Hedwig Holzlöffel rührt den Abendbrei der Träume

Hedwig Holzlöffel rührt den Abendbrei der Träume

Eine neugierige Holzköchin namens Hedwig rührt nachts magischen Traumbrei an, doch ein Nieser sorgt für Chaos in der Küche! Rettung naht süß.

Hedwig Holzlöffel war kein gewöhnlicher Kochlöffel.

Tagsüber half sie natürlich fleißig mit, rührte Soßen, schlug Eier oder verteilte Teig auf Backblechen. Sie kannte die Wärme des Herdes und das Klappern der Töpfe.

Aber nachts, wenn die Menschen schliefen und nur der Mond durch das Küchenfenster blinzelte, wurde Hedwig lebendig.

Sie steckte meistens in einem alten Keramiktopf auf der Arbeitsplatte, zusammen mit Schneebesen, Pfannenwendern und einer sehr schweigsamen Suppenkelle.

Doch an diesem Abend war etwas anders.

Ein kleiner Topf mit Resten von Grießbrei stand noch auf dem Herd. Ein winziger Rest nur, aber er duftete immer noch leicht nach Vanille und Zimt.

Hedwigs hölzerner Bauch fing an zu kribbeln. Eine seltsame Neugier packte sie.

„Was wäre, wenn…?“, murmelte sie leise in die Stille hinein.

Sie wackelte vorsichtig hin und her, bis sie sich aus dem Keramiktopf befreien konnte. Mit einem leisen \*Klack\ landete sie auf der kühlen Arbeitsplatte.

Puh, das war anstrengender als gedacht.

Sie robbte und rutschte über die glatte Oberfläche, immer dem Duft des Grießbreis nach. Es war ein langer Weg für einen Kochlöffel.

Plötzlich hörte sie ein mürrisches Räuspern.

„Na, wen haben wir denn da auf nächtlicher Wanderschaft?“ knarzte eine Stimme.

Es war Herr Salzig, der Salzstreuer. Er stand wie immer kerzengerade neben seiner besten Freundin, Frau Pfeffer, der Pfeffermühle.

Hedwig blieb erschrocken stehen. „Oh, Verzeihung, Herr Salzig. Ich wollte nur… äh… nach dem Rechten sehen.“

Frau Pfeffer kicherte leise, ein Geräusch wie feines Rieseln. „Nach dem Rechten sehen? Oder eher nach dem süßen Brei riechen, Hedwig?“

Hedwig wurde ein bisschen rot, was man bei Holz aber kaum sieht. „Nun ja, er riecht so verlockend.“

Sie erreichte endlich den Rand des Herdes und spähte in den Topf. Der Grießbrei schimmerte blass im Mondlicht.

„Ich frage mich, was passiert, wenn man ihn jetzt rührt?“, flüsterte Hedwig mehr zu sich selbst.

Herr Salzig schnaubte. „Was soll schon passieren? Es ist kalter Brei. Nichts weiter.“

Aber Hedwig spürte dieses Kribbeln wieder. Sie stemmte sich gegen den Topfrand und ließ sich vorsichtig hineingleiten.

Mit einem leisen \*Platsch\ landete sie im Brei.

Er war kühl und weich.

Langsam, ganz langsam, begann Hedwig zu rühren.

Zuerst passierte nichts.

Doch dann fing der Brei an, sanft zu leuchten. Ein zartes, goldenes Licht stieg auf.

„Ooooh!“, staunten Herr Salzig und Frau Pfeffer gleichzeitig.

Hedwig rührte weiter, erst nach links, dann nach rechts. Mit jeder Bewegung wurde das Leuchten stärker, und winzige, funkelnde Bilder wirbelten im Brei umher.

Da waren fliegende Toasts mit Butterflügeln!

Singende Karotten in einem Chor!

Wolken aus Zuckerwatte, auf denen Gummibärchen schliefen!

„Das… das ist ja unglaublich!“, stammelte Herr Salzig, der sonst nie staunte.

„Du rührst Träume an, Hedwig!“, rief Frau Pfeffer begeistert. „Echten, essbaren Traumbrei!“

Hedwig war selbst ganz fasziniert. Sie rührte schneller und schneller, lachte vergnügt, als ein Schokoladenfisch durch den Brei schwamm und ihr zuzwinkerte.

Die Bilder wurden wilder und bunter. Ein Karussell aus Lakritzschnecken drehte sich, ein Keks-Ritter kämpfte gegen einen Drachen aus Weingummi.

Frau Pfeffer beugte sich vor, um besser sehen zu können. Sie war so aufgeregt, dass ihre Mühle ein wenig wackelte.

Und dann passierte es.

„Hatschi!“

Ein kräftiger Nieser entfuhr Frau Pfeffer, und eine kleine Wolke feinen, schwarzen Pfeffers landete direkt im leuchtenden Traumbrei.

Zisch! Knister! Prickel!

Das goldene Licht wurde dunkler, bekam einen gräulichen Stich. Die Bilder veränderten sich.

Der Keks-Ritter fing an zu husten.

Die Zuckerwattewolken wurden kratzig und grau.

Der Weingummi-Drache nieste ebenfalls – feurige Pfefferkörner!

„Oh nein!“, rief Hedwig erschrocken. „Was ist passiert?“

Herr Salzig schüttelte den Kopf. „Pfeffer im Traumbrei! Das kann nicht gut gehen. Das werden ja furchtbar kratzige Träume!

Die singenden Karotten klangen jetzt schief und jammerten.

Die fliegenden Toasts stürzten ab und landeten krümelig im Brei.

„Wir müssen etwas tun!“, sagte Hedwig entschlossen. Sie überlegte fieberhaft.

Ihr Blick fiel auf den Honigtopf, der ein Stück entfernt stand. Honig war süß und sanft. Vielleicht konnte er helfen?

„Herr Salzig, Frau Pfeffer, helft mir! Ich muss zum Honigtopf!“

Gemeinsam schoben und zogen sie Hedwig aus dem Brei-Topf. Sie war klebrig, aber das war jetzt egal.

Der Weg zum Honigtopf war mühsam. Hedwig rutschte, Herr Salzig stemmte sich dagegen, Frau Pfeffer schob von hinten.

Endlich erreichten sie den bauchigen Topf mit der Aufschrift „Waldhonig“.

Aber wie hineinkommen? Der Deckel war fest verschlossen.

Doch Hedwig hatte eine Idee. Sie nutzte ihre Löffelform, klemmte sich unter den Rand des Deckels und hebelte mit aller Kraft.

Knack! Der Deckel sprang auf.

Ein süßer, goldener Duft strömte ihnen entgegen.

Hedwig tauchte ihre Spitze vorsichtig in den klebrigen Honig. Nur ein kleiner Tropfen blieb haften.

Schnell ging es zurück zum Traumbrei-Topf.

„Vorsichtig jetzt“, mahnte Herr Salzig.

Hedwig ließ den goldenen Honigtropfen in den unruhigen Brei fallen.

Dann begann sie wieder zu rühren. Ganz sanft, ganz langsam.

Der Honig verteilte sich wie ein goldenes Band im Brei.

Das graue Licht wurde wieder wärmer, goldener.

Die kratzigen Wolken wurden wieder weich und flauschig.

Der hustende Keks-Ritter bekam eine Tasse warmen Tee gereicht.

Der niesende Drache verwandelte sich in ein schnurrendes Kätzchen aus Marzipan.

Die Träume wurden wieder sanft und lieb.

Kuschelige Decken, leise Schlaflieder, der Duft von warmem Kakao.

„Geschafft!“, flüsterte Hedwig erleichtert und ließ sich erschöpft an den Topfrand sinken.

Herr Salzig klopfte ihr anerkennend auf die hölzerne Schulter. „Gut gemacht, Hedwig. Sehr gut gemacht.“

Frau Pfeffer nickte zustimmend, diesmal ohne zu niesen.

Draußen wurde der Himmel langsam heller. Die ersten Sonnenstrahlen tasteten sich durch das Fenster.

„Schnell, zurück!“, drängte Herr Salzig.

Mit letzter Kraft kletterte Hedwig aus dem Topf, rutschte über die Arbeitsplatte und ließ sich zurück in ihren Keramikbehälter fallen, genau zwischen den Schneebesen und die schweigsame Suppenkelle.

Sie schloss die Augen, gerade als die Küchentür aufging und verschlafene Schritte zu hören waren.

Niemand bemerkte den winzigen Rest golden schimmernden Breis im Topf oder den einzelnen Honigtropfen auf der Arbeitsplatte.

Aber Hedwig wusste, dass sie in dieser Nacht nicht nur Brei gerührt hatte.

Sie hatte Träume gerührt. Und das war das Aufregendste, was ein Holzlöffel tun konnte.

Vielleicht würde sie es nächste Nacht wieder tun. Aber ohne Pfeffer, ganz bestimmt.