
Ida Igel kuschelte sich tief in ihr Blätterbett.
Es war eigentlich gemütlich, weich und raschelte so schön, wenn sie sich bewegte.
Aber Ida konnte einfach nicht einschlafen.
Sie blinzelte durch die Blätter hindurch nach oben.
Dort am Nachthimmel hing er: der Mond.
Groß, rund und leuchtend weiß.
Doch für Ida sah er heute Abend nicht einfach nur wie der Mond aus.
Nein, er sah aus wie ein riesiges, müdes Gesicht, das gerade ganz, ganz weit gähnte.
Ein stilles, aber gewaltiges Mond-Gähnen.
„Na sowas!“, murmelte Ida in ihr Kissen aus Moos.
„Der Mond gähnt mich an! Frechheit!“
Ida war ein Igelmädchen mit einem ziemlichen Dickkopf unter den Stacheln.
Sie richtete sich auf, ihre kleinen Knopfaugen funkelten empört.
„Der denkt wohl, er ist müder als ich? Der will mich wohl ins Bett gähnen? Das lassen wir mal schön bleiben!“
Eine Idee blitzte in Idas kleinem Igelhirn auf.
„Ich fordere ihn heraus! Zu einem Gähnwettbewerb! Mal sehen, wer zuerst einschläft!“
Entschlossen tapste Ida aus ihrem Laubhaufen hinaus in die kühle Nachtluft.
Sie stellte sich auf eine kleine Anhöhe, reckte ihr Schnäuzchen zum Himmel und holte tief Luft.
Dann riss sie ihr kleines Maul so weit auf, wie sie nur konnte.
„HAAAAAAAAAAAAHHH!“, gähnte Ida mit aller Kraft, dass ihre Stacheln zitterten.
Sie schaute erwartungsvoll nach oben.
Der Mond hing einfach da. Rund. Hell. Still.
Keine Reaktion.
„Hmm, der ist zäh“, brummte Ida.
Sie wollte gerade zu einem zweiten Super-Gähner ansetzen, als es im Gebüsch raschelte.
Herr Fuchs kam herausgeschlichen, mit zerzaustem Fell und müden Augen.
Er lief unruhig hin und her.
„Was ist denn los, Herr Fuchs? Kannst du auch nicht schlafen?“, fragte Ida neugierig.
Herr Fuchs schnaubte genervt.
„Schlafen? Wie soll man denn schlafen bei diesem Lärm! Hörst du das denn nicht? Diese winzige Grille! Zirp, zirp, zirp! Ununterbrochen! Zum Aus-der-Haut-fahren!“
Ida spitzte die Ohren. Ja, da war ein leises Zirpen.
„Ich bin gerade beschäftigt“, erklärte Ida wichtig.
„Ich habe einen Gähnwettbewerb mit dem Mond. Er hat angefangen!“
Herr Fuchs zog eine Augenbraue hoch.
„Einen… was? Einen Gähnwettbewerb? Mit dem Mond?“
Er schaute zum Himmel, dann zu Ida, dann wieder zum Himmel.
Ein kleines Zucken erschien um seine Fuchsschnauze. Fand er das etwa komisch?
„Na gut“, sagte er dann mit einem Seufzer.
„Vielleicht hilft ein ordentliches Gähnen ja, diese Grille zu übertönen. Oder mich müde zu machen.“
Er stellte sich neben Ida, reckte den Hals und stieß ein beeindruckend lautes, fuchsigen Gähnen aus.
„HUUUUUUAAAAAAHHHHH!“
Es klang fast wie ein kleines Heulen.
Ida nickte anerkennend. „Nicht schlecht, Herr Fuchs.“
Der Mond? Immer noch unverändert.
Gemeinsam tapsten sie weiter durch den nächtlichen Wald.
Auf einem dicken Ast saß Frau Eule. Normalerweise war sie um diese Zeit auf Mäusejagd, aber heute blinzelte sie nur schläfrig vor sich hin.
„Guten Abend, Frau Eule!“, rief Ida.
„Warum sind Sie denn nicht unterwegs?“
Frau Eule drehte langsam ihren Kopf.
„Schönen guten Abend, ihr zwei“, huhute sie leise.
„Ach, dieser Mond heute Nacht… er ist so… präsent.“
Sie blinzelte langsam.
„Er starrt so. Man fühlt sich… beobachtet. Das lenkt irgendwie ab von der Jagd. Macht ganz… schlafmützig.“
„Wir machen einen Gähnwettbewerb gegen ihn!“, platzte Ida heraus.
„Weil er mich angegähnt hat!“
Frau Eule neigte den Kopf.
„Einen Wettbewerb? Gegen den Mond? Eine… interessante Vorstellung.“
Sie plusterte ihr Federkleid auf.
„Nun, wenn es der Sache dient… ein distinguiertes Eulen-Gähnen kann sicher nicht schaden.“
Sie öffnete ihren Schnabel zu einem breiten, aber sehr leisen Gähnen.
„Hoooo-uuuuuuaaaaaahhh.“
Es klang sehr elegant.
Nun standen sie zu dritt da: Ida Igel, Herr Fuchs und Frau Eule.
Alle blickten sie zum Mond empor.
Ida versuchte es mit einem weiteren Stachel-zitter-Gähner.
Herr Fuchs ließ ein grummeliges Gähnen folgen, das immer noch ein bisschen nach Grille klang.
Frau Eule gähnte noch einmal vornehm hinter den Flügel gehalten.
Und dann passierte etwas Lustiges.
Als Ida gähnte, musste Herr Fuchs plötzlich auch wieder gähnen.
Und als Herr Fuchs gähnte, wurden Frau Eules Augenlider noch schwerer und sie gähnte leise mit.
„Gähnen ist ja ansteckend!“, kicherte Ida.
Sie schaute wieder zum Mond. Er hing immer noch da, groß und rund und schweigend gähnend.
Oder sah er vielleicht gar nicht gähnend aus?
Sah er nicht einfach nur… friedlich aus?
Und sehr, sehr schläfrig?
„Er ist wirklich gut“, murmelte Ida, spürte aber, wie ihre eigenen Augenlider schwer wurden.
Dieses ganze Gähnen machte sie unglaublich müde.
Herr Fuchs streckte sich ausgiebig.
„Wisst ihr was?“, sagte er und seine Stimme klang viel entspannter.
„Ich bin jetzt tatsächlich… müde. Die Grille? Ich höre sie kaum noch.“
Er gähnte noch einmal, diesmal ganz entspannt.
Frau Eule nickte langsam.
„In der Tat. Vielleicht wollte der Mond gar keinen Wettbewerb. Vielleicht wollte er uns nur… an die Bettruhe erinnern?“
Sie schloss langsam ihre großen, runden Augen.
Ida blickte ein letztes Mal zum Mond.
Er sah immer noch rund und hell aus.
Aber jetzt wirkte er nicht mehr frech, sondern eher wie eine sanfte, leuchtende Decke über dem schlafenden Wald.
Ein letztes, winziges Gähnen entkam Ida.
„Mhmmm-haaah.“
Es war kaum zu hören.
„Gute Nacht, Herr Fuchs. Gute Nacht, Frau Eule“, flüsterte Ida.
„Schlaf gut, Ida“, murmelte der Fuchs und trottete zu seinem Bau.
„Angenehme Ruhe“, huhute die Eule und kuschelte sich auf ihrem Ast zusammen.
Ida tapste zurück zu ihrem Laubhaufen.
Sie rollte sich zu einer kleinen Kugel zusammen.
Es war wieder gemütlich, weich und raschelte beruhigend.
„Okay, Mond“, flüsterte sie schläfrig.
„Unentschieden. Oder… vielleicht hast du doch gewonnen.“
Ein kleines Lächeln zog über Idas Igelschnäuzchen.
Sie schloss die Augen.
Das Bild des großen, runden, friedlichen Mondes schaukelte sie sanft in den Schlaf.
Und im ganzen Wald war es nun still, bis auf das leise Zirpen einer Grille, das jetzt aber niemanden mehr störte.