
Henri und sein wackeliger Schlafanzugknopf Knöpfli reisen ins Traumland-Nähkästchen, um einen Zauberfaden zu finden. Ein Abenteuer voller Nähzeug!
Henri und sein wackeliger Schlafanzugknopf Knöpfli reisen ins Traumland-Nähkästchen, um einen Zauberfaden zu finden. Ein Abenteuer voller Nähzeug!
Henri kuschelte sich tief in seine weiche Bettdecke. Sein Lieblingsschlafanzug, der mit den kleinen, lustigen Raketen drauf, fühlte sich besonders gemütlich an heute Abend. Aber irgendetwas war anders.
Er fuhr mit dem Finger über die Knopfleiste. Der oberste Knopf… ja, da war es! Der oberste Knopf wackelte.
„Oh nein!“, murmelte Henri besorgt in sein Kissen. „Du wackelst ja, kleiner Knopf!“
Der Knopf, ein runder, freundlich blauer Kerl, schien unter Henris Fingerkuppe fast ängstlich zu zittern. Henri hatte ihm heimlich einen Namen gegeben: Knöpfli.
„Bitte fall nicht ab, Knöpfli“, flüsterte Henri leise. „Mama hat versprochen, dich morgen früh ganz fest anzunähen, aber die Nacht ist doch so schrecklich lang! Was, wenn du im Dunkeln verloren gehst?“
Er drückte Knöpfli sanft, aber bestimmt an den weichen Pyjamastoff, als wollte er ihm Mut machen. Dann schloss er fest die Augen. Draußen vor dem Fenster raschelten die Blätter im leichten Wind, und die ersten Sterne blinzelten am Nachthimmel.
Henri wurde langsam schläfrig. Die Raketen auf seinem Pyjama schienen im Halbdunkel sanft zu schweben…
Plötzlich kitzelte etwas Winziges an seinem Ohr.
„Pssssst! Henri! Nicht schlafen!“, wisperte eine Stimme, so fein wie ein Faden.
Henri blinzelte verschlafen. War da jemand? Er sah sich um, aber im Zimmer war niemand außer ihm.
„Hier unten!“, piepste die Stimme wieder.
Henri schaute an sich herunter. Und traute seinen Augen kaum!
Es war Knöpfli! Der kleine blaue Knopf schwebte einen winzigen Millimeter über dem Stoff seines Pyjamas und zwinkerte ihm verschwörerisch mit einem imaginären Auge zu.
„Ich hab‘ eine super Idee!“, flüsterte Knöpfli aufgeregt, seine Stimme klang wie winzige Glöckchen. „Wir machen eine Reise! Eine Abenteuerreise ins Traumland-Nähkästchen! Dort gibt es Zauberfäden, die halten fester als Superkleber und glitzern schöner als Sternenstaub!“
Henri rieb sich verwundert die Augen. „Ins… Traumland-Nähkästchen? Was ist das denn?“
„Das ist ein geheimer, magischer Ort“, erklärte Knöpfli stolz. „Nur für ganz besondere Knöpfe in Not – und für mutige Jungs wie dich! Komm schnell mit, bevor du richtig einschläfst!“
Bevor Henri auch nur „Aber…“ sagen konnte, spürte er ein seltsames, angenehmes Kribbeln am ganzen Körper. Er und Knöpfli wurden kleiner und kleiner, schrumpften zusammen, bis sie so winzig waren wie Staubkörnchen.
Sie schwebten durch die Luft und – schwupps! – flogen sie direkt durch das alte, messingfarbene Schlüsselloch von Omas Nähkiste, die ehrwürdig neben Henris Bett auf einem kleinen Hocker stand.
Wow! Sie landeten butterweich auf einem riesigen Hügel aus kuschelweicher, bunter Wolle.
Henri staunte mit offenem Mund. Die Welt um sie herum war gigantisch und bestand komplett aus… Nähzeug!
Berge aus farbenfrohen Stoffresten ragten in den Himmel. Flüsse aus silbern und golden glitzerndem Garn schlängelten sich durch Täler aus Filz. Bäume, deren Stämme aus riesigen Garnrollen bestanden und deren Blätter wie kleine Knöpfe aussahen, säumten die Wege.
„Willkommen im Traumland-Nähkästchen!“, rief Knöpfli begeistert und drehte eine kleine Pirouette in der Luft.
Vor ihnen erstreckte sich eine abenteuerlich aussehende Brücke, die aus vielen aneinandergereihten Reißverschlüssen bestand. Sie führte über einen breiten Fluss, der nicht aus Wasser, sondern aus funkelndem Lametta floss.
Doch am Anfang der Brücke stand eine glänzende, silberne Gestalt mit einem ziemlich grimmigen Gesicht.
„Halt! Wer da?“, dröhnte eine metallische Stimme, die leicht schepperte. „Wer wagt es, die heilige Zipper-Zapper-Brücke zu überqueren?“
Die Gestalt war ein großer, silberner Fingerhut. Er stemmte etwas, das wie Hände aussah, in seine nicht vorhandenen Hüften und funkelte sie streng an.
„Ich bin Herr Fingerhut, der ehrenwerte Wächter dieser Brücke!“, verkündete er wichtig. „Nennt mir sofort das geheime Passwort, sonst ist hier Endstation!“
Henri schluckte. Ein Passwort? Davon hatte Knöpfli nichts gesagt. „Ähm… wir… wir wissen kein Passwort“, stotterte er.
Knöpfli stupste ihn unauffällig an. „Flüster ihm einfach irgendein lustiges Quatschwort ins Ohr! Herr Fingerhut tut nur so streng, in Wirklichkeit liebt er alberne Wörter über alles!“
Henri überlegte fieberhaft. Ein lustiges Quatschwort… „Okay“, murmelte er und nahm seinen Mut zusammen. Er trat näher an den Fingerhut heran und flüsterte:
„Ähm… Wackel-Pudding-Nasenbär?“
Herr Fingerhut zuckte zusammen. Sein metallisches Gesicht verzog sich komisch. Erst sah es aus, als würde er gleich platzen, doch dann brach er in lautes, schepperndes Gelächter aus.
„Hahahahaha! Wackel-Pudding-Nasenbär! Herrlich! Fantastisch! Das ist das beste Passwort seit Wochen! Hahaha! Ihr dürft passieren, ihr Schlingel!“ Lachend trat er zur Seite und machte den Weg frei.
Kichernd huschten Henri und Knöpfli über die wackelige Reißverschluss-Brücke. Es fühlte sich kitzelig an, über die vielen kleinen Zähnchen zu laufen.
Auf der anderen Seite des Lametta-Flusses hörten sie ein leises Jammern und Singen.
„Oh weh, oh weh! Verknotet und verwirrt! Kein Maß und kein Ziel, das ist doch zum Verrücktwerden schier!“, sang eine lange, gelbe Gestalt, die sich unglücklich im Gras aus grünen Samtbändern kringelte.
Es war ein langes, gelbes Maßband, das sich hoffnungslos in sich selbst verheddert hatte.
„Hallo?“, fragte Henri vorsichtig. „Geht es Ihnen gut? Können wir vielleicht helfen?“
Das Maßband blickte auf. Auf seiner Spitze war ein kleines, freundliches Gesicht aufgemalt. „Oh, seid ihr aber nett! Ich bin Fräulein Maßband. Ich wollte nur mal eben nachmessen, wie lang dieser Wollfluss da drüben ist, und zack – war ich ein einziger Knoten!“ Es seufzte.
Henri und Knöpfli zögerten keine Sekunde. Sie machten sich sofort daran, die vielen verschlungenen Knoten und Schlaufen zu lösen.
Es war kniffliger als ein Kopfhörerkabel zu entwirren, aber gemeinsam schafften sie es.
Nach einer ganzen Weile lag Fräulein Maßband wieder glatt und ordentlich im Gras.
„Oh, ich danke euch von Herzen, ihr lieben Helfer!“, trällerte sie fröhlich und schwang sich elegant in die Luft. „Als kleines Dankeschön singe ich euch den Weg zum Zauberfaden!“
Und mit ihrer hellen, klaren Stimme sang sie eine kleine Melodie:
„Klettert hoch den bunten Berg,
Wo Stoffreste liegen, Zwerg an Zwerg.
Ganz oben thront, so weich und alt,
Die Oma, die den Faden verwalt‘t!“
„Der bunte Berg! Das müssen diese riesigen Stoffreste-Berge dort drüben sein!“, rief Knöpfli aufgeregt und zeigte auf eine beeindruckende Bergkette aus unzähligen kleinen, bunten Stoffstücken.
Sie verabschiedeten sich winkend von der singenden Fräulein Maßband und machten sich auf den Weg.
Der Aufstieg war wirklich anstrengend. Der Berg war steiler, als er aussah. Immer wieder kullerten ihnen dicke Garnrollen entgegen, denen sie geschickt ausweichen mussten. Einmal rutschte Henri fast auf einem glatten Seidenfleck aus!
„Puh!“, keuchte Henri und wischte sich eine imaginäre Schweißperle von der Stirn. „Ganz schön hoch hier!“
„Gleich geschafft! Nur noch ein kleines Stück!“, schnaufte Knöpfli tapfer neben ihm.
Endlich erreichten sie den Gipfel. Und da saß sie: Auf einem prächtigen Thron aus dunkelrotem Samt thronte ein großes, rundes, gemütliches Nadelkissen. Aus seinem weichen Bauch blitzten unzählige Nadeln mit bunten Köpfen wie kleine Juwelen.
Das Nadelkissen strahlte eine große Ruhe und Weisheit aus.
„Seid mir gegrüßt, ihr kleinen Reisenden“, sagte das Nadelkissen mit einer sanften, warmen Stimme, die klang wie das Rascheln von Seide. „Ich bin die Nadelkissen-Oma. Was führt euch denn an diesen entlegenen Ort?“
Henri, immer noch etwas außer Atem, erzählte von Knöpflis gefährlichem Gewackel, ihrer abenteuerlichen Reise und der dringenden Suche nach dem legendären Zauberfaden.
Die Nadelkissen-Oma nickte langsam und bedächtig. „Einen Zauberfaden, sagt ihr? Hm, ja, den gibt es. Aber er wird nur jenen zuteil, die beweisen, dass sie ein gutes und hilfsbereites Herz besitzen.“
Sie deutete mit einer langen Stecknadel auf eine kleine, unscheinbare Nähnadel, die sich ganz unglücklich in einem dicken Stück Filz verheddert hatte und traurig vor sich hin klimperte.
„Seht ihr diese kleine Nadel dort? Sie hat sich beim Spielen verirrt und kommt alleine nicht mehr frei. Helft ihr, ihre Fesseln zu lösen, und ihr habt bewiesen, dass ihr des Zauberfadens würdig seid.“
Henri und Knöpfli schauten sich an und nickten entschlossen. Vorsichtig arbeiteten sie zusammen. Mit winzigen Fingern und viel Geduld zupften und zogen sie behutsam an den Filzfasern, bis die kleine Nadel endlich befreit war.
Die Nadel machte einen dankbaren kleinen Knicks. „Oh, vielen lieben Dank!“, piepste sie erleichtert.
Die Nadelkissen-Oma lächelte warm und zufrieden. „Sehr gut gemacht, ihr beiden. Ihr habt Geduld bewiesen und Freundlichkeit gezeigt. Das gefällt mir.“
Sie beugte sich leicht vor und zog vorsichtig einen einzigen, wundervoll schimmernden Faden aus ihrem Inneren. Der Faden glänzte und funkelte in allen Farben des Regenbogens, mal blau, mal grün, mal gold, je nachdem, wie das Licht darauf fiel.
„Hier, nehmt ihn“, sagte die Oma feierlich. „Das ist der echte Traumland-Zauberfaden. Er hält jeden Knopf sicher und fest, solange die Träume seines Besitzers schön und freundlich sind.“
Knöpfli nahm den Faden fast ehrfürchtig entgegen. Mit Henris geschickter Hilfe fädelte er den leuchtenden Faden durch seine vier kleinen Löcher und zog sich damit ganz fest an den Pyjamastoff.
Sofort fühlte er sich unglaublich sicher und stark. Kein Wackeln mehr! Kein Zittern! Er saß so fest, als wäre er schon immer dort gewesen.
„Dankeschön, liebe Nadelkissen-Oma! Tausend Dank!“, riefen Henri und Knöpfli überglücklich und im Chor.
„Gern geschehen, meine Lieben. Aber nun solltet ihr euch beeilen. Seht nur, am Horizont dämmert schon der Morgen im Traumland“, sagte die Oma und zeigte auf einen zartrosa Streifen am Himmel aus Seidenstoff.
Sie verabschiedeten sich schnell, rutschten den riesigen Stoffreste-Berg auf einem glatten Stück Satin hinunter, winkten Herrn Fingerhut und Fräulein Maßband im Vorbeifliegen noch einmal kurz zu und schlüpften gerade noch rechtzeitig durch das Schlüsselloch der Nähkiste zurück in Henris Zimmer.
Henri blinzelte. Helle Sonnenstrahlen fielen durch sein Fenster und tanzten auf seiner Bettdecke. Er lag wieder in seinem eigenen, warmen Bett.
War das alles nur ein verrückter Traum gewesen? Die Reise, die sprechenden Nähutensilien, der Zauberfaden?
Er tastete vorsichtig nach seinem obersten Pyjamaknopf.
Knöpfli saß bombenfest! Nicht das kleinste bisschen Wackeln! Er war so fest, als wäre er angewachsen. Und wenn Henri ganz, ganz genau hinsah, glaubte er, einen winzigen, kaum sichtbaren Faden erkennen zu können, der leise in allen Farben des Regenbogens schimmerte.
Henri lächelte über das ganze Gesicht. Es war kein gewöhnlicher Traum gewesen. Oder vielleicht war es der beste und echteste Traum, den er je gehabt hatte.
Er drückte Knöpfli einen winzigen, geheimen Kuss auf. „Danke für das tolle Abenteuer, mein Freund“, flüsterte er leise.
Und tief in seinem Herzen wusste er: Dieser ganz besondere Knopf, gehalten vom Zauberfaden aus dem geheimnisvollen Traumland-Nähkästchen, würde ihn nun sicher durch viele Nächte begleiten und niemals verloren gehen.
Von diesem Tag an schlief Henri jede Nacht besonders gut und ohne Sorgen in seinem Raketen-Pyjama. Denn er hatte gelernt, dass selbst die kleinsten Probleme zu den aufregendsten Abenteuern führen können – man braucht nur einen mutigen Knopf an seiner Seite und eine große Prise Fantasie im Herzen.