
Ein wackeliger Stuhl erzählt seinen Spielzeugfreunden eine knarzende, aber lustige Gute-Nacht-Geschichte über eine Raketenmission im Kinderzimmer.
Es war Schlafenszeit im Kinderzimmer. Der Mond schaute schon ganz müde durchs Fenster und warf lange, lustige Schatten an die Wand.
Alle Spielzeuge hatten es sich gemütlich gemacht. Brummelbär, der Teddy mit dem Flicken am Ohr, schnarchte schon leise in der Kuschelecke.
Robo-Blitz, der kleine Roboter, hatte seine Lämpchen auf Dimmlicht gestellt und summte eine leise Melodie vor sich hin.
Nur einer war noch hellwach, oder besser gesagt, hell-wackelig: Herr Stuhlbein.
Herr Stuhlbein war ein alter Holzstuhl, der schon viele Kinderpopos getragen hatte. Er stand neben dem Schreibtisch und war ein bisschen… nun ja, wackelig.
Nicht schlimm wackelig, nur so ein bisschen gemütlich wackelig. Aber heute Nacht war es anders.
Knarrrz! machte Herr Stuhlbein.
Wackel-di-wackel! ging es hin und her.
Brummelbär brummte im Schlaf. „Ist schon gut, Herr Stuhlbein. Gleich ist Ruhe.“
Aber Herr Stuhlbein konnte nicht aufhören.
Knarrz-knarrz!
Wackel-knack!
„Ich kann nicht!“, flüsterte der Stuhl mit seiner knarzigsten Stimme. „Da ist was drin! Das muss raus!“
Robo-Blitz fuhr seine Antennen aus. „Was ist drin, Herr Stuhlbein? Ein loser Nagel? Falsches Öl? Soll ich Analyse starten?“
„Nein, nein, Robo-Blitz“, knarzte Herr Stuhlbein und wackelte aufgeregt. „Kein Nagel. Eine Geschichte! Eine ganze Geschichte steckt fest!“
Er wackelte so sehr, dass ein kleiner Bleistiftstummel vom Schreibtisch kullerte. Plumps.
„Eine Geschichte?“, summte Robo-Blitz neugierig. „Logische Abfolge von Ereignissen mit Spannungsbogen? Sehr interessant! Erzähl!“
Herr Stuhlbein holte tief Luft, was bei einem Stuhl eher wie ein langes Knarren klang.
„Ich versuch’s ja“, ächzte er. „Aber sie ist so… kitzelig! Sie will raus und macht mich ganz wackelig!“
Er versuchte, stillzustehen, aber ein Bein zitterte.
Knack!
„Aua!“, rief Brummelbär, der jetzt doch aufgewacht war. „Was ist denn los? Kann ein Bär hier nicht in Ruhe Winterschlaf… äh… Nachtschlaf halten?“
„Herr Stuhlbein hat eine Geschichte im Holz stecken!“, erklärte Robo-Blitz wichtig.
Brummelbär rieb sich die Augen. „Eine Geschichte? Na, dann erzähl schon, damit wir endlich schlafen können.“
Herr Stuhlbein räusperte sich knarrend. „Also gut. Es war einmal… ähm… es war heute Nachmittag…“
Knarrz!
Wackel!
„Siehst du?“, jammerte er. „Sie zwickt!“
Da meldete sich eine ruhige, tiefe Stimme aus der Ecke. Es war Frau Regalweiser, das große Bücherregal, das schon unzählige Geschichten beherbergt hatte.
„Lieber Herr Stuhlbein“, sagte sie sanft. „Eine Geschichte ist wie ein Kribbeln. Man muss sie einfach rauslassen. Fang langsam an. Vielleicht hilft es, wenn du dich an den schönsten Teil erinnerst?“
Herr Stuhlbein dachte nach. Seine Holzmaserung schien dabei leicht zu leuchten.
„Der schönste Teil… ja!“, knarrte er plötzlich etwas fröhlicher. „Das war, als ich… als ich eine Rakete war!“
Brummelbär setzte sich auf. „Du warst eine Rakete? Ein Stuhl?“
Robo-Blitz aktivierte seine Suchscheinwerfer. „Unlogisch. Stühle haben keinen Raketenantrieb. Fehlende aerodynamische Form.“
„Papperlapapp!“, knarzte Herr Stuhlbein stolz. „Ich war eine Rakete! Für Leo! Ihr wisst schon, das Kind, das hier wohnt.“
Er wackelte jetzt rhythmischer, fast wie ein Tänzer.
„Leo kam heute Nachmittag ins Zimmer gestürmt. ‚Startklar machen zur Mondmission!‘, hat er gerufen. Und dann… hat er MICH genommen!“
Herr Stuhlbein machte eine Pause, die voller Knistern war.
„Er hat mich mitten ins Zimmer geschoben. ‚Das ist die Kommandokapsel Stuhlbein Eins!‘, hat er gesagt. Und dann hat er sich draufgesetzt.“
Knarrz-wackel-di-wackel!
„Und dann ging’s los!“, erzählte Herr Stuhlbein immer aufgeregter. „Leo hat Geräusche gemacht! Ein lautes Rauschen! ‚Zündung!‘ hat er gerufen.“
Herr Stuhlbein wackelte jetzt so sehr, dass er fast hüpfte.
„Und ich? Ich habe mitgemacht! Ich habe geknarrt und gewackelt, so gut ich konnte! Das war der Start! Knarrrrrz – das war der Schub! Wackel-wackel – das waren die Turbulenzen!“
Robo-Blitz piepste. „Simulation von Weltraumflug durch auditive und kinetische Reize. Faszinierend!“
„Wir sind geflogen!“, knarzte Herr Stuhlbein selig. „Durch Sternennebel aus Staubflocken unterm Bett! Vorbei am gefährlichen Planeten Legostein! Bis hin zur fernen Galaxie der verlorenen Socken hinter dem Schrank!“
Brummelbär staunte. „Wow! Und? Seid ihr auf dem Mond gelandet?“
Herr Stuhlbein wackelte bedächtig. „Fast! Leo hat gerufen: ‚Landung auf dem Käsekuchen-Mond!‘ Er hat versucht, ganz sanft aufzusetzen. Aber…“
Knack!
„…da bin ich ein bisschen ZU sehr gewackelt. Und Leo ist mit einem Plumps auf den Teppich gerutscht.“
„Oh!“, machte Brummelbär.
„Systemfehler bei Landung?“, fragte Robo-Blitz.
„Nein“, knarzte Herr Stuhlbein lachend. „Leo hat auch gelacht! Er hat gesagt: ‚Bruchlandung auf dem weichen Käsekuchen! Mission erfolgreich!‘ Und dann hat er mich tätschelt.“
Herr Stuhlbein stand jetzt ganz still. Nur ein leises, zufriedenes Knistern war noch zu hören.
„Und das“, sagte er leise, „war die Geschichte, die feststeckte.“
Im Zimmer war es still. Brummelbär gähnte. „Das war eine schöne Geschichte, Herr Stuhlbein. Eine wackelige, aber schöne.“
„Sehr unterhaltsam“, summte Robo-Blitz und dimmte seine Lichter noch weiter. „Daten gespeichert unter ‚Abenteuer Stuhlbein Eins‘.“
Frau Regalweiser lächelte im Dunkeln. „Siehst du? Jetzt ist sie draußen, und du kannst ruhen.“
Herr Stuhlbein fühlte sich leicht und gar nicht mehr wackelig. Nur noch gemütlich müde.
„Ja“, knisterte er zufrieden. „Jetzt kann ich schlafen.“
Und das tat er dann auch. Er träumte vom Fliegen, ganz ohne Wackeln, sanft wie auf Wolken.
Auch Brummelbär und Robo-Blitz schliefen bald ein, und im ganzen Zimmer herrschte tiefe, zufriedene Ruhe.
Nur der Mond schien noch ein bisschen wacher als vorher durchs Fenster, als hätte er der knarzigen Raketen-Geschichte von Herrn Stuhlbein gelauscht.
Gute Nacht.