
Der brummige Herr Brummelbär kann nicht schlafen! Sein geheimnisvoller Schlummermond ist weg. Eine lustige Suche durch den Wald beginnt.
Herr Brummelbär, der Bär mit dem gemütlichen Pelz und dem noch gemütlicheren Gähnen, war heute Morgen gar nicht gemütlich.
Er tapste mit zerknautschtem Gesicht aus seiner Höhle.
Seine Augen waren klein, seine Ohren hingen schlapp herunter, und ein leises Grummeln kam aus seiner Kehle, tiefer als sonst.
„Wo ist er nur?“, brummte er in den kühlen Morgenwald hinein. „Mein Schlummermond! Weg! Einfach weg!“
Was ein Schlummermond war? Nun, das wusste nur Herr Brummelbär so ganz genau.
Es war kein Keks und keine Beere.
Es war auch kein besonders weiches Mooskissen.
Nein, der Schlummermond war… nun ja, der Schlummermond eben! Das Ding, das ihm half, tief und fest zu schlafen, so tief, dass er vom Honigtopf-Paradies träumte.
Ohne seinen Schlummermond fühlte sich Herr Brummelbär, als hätte er auf einem Haufen spitzer Tannenzapfen geschlafen. Seine Knochen knackten beim Aufstehen, und seine Laune war so grau wie ein Regentag im November.
„Ich muss ihn finden!“, beschloss er mit einem entschlossenen Nicken, das seine Ohren kurz wackeln ließ. „Sofort! Sonst werde ich noch zum Stachel-Igel-Bär!“
Er zog seine imaginäre Detektivmütze auf (die sah ein bisschen aus wie ein großes Ahornblatt, das ihm keck auf dem Kopf saß) und begann seine Suche mit großen, ungeduldigen Schritten.
Zuerst traf er Flitzi, das Eichhörnchen. Flitzi sauste gerade einen Baumstamm hoch und runter, als gäbe es einen Preis für das schnellste Eichhörnchen der Welt oder als hätte es vergessen, wo es seine Nüsse versteckt hatte – schon wieder.
„Flitzi!“, rief Herr Brummelbär mit seiner tiefen Stimme, die die Blätter am Boden erzittern ließ. „Hast du meinen Schlummermond gesehen? Rundlich, leuchtet sanft, sehr wichtig für meinen Schlaf!“
Flitzi stoppte abrupt mitten in einer wilden Drehung, seine buschige Rute zuckte nervös. „Schlummermond? Schlummer… mond? Meinst du diese runde, leuchtende Nuss, die nachts manchmal am Himmel hängt? Die ganz große? Ich hab versucht, sie zu holen, aber sie ist viel zu hoch! Und wahrscheinlich viel zu hart zum Knacken!“
Flitzi machte einen riesigen Sprung in die Luft, als wollte er es demonstrieren, landete aber nur plumps auf dem nächsten Ast und schüttelte verdattert den Kopf.
Herr Brummelbär seufzte so tief, dass ein kleiner Vogel erschrocken davonflog. „Nein, Flitzi. Mein Schlummermond ist nicht… essbar. Glaube ich.“ Er kratzte sich am Kopf. Vielleicht hatte er ihn ja doch mal im Halbschlaf angeknabbert? Man wusste ja nie.
Er trottete weiter, tiefer in den Wald hinein. Das Moos unter seinen Pfoten fühlte sich heute nicht weich, sondern irgendwie… uneben und kitzelig an. Alles war falsch ohne den Schlummermond. Die Vögel sangen zu laut, die Sonne schien zu hell.
Unter einer alten Eiche saß Professor Huhu, die weise Eule. Sie putzte gerade ihre Brille mit einem besonders weichen Blatt und sah dabei sehr gelehrt aus. Eulen sind ja nachts wach, vielleicht wusste sie etwas.
„Professor Huhu, hochverehrte Eule!“, begann Herr Brummelbär höflich, denn mit Professoren musste man höflich sein. „Ich bin in großer Not. Mein Schlummermond ist verschwunden! Haben Sie ihn vielleicht bei Ihren nächtlichen Studien observiert?“
Professor Huhu setzte ihre Brille auf und blinzelte Herrn Brummelbär intelligent an. Ihre großen Augen musterten den Bären von oben bis unten. „Schlummermond? Ah, Sie meinen vermutlich den Erdtrabanten, Luna genannt? Ein faszinierendes Himmelsobjekt! Seine Gravitationskraft beeinflusst die Gezeiten, und seine Phasen sind ein Wunder der Himmelsmechanik!“
Die Eule begann einen langen Vortrag über Mondphasen, Schwerkraft, Krater und die Reflektion des Sonnenlichts. Sie sprach von Apogäum und Perigäum, von Maria und Terrae.
Herr Brummelbär verstand nur Bahnhof, und zwar einen sehr großen, komplizierten Bahnhof mit vielen Gleisen, die alle in verschiedene Richtungen führten. Sein Kopf begann zu brummen, aber nicht auf die gemütliche Art. Es war eher ein verwirrtes Summen.
„Nein, nein, Professor!“, unterbrach er sie schließlich sanft, aber bestimmt. „Mein Schlummermond ist… kleiner. Und… meiner! Er gehört zu mir! Er ist nicht für alle da!“
Professor Huhu schien leicht verwirrt und putzte nachdenklich ihre Brille. „Ein persönlicher Erdtrabant? Höchst ungewöhnlich. In meinen Büchern steht davon nichts. Sind Sie sicher, dass es kein besonders großes Glühwürmchen war, das sich in Ihre Höhle verirrt hat? Oder vielleicht eine seltene Art leuchtender Pilz?“
Entmutigt zog Herr Brummelbär weiter. Glühwürmchen kitzelten nur in der Nase, und Pilze schmeckten seltsam – die halfen doch nicht beim Einschlafen!
Am Ufer des kleinen Waldbachs kroch Schleichi, die Schnecke, gemächlich über ein saftig grünes Blatt. Sie hinterließ eine glitzernde Spur, als hätte sie den Weg mit Sternenstaub markiert.
„Schleichi, mein guter Langsamer“, brummte Herr Brummelbär, schon etwas müde von der Suche und dem vielen Denken über Monde und Pilze. „Du siehst doch alles, was sich nicht schnell bewegt. Hast du zufällig meinen Schlummermond gesehen? Er ist nicht schnell. Er ist… sanft.“
Schleichi zog langsam ihre Fühler ein und wieder aus, als würde sie über eine sehr komplizierte Frage nachdenken. Nach einer langen Pause, in der Herr Brummelbär fast im Stehen eingeschlafen wäre, sagte sie mit ihrer leisen, ziehenden Stimme: „Schluuuuummmer… moooond? Klingt… irgendwie… rund. Aber… auch… leuchtend? Alles, was leuchtet und schnell ist, sehe ich nicht. Ich sehe Blätter. Tautropfen. Und manchmal… den Fuß vom Reh. Aber… sehr… langsam. Ein leuchtender Mond… nein. Tut mir… leid.“
Herr Brummelbär stöhnte und ließ die Schultern hängen. Das war ja aussichtslos! Niemand kannte seinen Schlummermond! Nicht einmal die langsame Schnecke!
War er vielleicht nur ein Traum gewesen? Ein besonders schöner Traum vom Schlafen, den er jetzt vermisste?
Erschöpft ließ er sich unter einer großen, alten Buche nieder, deren Blätterdach ein kühles Halbdunkel spendete. Die Sonne stand schon höher am Himmel, aber hier im Schatten war es angenehm. Der Waldboden war mit weichem Laub bedeckt.
Er lehnte seinen schweren Kopf an den dicken Stamm und schloss die Augen. Er war so müde. So furchtbar müde und immer noch so grummelig.
Er dachte an sein gemütliches Bett in der Höhle. An das weiche Laub, das nach Wald und Schlaf roch. An das leise Rauschen des Windes in den Bäumen, das wie ein Versprechen auf süße Träume klang.
Und er dachte an seinen Schlummermond. Wie er immer aussah, wenn er ihn sah.
Er war rundlich, aber nicht ganz rund. Eher wie ein angebissener Keks oder ein Käse mit einer Maus dran.
Und er leuchtete sanft. Nicht grell wie die Sonne, sondern beruhigend, wie eine kleine Lampe nur für ihn.
Meistens sah er ihn durch die Blätter hindurch, kurz bevor er einschlief. Das Licht fiel dann in lustigen Mustern auf seine Nasenspitze. Das war das Zeichen. Zeit fürs Honigtopf-Paradies.
Herr Brummelbär seufzte tief. Vielleicht musste er einfach lernen, ohne ihn zu schlafen. Vielleicht musste er einfach grummelig bleiben.
Langsam wurde es Abend. Die Sonne verschwand hinter den Hügeln, und der Himmel färbte sich rosa, orange und lila, wie ein riesiges Gemälde.
Ein erstes Sternchen blitzte auf, dann noch eins und noch eins.
Und dann, ganz langsam, schob sich etwas Großes, Rundes und Silbriges über die Baumwipfel am Horizont.
Der Mond. Der echte, große Mond, den Professor Huhu so ausführlich beschrieben hatte.
Herr Brummelbär blinzelte. Er saß immer noch unter der Buche, halb dösend.
Er blickte nach oben, durch die Blätter der Buche hindurch, die sich sanft im Abendwind bewegten.
Und da war er.
Nicht der ganze Mond. Nur ein Teil davon, der durch eine Lücke in den Blättern schien, genau über ihm.
Er war rundlich, aber nicht ganz rund, weil die Blätter ihn teilweise verdeckten. Er sah aus wie ein angebissener Keks.
Und er leuchtete sanft, sein silbernes Licht fiel in tanzenden Mustern durch die Blätter direkt auf Herrn Brummelbärs Nasenspitze.
Herr Brummelbärs Augen wurden groß vor Überraschung. Dann wurden sie ganz klein und schläfrig.
Ein wohliges Gefühl breitete sich in seinem Bauch aus, vertrieb die letzte Grummellaune.
„Da… da ist er ja“, murmelte er mit einem zufriedenen Lächeln. „Mein… Schlummermond.“
Er war gar nicht weg gewesen. Er war nicht etwas, das man verlieren konnte wie eine Nuss oder eine Brille.
Er war der Anblick des Mondes durch seine Lieblingsblätter an seinem Lieblingsplatz unter der alten Buche.
Ein tiefes, zufriedenes Gähnen entfuhr ihm, so laut und gemütlich, dass Flitzi auf einem nahen Ast neugierig herüberschaute.
Herr Brummelbär kuschelte sich an den Baumstamm. Der Waldboden war plötzlich wieder wunderbar weich und einladend.
Das leise Rauschen des Windes klang wie das schönste Schlaflied der Welt.
Der Schlummermond schien ihm sanft auf die Nase und kitzelte ein bisschen.
Und bevor Professor Huhu überhaupt die wissenschaftliche Erklärung für die subjektive Wahrnehmung von Himmelskörpern beginnen konnte, war Herr Brummelbär schon tief und fest eingeschlafen.
Er träumte vom Honigtopf-Paradies, das größer und süßer war als je zuvor, mit Honigwasserfällen und Bienen, die Schlaflieder summten.
Flitzi, Professor Huhu und Schleichi (die gerade ankam und den schlafenden Bären betrachtete) schlichen leise näher. Sie sahen den schlafenden Bären, den friedlichen Ausdruck auf seinem Gesicht und den Mondschein, der durch die Blätter tanzte.
„Ah“, sagte Professor Huhu leise und nickte verständnisvoll. „Ich glaube, ich verstehe nun die Natur dieses spezifischen ‚Schlummermondes‘. Es ist ein Phänomen der persönlichen Assoziation und des Wohlbefindens.“
Flitzi kicherte leise. „Sieht gemütlich aus. Fast so gut wie eine riesige, leuchtende Nuss, die man nicht knacken muss.“
Schleichi sagte nichts, aber sie zog ihre Fühler zufrieden ein und kroch langsam weiter. Der Wald war wieder in Ordnung. Herr Brummelbär hatte seinen Schlummermond gefunden. Oder besser gesagt, er hatte verstanden, was er wirklich brauchte, um gut zu schlafen: Ruhe, seinen Lieblingsplatz und den sanften Schein des Mondes durch die Blätter.