Fussels Reise zum Kribbeln im kleinen Zeh

Fussels Reise zum Kribbeln im kleinen Zeh

Ein neugieriges Wollknäuel unter dem Bett erforscht ein geheimnisvolles Kribbeln, das immer kurz vor dem Einschlafen beginnt. Eine humorvolle Reise.

Tief unter Leos Bett, in einem Reich aus Staubflusen und vergessenen Schätzen, lebte ein kleines Wollknäuel namens Fussel.

Tief unter Leos Bett, in einem Reich aus Staubflusen und vergessenen Schätzen, lebte ein kleines Wollknäuel namens Fussel.

Fussel war nicht irgendein Wollknäuel. Es war ein besonders neugieriges Exemplar, mit Fäden, die in alle Richtungen standen, als würde es ständig über etwas staunen.

Meistens war es unter dem Bett gemütlich dunkel. Die Beine des Bettes ragten wie riesige Baumstämme in die Höhe, und die Federn der Matratze knarzten leise, wenn Leo sich im Schlaf umdrehte. Das war Fussels Welt.

An diesem Abend war alles wie immer. Leo putzte sich die Zähne (Fussel hörte das Gurgeln durch den Boden), dann tapste er ins Zimmer, und schließlich wurde das Licht ausgeknipst.

Ein letztes Rascheln der Bettdecke, ein tiefes Gähnen von oben, und dann wurde es still.

Genau in diesem Moment spürte Fussel es.

Ein ganz feines, lustiges Kribbeln. Es fühlte sich an, als würden winzige Ameisenfüßchen über seine weichen Fäden tanzen. Nicht unangenehm, aber… seltsam.

„Was ist das denn?“, murmelte Fussel in die Dunkelheit hinein. Es rollte ein kleines Stück nach links, dann nach rechts. Das Kribbeln blieb.

Es schien nicht von außen zu kommen, sondern irgendwie… von überall und nirgendwo gleichzeitig.

Fussels Neugier war geweckt. So ein Kribbeln hatte es noch nie zuvor gefühlt. War das vielleicht ein Geheimnis, das nur unter Betten passierte, wenn die Menschen schliefen?

„Ich muss herausfinden, was das ist!“, beschloss Fussel mutig und machte sich auf den Weg.

Es rollte vorsichtig an einem Bauklotz vorbei, der aussah wie eine vergessene Burgruine, und überquerte eine Wüste aus feinem Staub.

Plötzlich stieß es gegen etwas Hartes und Rundes.

„Autsch! Pass doch auf!“, knurrte eine Stimme.

Fussel blinzelte. Vor ihm lag ein alter, glänzender Knopf. „Oh, entschuldige bitte, Herr Knopf. Ich habe dich im Dunkeln nicht gesehen.“

Der Knopf seufzte. „Nenn mich Knöpfchen. Und was treibt dich so spät noch durch die Gegend? Spürst du es auch?“

„Du meinst… das Kribbeln?“, fragte Fussel aufgeregt.

Knöpfchen nickte weise. „Ah ja, das Einschlafkribbeln. Das kommt immer, wenn der große Mensch da oben ganz ruhig wird und ins Traumland reist. Es ist, als würde die Stille selbst anfangen zu kitzeln.“

„Die Stille kitzelt?“, wunderte sich Fussel. Das klang ja noch verrückter.

„So ungefähr“, sagte Knöpfchen. „Geh ruhig weiter, vielleicht findest du ja deine eigene Erklärung.“

Fussel bedankte sich und rollte weiter, vorbei an einem verirrten Legostein und einer trockenen Nudel, die wohl mal von Leos Teller gefallen war.

In einer Ecke, zwischen zwei Bettpfosten, sah Fussel etwas schimmern.

Feine, silbrige Fäden spannten sich durch die Dunkelheit. Und mitten drin saß eine Spinne, die emsig mit ihren acht Beinen arbeitete.

„Hallo?“, piepste Fussel vorsichtig.

Die Spinne schaute auf. „Na, kleiner Wollball? Was suchst du denn hier in meiner Funkelwerkstatt?“ Sie hieß Spinnrad und war bekannt für ihre kunstvollen Netze.

„Ich suche das Kribbeln“, erklärte Fussel. „Knöpfchen sagt, es ist das Einschlafkribbeln.“

Spinnrad lachte leise, ein Geräusch wie fallender Sternenstaub. „Knöpfchen hat recht. Für mich fühlt es sich an, als würde die Luft selbst anfangen zu summen, ganz leise. Wie ein Schlaflied für die Welt unter dem Bett.“

Sie zupfte an einem Faden. „Es ist die Magie der Ruhe, kleiner Fussel. Nichts, was man fangen kann, aber etwas, das man spüren kann, wenn alles still wird.“

Fussel dachte nach. Die Stille kitzelt, die Luft summt… Das war alles sehr geheimnisvoll.

Es rollte weiter, dem Kribbeln nach, das mal stärker, mal schwächer zu sein schien.

Dann hörte es ein leises Schluchzen.

Hinter einem dicken Staubmonster (das eigentlich nur ein vergessener Hausschuh war) saß eine einzelne, geringelte Socke.

„Hallo? Alles in Ordnung?“, fragte Fussel sanft.

Die Socke blickte auf. Ihre Farben waren schon etwas verblasst. „Ach… ich bin Socke Sam. Ich suche meinen Zwilling. Schon seit Wochen. Habt ihr ihn vielleicht gesehen? Er sieht genauso aus wie ich, nur… andersrum.“

Fussel schüttelte bedauernd seine Fäden. „Leider nicht. Aber sag mal, spürst du auch dieses Kribbeln?“

Socke Sam schniefte. „Kribbeln? Nein. Ich spüre nur, wie allein ich bin. Da ist kein Platz für Kribbeln.“ Er zog traurig einen Faden aus seinem Bündchen.

Fussel wurde ein bisschen traurig. „Oh. Aber vielleicht… vielleicht ist das Kribbeln ja ein Zeichen, dass bald etwas Gutes passiert? Vielleicht findest du deinen Zwilling bald!“

Socke Sam schaute Fussel an. „Meinst du?“

„Bestimmt!“, sagte Fussel überzeugt, obwohl es das nicht wissen konnte. Aber es fühlte sich richtig an, Sam Hoffnung zu machen.

Fussel verabschiedete sich und rollte weiter, bis es fast am Rand der Unter-Bett-Welt angekommen war.

Von hier konnte es Leos Fuß sehen, der unter der Decke hervorschaute. Der kleine Zeh zuckte manchmal ganz leicht im Schlaf.

Und hier, ganz nah an Leos Fuß, war das Kribbeln am allerstärksten! Es war, als würden tausend winzige Glühwürmchen auf Fussels Oberfläche tanzen.

Fussel schaute genau hin. Kam das Kribbeln vielleicht aus Leos kleinem Zeh?

Nein, das konnte nicht sein. Es war eher so, als würde der schlafende Leo das Kribbeln auslösen. Wie wenn man einen Lichtschalter umlegt und plötzlich alles leuchtet.

In diesem Moment verstand Fussel.

Knöpfchen hatte recht gehabt. Spinnrad auch. Das Kribbeln war kein Ding, das man finden konnte. Es war ein Gefühl.

Es war das Gefühl, wenn die laute Welt draußen leise wird und die gemütliche, schläfrige Nacht beginnt. Es war die Magie, die passierte, wenn Leo ins Traumland reiste.

Es war das Zeichen, dass alles gut war, ruhig und sicher.

Langsam rollte Fussel zurück zu seinem Platz neben dem alten Bauklotz.

Das Kribbeln wurde langsam schwächer, je tiefer Leo schlief. Es war, als würde die Magie sich sanft zur Ruhe legen, genau wie Leo.

Fussel kuschelte sich in seine eigene Weichheit.

Es hatte das Geheimnis des Kribbelns nicht gefunden, aber es hatte es verstanden.

Und als es selbst langsam einschlief, fühlte es sich wunderbar geborgen an, hier unter dem Bett, im Land des leisen Kitzelns und des summenden Schlaflieds der Stille.

Das Kribbeln war kein Rätsel mehr, sondern ein Versprechen: Die Nacht ist da, schlaf gut.