
Glühwürmchen Greta ist traurig, weil ihr Lichtlein unkontrolliert flackert. Kann Griesgram Bertram Biene helfen? Eine Geschichte über Einzigartigkeit.
Tief im Flüsterwald, wo die Bäume uralte Geheimnisse wispern und die Pilze im Mondlicht leise kichern, lebte ein kleines Glühwürmchen namens Greta.
Greta war ein fröhliches Würmchen, meistens jedenfalls.
Sie liebte es, mit den Tautropfen um die Wette zu kullern und den Schnecken beim Meditieren zuzusehen.
Aber Greta hatte ein kleines, flackerndes Problem.
Ihr Lichtlein am Popo, das eigentlich hell und stetig leuchten sollte wie bei allen anderen Glühwürmchen, machte, was es wollte.
Mal strahlte es so hell, dass die Nachtfalter verwirrt im Kreis flogen, dann funzelte es nur schwach vor sich hin, und manchmal – plopp! – ging es ganz aus.
„Na toll“, murmelte Greta oft, wenn sie wieder im Dunkeln saß, während ihre Freunde elegante Leuchtspuren in die Nachtluft malten.
„Dein Licht hat wohl Schluckauf!“, rief Gustav Grashüpfer oft lachend.
Greta versuchte, mitzulachen, aber innerlich wurde sie ganz klein.
Besonders schlimm war es, wenn das alljährliche Große Leuchtfest des Waldes bevorstand.
Alle Glühwürmchen übten schon fleißig für die große Synchron-Leucht-Show, ein atemberaubendes Ballett aus Lichtpunkten.
Greta wollte so gerne mitmachen, aber wie sollte das gehen mit ihrem Wackel-Licht?
Sie stellte sich vor, wie alle im perfekten Takt leuchteten und sie – blink, flacker, aus – den ganzen Rhythmus durcheinanderbrachte.
„Das geht nicht“, seufzte sie und versteckte ihr Lichtlein unter einem großen Farnblatt.
„Ich muss etwas unternehmen!“
Sie hatte gehört, dass tief im Wald, in einem alten, moosbewachsenen Stiefel, Bertram Biene wohnte.
Bertram war der offizielle Licht-Techniker des Waldes.
Er reparierte Glühbirnen-Pilze, polierte Tautropfen-Lampen und kannte sich angeblich mit jedem Leuchten und Blinken aus.
Allerdings hatte er auch den Ruf, ein ziemlicher Griesgram zu sein.
„Einen Versuch ist es wert“, dachte Greta und machte sich auf den Weg.
Der Pfad zu Bertrams Stiefel war abenteuerlich.
Sie musste über riesige Wurzeln klettern, die aussahen wie schlafende Riesen.
Einmal leuchtete ihr Lichtlein plötzlich so grell auf, dass eine verschlafene Schnecke erschrocken ihr Haus fallen ließ.
„Huch! Entschuldigung!“, piepste Greta, während ihr Licht wieder zu einem müden Glimmen verblasste.
Sie flog an einer Gruppe plaudernder Motten vorbei.
„Schau mal, Helga, das ist doch die mit dem Disco-Licht!“, tuschelte eine.
Greta tat so, als hätte sie nichts gehört und flog schneller.
Endlich erreichte sie den alten Stiefel. Rauch kringelte sich aus einem Schnürsenkel-Loch.
Vorsichtig klopfte Greta an die Lederwand.
Ein lautes Brummen war zu hören, dann knarzte die Schuhzunge auf.
Bertram Biene stand im Eingang, eine winzige Schutzbrille aus zwei Tautropfen auf der Nase, und musterte Greta missmutig.
„Was gibt’s? Störung? Ich hab Feierabend!“, brummte er.
„Entschuldigen Sie, Herr Biene“, stotterte Greta, „aber mein Licht… es… es wackelt.“
Bertram seufzte tief. „Schon wieder so ein Wackel-Kandidat. Na, komm rein. Aber mach schnell.“
Innen war es erstaunlich gemütlich. Überall standen und hingen kleine Werkzeuge, Lupen aus Harz und Döschen mit glitzerndem Blütenstaub.
Bertram bedeutete Greta, sich auf einen umgedrehten Fingerhut zu setzen.
Er nahm seine Tautropfen-Brille ab, putzte sie an seinem Pelz und setzte sie wieder auf.
Dann beugte er sich vor und betrachtete Gretas Lichtlein von allen Seiten.
Er summte nachdenklich. Er klopfte vorsichtig dagegen. Er holte ein winziges Stethoskop aus einer Nussschale und lauschte.
Greta hielt die Luft an.
„Hm“, machte Bertram schließlich. „Interessant.“
„Können Sie es reparieren?“, fragte Greta hoffnungsvoll.
Bertram schob die Brille auf die Stirn. „Reparieren? Da ist nichts kaputt, junge Dame.“
„Nicht kaputt? Aber es flackert doch!“, rief Greta.
„Ja, das tut es“, sagte Bertram. „Aber nicht zufällig. Es flackert in einem ganz bestimmten Rhythmus. Ziemlich komplex, muss ich sagen. Fast wie… wie Musik!“
Greta starrte ihn an. „Musik?“
„Genau. Ein ganz eigener Takt. Ich könnte das vielleicht ‘geradebiegen’, aber dann wäre es nicht mehr dein Licht. Verstehst du? Das ist kein Fehler, das bist du.“
Greta war enttäuscht. Sie hatte gehofft, endlich ein normales Licht zu bekommen.
„Aber… was soll ich denn damit? Beim Leuchtfest kann ich so nicht mitmachen.“
Bertram zuckte mit den Schultern. „Wer sagt das? Vielleicht ist dein Rhythmus ja genau das, was dem Fest noch fehlt. Schon mal darüber nachgedacht?“
Er tätschelte ihr aufmunternd den Kopf.
„Manchmal ist das, was anders ist, nicht falsch, sondern besonders. Denk mal drüber nach. Und jetzt husch, ich will meine Honig-Nachrichten schauen.“
Verwirrt und nachdenklich flog Greta zurück.
War ihr Wackel-Licht wirklich etwas Besonderes?
Als die Nacht hereinbrach, versammelten sich alle Tiere des Waldes auf der Großen Lichtung für das Fest.
Fiona Falter, die elegante Organisatorin, flatterte aufgeregt umher.
Die Glühwürmchen nahmen Aufstellung.
Auf ein Zeichen von Fiona begannen sie ihre Synchron-Show.
Es war wunderschön. Hunderte Lichter blinkten im perfekten Takt, malten Muster in die Dunkelheit.
Aber irgendwie, dachte Greta, war es auch ein bisschen… vorhersehbar.
Sie saß am Rand und beobachtete alles.
Fiona Falter entdeckte sie. „Greta, Liebes! Warum machst du nicht mit?“
„Ich… ich kann nicht im Takt leuchten“, murmelte Greta.
„Ach was“, sagte Fiona mit einem sanften Lächeln. „Leuchte einfach so, wie du leuchtest. Jedes Licht ist willkommen!“
Unsicher flog Greta ein Stück auf die Lichtung.
Tief atmete sie durch und ließ ihr Lichtlein einfach machen.
Blink-flicker-flacker-blitz-aus-an!
Ihr unregelmäßiger Rhythmus fiel sofort auf.
Einige Glühwürmchen schauten irritiert.
Doch dann geschah etwas Unerwartetes.
Ein paar kleine Käfer, die am Rand gesessen hatten, wippten plötzlich mit den Fühlern.
Eine Motte begann, im Takt von Gretas Flackern mit den Flügeln zu schlagen.
Ein Nachtfalter drehte eine Pirouette, genau passend zu einem hellen Blitz von Greta.
Immer mehr Insekten ließen sich von Gretas einzigartigem Rhythmus anstecken.
Sie tanzten, summten und bewegten sich zu ihrer ganz persönlichen Licht-Musik.
Die starre Synchron-Show löste sich auf und verwandelte sich in ein fröhliches, buntes Durcheinander aus tanzenden Lichtern und Schatten.
Greta schwebte in der Mitte, ihr Herz hüpfte vor Freude.
Ihr wackeliges, flackerndes, unperfektes Licht war der Star des Abends!
Es war keine Störung, es war ein eigener Beat, der alle zum Tanzen brachte.
Bertram Biene stand am Rand, lehnte an einem Pilz und nickte zufrieden.
„Hab ich’s doch gesagt“, brummte er in seinen Bart. „Besonders.“
Greta leuchtete und flackerte die ganze Nacht, nicht mehr schüchtern, sondern stolz.
Sie hatte gelernt, dass es nicht darauf ankam, so zu sein wie alle anderen.
Manchmal ist das, was uns einzigartig macht, unser schönstes Licht.
Und mit diesem glücklichen Gedanken schlief sie schließlich unter einem großen Blatt ein, ihr kleines Lichtlein pulsierte sanft im Takt ihres Traumes.