Hubert Hut will nicht an den Haken gehängt werden

Hubert Hut will nicht an den Haken gehängt werden

Hubert, ein Hut, hasst seinen Haken an der Garderobe. Er will Abenteuer! Doch als er einen verlorenen Knopf entdeckt, wird sein Platz zum Ausguck.

Hubert Hut war kein gewöhnlicher Hut.

Oh nein, Hubert war ein Hut mit Charakter.

Ein schicker, brauner Filzhut mit einem kecken Band, aber Hubert hatte ein großes Problem: Er hasste es, am Haken zu hängen.

Jeden Abend, wenn Papa Klaus nach Hause kam, nahm er Hubert vom Kopf und – schwupps – landete Hubert am obersten Haken der Garderobe im Flur.

„Immer dasselbe Lied“, murmelte Hubert leise vor sich hin, als er mal wieder mit seiner Krempe gegen die kühle Holzwand baumelte. „Hängen, hängen, hängen. Ist das alles, was ein Hut im Leben tut?“

Unter ihm standen die Schuhe ordentlich aufgereiht. Links Papas große Lederschuhe, rechts Mamas bunte Sneaker und dazwischen die kleinen, blitzenden Gummistiefel vom kleinen Leo.

„Ihr habt es gut“, seufzte Hubert zu den Schuhen hinunter. „Ihr kommt raus, seht die Welt, springt in Pfützen! Und ich? Ich hänge hier und starre die Wand an. Oder bestenfalls die Jackenärmel von dieser dicken Winterjacke.“

Die Winterjacke, die neben ihm hing, raschelte beleidigt. „Ich bin nicht dick, ich bin flauschig!“

Hubert verdrehte seine nicht vorhandenen Augen. „Flauschig, dick, ist doch egal. Hauptsache, du versperrst mir nicht die Sicht auf den Rest des Flurs.“

Er träumte von Abenteuern. Davon, auf einem Schiff den Ozean zu überqueren, auf einem Berggipfel die Aussicht zu genießen oder vielleicht sogar… ja, vielleicht sogar heimlich ins Wohnzimmer zu rollen und zu sehen, was dort Spannendes passierte.

„Ich will nicht mehr nur ein Hut sein, der wartet“, beschloss Hubert an diesem Abend besonders energisch. „Ich will… ich will etwas erleben!“

Er begann, vorsichtig zu wackeln. Erst ein bisschen nach links, dann ein bisschen nach rechts. Vielleicht konnte er sich ja vom Haken schubsen?

Plumps! Das wäre ein Geräusch! Dann würde ihn jemand aufheben und vielleicht… vielleicht würde er dann woanders landen? Auf dem Sofa? Im Spielzeugkorb von Leo?

Er wackelte stärker. Die Garderobe knarrte leise.

„Psst!“, zischte ein roter Schal vom unteren Haken. „Sei still, sonst weckst du noch die Katze auf!“

Hubert ignorierte den Schal. Er konzentrierte sich. Noch ein bisschen mehr Schwung…

In diesem Moment hörte er Stimmen aus dem Wohnzimmer. Es war Mama Lena und der kleine Leo.

„Aber Mama, Bärlis Knopf ist weg!“, schluchzte Leo. „Sein schönster Knopf! Der goldene!“

Bärli war Leos allerliebster Teddybär, ein schon etwas zerknuddelter Geselle mit einem einzigen, glänzenden Goldknopf an seiner Weste.

„Wir suchen ihn morgen früh, mein Schatz“, sagte Mama Lena beruhigend. „Jetzt ist Schlafenszeit. Bärli schläft bestimmt auch ohne Knopf gut.“

Leo schniefte noch einmal laut, dann hörte Hubert, wie kleine Füße ins Kinderzimmer tapsten.

Ein fehlender Knopf? Hubert horchte auf. Ein goldener Knopf… Moment mal!

Er erinnerte sich. Als Papa Klaus ihn vorhin abgelegt hatte, war ihm doch etwas aufgefallen! Etwas Kleines, Rundes, Glänzendes war von Papas Jacke gerollt, als er sie auszog. Direkt neben Leos Gummistiefel!

Hubert spähte nach unten, so gut es ging. Ja! Da lag er! Zwischen dem roten Gummistiefel und der Wand funkelte ein kleiner, goldener Punkt im schwachen Licht der Flurlampe.

„Der Knopf!“, dachte Hubert aufgeregt. „Ich habe ihn gefunden!“

Plötzlich fühlte sich das Hängen am Haken gar nicht mehr so langweilig an. Von hier oben hatte er den perfekten Überblick! Er konnte alles sehen, was im Flur passierte. Er war wie ein… ein Wächter!

Aber wie sollte er es Leo oder Mama oder Papa sagen? Ein Hut kann ja schlecht rufen.

„Hallo! Hier unten! Der Knopf!“, versuchte er zu flüstern, aber es kam nur ein leises Rascheln aus seinem Filz.

Er wackelte wieder. Diesmal nicht, um herunterzufallen, sondern um auf sich aufmerksam zu machen.

Er ruckelte und zuckelte, bis der alte Holzhaken unter ihm anfing, laut zu quietschen.

Quietsch… Quiiieeetsch…

„Was ist denn das?“, hörte Hubert Papas Stimme aus dem Wohnzimmer. Papa Klaus kam in den Flur und schaute zur Garderobe.

„Komisch, der Haken quietscht ja“, murmelte er und drückte Hubert ein wenig fester an die Wand. Das Quietschen hörte auf.

„Nein!“, dachte Hubert verzweifelt. „Du sollst doch nach unten schauen!“

Er nahm all seine Kraft zusammen und ließ sich mit einem Ruck zur Seite kippen, so weit es ging. Seine Krempe zeigte jetzt fast direkt auf die Stelle neben den Gummistiefeln.

Und er wackelte weiter, bis der Haken wieder sein Lied sang: Quietsch! Quiiieeetsch!

In diesem Moment kam Leo noch einmal verschlafen aus seinem Zimmer getippelt, den Bärli fest im Arm.

„Papa, was quietscht so?“

„Ach, nur der alte Haken, an dem Hubert hängt“, sagte Papa Klaus.

Leo blickte nach oben zu Hubert. Er sah, wie der Hut seltsam schief hing und immer wieder quietschte.

„Warum zeigt Hubert denn da hin?“, fragte Leo und folgte mit seinem Blick der Richtung, in die Huberts Krempe wies.

Er ging zu seinen Gummistiefeln. Bückte sich. Und dann rief er laut:

„Mein Knopf! Bärlis Knopf! Papa, Mama, schaut mal! Hubert Hut hat ihn gefunden!“

Mama Lena kam schnell herbei. „Tatsächlich! Da ist er ja! Wie ist der denn dahin gekommen?“

„Hubert hat ihn gesehen!“, erklärte Leo stolz und streichelte vorsichtig Huberts Filz. „Danke, Hubert! Du bist der beste Hutfreund!“

Hubert fühlte sich… gut. Richtig gut. Er hatte geholfen! Von seinem Haken aus!

An diesem Abend, als Hubert wieder gerade am Haken hing und die Flurlampe ein sanftes Licht auf den wieder angenähten goldenen Knopf an Bärlis Weste warf (Bärli saß zur Feier des Tages auf dem Schuhregal), dachte Hubert nach.

Abenteuer wären immer noch toll. Vielleicht würde er morgen davon träumen, auf einem Kamel durch die Wüste zu reiten (natürlich auf dem Kopf des Reiters).

Aber dieser Haken hier… er war vielleicht doch nicht der schlechteste Platz auf der Welt. Von hier aus konnte er aufpassen. Er konnte beobachten. Er konnte der stille, wachsame Hüter des Flurs sein.

„Gar nicht so übel“, murmelte Hubert Hut zufrieden, bevor er in einen tiefen, hut-typischen Schlaf fiel. „Morgen schaue ich mal, ob die Katze wieder versucht, den roten Schal zu klauen.“

Und das leise Quietschen des Hakens klang jetzt fast wie ein zufriedenes Schnurren.