerte und grundsätzlich schlecht gelaunt war.
„Ruhe da oben!“, brummte Karl mit seiner tiefen Bass-Stimme. „Was soll dieses unerträgliche Gesumme mitten in der Nacht? Manche hart arbeitenden Lebewesen wollen schlafen!“
„Aber ich mache doch Licht!“, verteidigte sich Frieda empört. „Gegen die schreckliche Dunkelheit! Schau doch!“
Karl kniff die Augen zusammen (oder was Käfer eben so tun, wenn sie misstrauisch sind und eigentlich keine Augenlider haben). „Licht durch Summen? Völliger Quatsch! Physikalisch unmöglich!“
„Ist es aber nicht! Schau doch genau hin!“, rief Frieda und summte mit aller verbliebenen Kraft eine ganze Sternen-Girlande quer über die Decke. „Summ-di-summ-di-summ-tra-la-la!“
Die Girlande leuchtete hell auf und warf tanzende Lichtreflexe an die Wände.
Sogar der mürrische Karl musste widerwillig zugeben, dass es irgendwie… hübsch aussah. „Hm“, machte er nur und verzog sich wieder unter den Schrank, nicht ohne noch ein letztes „Trotzdem Lärm!“ zu murmeln.
Frieda ließ sich nicht beirren. Sie summte weiter und weiter. Sie summte den Großen Wagen, den Kleinen Bären (oder zumindest das, was sie dafür hielt, ihre Sternenkunde war nicht die beste) und unzählige kleine, namenlose Sterne, die einfach nur schön funkelten.
Ihre gemütliche Ecke hinter dem Bücherregal war nun nicht mehr dunkel und unheimlich.
Die vielen gesummten Sterne warfen ein sanftes, glitzerndes, fast magisches Licht auf die Wände und den Boden.
Die Schatten wirkten jetzt weicher, freundlicher, fast wie alte Bekannte. Die Geräusche waren nur noch das normale Knacken des alten Hauses, das sich zur Ruhe legte.
Frieda summte noch einen letzten, besonders schönen Stern direkt über ihr Bettchen. Ein Gute-Nacht-Stern, nur für sie.
Dann ließ sie sich erschöpft, aber überglücklich, in ihre weichen Staubflusen fallen.
Das viele Summen hatte sie ganz schön müde gemacht.
Sie schaute nach oben zu ihrem ganz persönlichen, selbstgemachten Sternenhimmel.
Er war vielleicht nicht so perfekt wie der echte Himmel da draußen, mit seinen fernen Galaxien und Planeten. Aber er war ihrer. Von ihr gesummt, mit ihrer eigenen Melodie.
„Gute Nacht, meine Sterne“, flüsterte Frieda zufrieden.
Und zum ersten Mal seit langer, langer Zeit schlief die kleine Fliege Frieda sofort ein, sicher und geborgen unter ihrem funkelnden, selbstgesummten Himmelszelt.
Sie träumte vom Fliegen zwischen echten, riesigen Sternen und vom Summen neuer, noch viel schönerer Licht-Melodien.
Und wer weiß, vielleicht summte sie ja morgen einen kleinen, leuchtenden Mond dazu? Oder eine Sternschnuppe? Man konnte ja nie wissen, bei Frieda Fliege und ihren verrückten Ideen.
Das sanfte Leuchten ihrer Sterne wiegte sie sanft in den Schlaf, und die große, böse Dunkelheit hatte keine Macht mehr über sie.
Sie hatte ihre eigene Magie gefunden, versteckt in ihrem eigenen Summen, der Melodie der Sterne.