Karlchens Karotte und der Traum vom Purzelbaum

Karlchens Karotte und der Traum vom Purzelbaum

Der kleine Hamster Karlchen findet eine Zauberkarotte, die ihm im Traum perfekte Purzelbäume schenkt. Eine lustige Geschichte über Träume und Freude.

Karlchen war ein kleiner Hamster mit einem sehr gemütlichen Zuhause unter den Wurzeln eines knorrigen Apfelbaums.

Sein Bau war weich ausgepolstert mit Moos und Blättern, und seine Vorratskammer war fast immer gut gefüllt mit knackigen Sonnenblumenkernen und getrockneten Beeren.

Karlchen liebte sein kleines Reich. Er liebte es, morgens die Nase in die frische Waldluft zu stecken und abends den Grillen beim Zirpen zuzuhören.

Aber manchmal, wenn er so in seinem weichen Bett lag, wünschte er sich ein kleines bisschen mehr Aufregung. Etwas Besonderes.

Er bewunderte oft die flinken Eichhörnchen, wie sie elegant von Ast zu Ast sprangen und dabei manchmal sogar einen kleinen Überschlag machten.

„Ach“, seufzte Karlchen dann leise vor sich hin. „Einmal einen richtig tollen Purzelbaum schlagen können, das wär’s! Aber meine Beinchen sind dafür wohl zu kurz und mein Bäuchlein zu rund.“

Eines Abends, als die Sonne schon tief stand und lange Schatten über die Lichtung warf, war Karlchen wieder unterwegs, um seine Vorräte aufzufüllen.

Er schnupperte hier an einem Grashalm, knabberte dort an einem vergessenen Bucheckerlein und hielt Ausschau nach saftigen Klee.

Plötzlich stieß seine Nase gegen etwas Hartes, das aus der Erde ragte. Es war leuchtend orange und roch unglaublich süß und erdig.

„Huch? Was ist das denn?“, murmelte Karlchen und stupste das Ding neugierig an.

Es war eine Karotte! Aber was für eine! Sie war riesig, viel größer als alle Karotten, die Karlchen je gesehen hatte. Sie schien fast magisch in der Abenddämmerung zu leuchten.

Sie steckte ganz in der Nähe vom Eingang des Dachsbaus, wo der alte, meist schlecht gelaunte Gustav wohnte. Gustav schlief aber zum Glück fast immer.

Karlchen packte das grüne Ende der Karotte mit seinen Pfötchen und zog. Nichts.

Er stemmte die Füßchen in den Boden und zog fester. Immer noch nichts. Die Karotte saß bombenfest.

„Na warte!“, schnaufte Karlchen entschlossen. Er nahm Anlauf, sprang gegen das Karottengrün und zog mit aller Kraft rückwärts.

Ruck! Die Karotte bewegte sich ein kleines Stück.

Nochmal! Karlchen sammelte seine ganze Hamsterkraft, zog und zerrte, seine Backen blähten sich vor Anstrengung auf.

Plopp! Da war sie draußen! Die Karotte war so groß, dass Karlchen fast unter ihr verschwand.

Stöhnend und schwitzend begann er, die riesige orange Beute in Richtung seines Baus zu schieben und zu zerren. Es war eine Mordsarbeit!

Mehrmals musste er anhalten und verschnaufen. Einmal rollte die Karotte fast einen kleinen Hügel hinunter, aber Karlchen warf sich heldenhaft davor.

Endlich, völlig erschöpft, aber mächtig stolz, hatte er die Riesenkarotte in seinen Bau bugsiert. Sie nahm fast den ganzen Eingangsbereich ein.

„Puh!“, keuchte er. „Die reicht für Wochen!“ Er konnte nicht widerstehen und knabberte ein großes Stück von der Spitze ab. Sie schmeckte noch süßer und knackiger, als sie roch.

Mit vollem Bauch kuschelte sich Karlchen in sein Nest und schlief sofort ein.

Und dann passierte es.

Im Traum fühlte sich Karlchen plötzlich ganz leicht und federnd. Er stand auf einer Wiese aus weichem Klee unter einem sternenklaren Himmel.

Er dachte an seinen Wunsch, einen Purzelbaum zu schlagen. Nur mal probieren…

Er duckte sich ein wenig, stieß sich leicht ab und… Schwupps! Er rollte sich mühelos durch die Luft, landete sanft auf seinen Pfötchen und stand wieder da, als wäre es das Einfachste der Welt.

„Wow!“, staunte Karlchen im Traum. „Das ging ja… einfach so!“

Er versuchte es gleich noch einmal. Schwupps! Wieder ein perfekter Purzelbaum! Und noch einer! Und noch einer!

Karlchen juchzte vor Freude und purzelte durch seinen Traum. Er schlug Purzelbäume über flauschige Schäfchenwolken, rutschte Purzelbaum schlagend Regenbogen hinunter und landete lachend in einem Meer aus duftenden Traumblumen.

Es war das schönste Gefühl, das er je gehabt hatte!

Als Karlchen am nächsten Morgen aufwachte, war er immer noch ganz aufgeregt.

„Ich kann es! Ich kann Purzelbäume schlagen!“, rief er fröhlich in seinem Bau.

Er wollte es sofort ausprobieren. Er nahm Anlauf auf dem Moosboden, duckte sich und… Rums! Er kullerte unbeholfen gegen die Wand seines Baus.

„Autsch!“, murmelte er und rieb sich den Kopf. „Das war aber kein schöner Purzelbaum.“

Er versuchte es wieder. Wieder nur ein ungeschicktes Kullern.

Karlchen setzte sich hin und dachte nach. Dann fiel sein Blick auf die riesige, angeknabberte Karotte.

„Moment mal…“, murmelte er. „Könnte es sein, dass…?“

Er erzählte seiner Nachbarin, der weisen alten Feldmaus Frau Hüpfel, von seinem Traum und der Karotte.

Frau Hüpfel spitzte die Ohren und nickte bedächtig. „Aha! Das klingt nach einer echten Traumwurzel, mein lieber Karlchen. Man sagt, wer davon isst, dem erfüllen sich im Traum die kühnsten Wünsche.“

Eine Traumwurzel! Karlchen war begeistert.

Jeden Abend, bevor er schlafen ging, knabberte Karlchen nun ein Stück von seiner magischen Karotte.

Und jede Nacht erlebte er die wunderbarsten Purzelbaum-Abenteuer in seinen Träumen.

Er purzelte um die Wette mit den Sternschnuppen, er schlug Saltos über glitzernde Seen und einmal träumte er sogar, wie er dem grummeligen Dachs Gustav (der im Traum erstaunlich elegant war) das Purzelbaumschlagen beibrachte.

Die Tage vergingen, und die Karotte wurde kleiner und kleiner.

Karlchen wurde ein bisschen traurig, als er sah, dass nur noch ein kleines Stückchen übrig war.

An diesem Abend knabberte er den letzten Rest der Traumwurzel auf und kuschelte sich in sein Nest.

In dieser Nacht träumte er wieder vom Purzelbaumschlagen. Aber diesmal war es anders.

Er versuchte zu purzeln, aber es war wieder so ungeschickt wie im Wachzustand. Er kullerte und stolperte durch seinen Traum.

Gerade als er enttäuscht aufgeben wollte, erschien im Traum Frau Hüpfel neben ihm.

Sie lächelte weise. „Siehst du, Karlchen?“, sagte sie sanft. „Der perfekte Purzelbaum im Traum war schön, nicht wahr? Aber der wahre Spaß liegt doch im Probieren, im Lachen über das Stolpern und in der Freude an der Bewegung selbst, egal wie sie aussieht.“

Karlchen dachte im Traum darüber nach. Frau Hüpfel hatte recht.

Als er am nächsten Morgen aufwachte, war die Karotte verschwunden. Aber Karlchen war nicht mehr traurig.

Er krabbelte aus seinem Bau in die Morgensonne. Er atmete tief die frische Luft ein.

Dann, einfach so, aus reiner Freude, versuchte er einen Purzelbaum im weichen Gras.

Er kullerte wieder ziemlich unbeholfen, landete auf dem Rücken und strampelte kurz mit den Beinchen in der Luft.

Aber diesmal lachte er laut auf. Es war ein lustiges, kitzeliges Gefühl.

Er versuchte es gleich nochmal, lachte wieder und fühlte sich wunderbar lebendig.

Die Traumwurzel war weg, aber die Erinnerung an die schönen Träume und die Freude am lustigen Herumkullern im Gras waren geblieben.

Und das, dachte Karlchen, während er fröhlich weiter durchs Gras purzelte, war eigentlich das Allerbeste.