
Lina hat Superohren! Eines Abends hört sie ein seltsames Kitzeln in der Stille. Eine lustige Suche nach dem Geräusch, das nur sie hören kann.
Lina hieß eigentlich nur Lina. Aber weil sie Ohren hatte, die besser hören konnten als die von Fledermäusen (fand sie zumindest) und viel besser als die von Papa (fand Papa auch), nannten sie manche heimlich „Lina Lauscher“.
Lina hörte das Summen der Mücke schon, wenn sie noch drei Zimmer entfernt war.
Sie hörte, wenn Mama versuchte, ganz leise die Keksdose zu öffnen.
Sie hörte sogar das Gähnen der Goldfische im Aquarium, ein winziges „Blubb-gähn“.
Meistens war das ziemlich praktisch. Manchmal aber auch… anstrengend.
An diesem Abend war es aber anders. Es war nicht laut, nicht leise, sondern… kitzlig.
Lina lag in ihrem Bett, das Licht war aus, nur der Mond malte einen silbernen Streifen auf den Teppich.
Mama und Papa hatten ihr schon einen Gutenachtkuss gegeben und die Tür leise zugezogen.
Es war still im Haus. Richtig still.
Doch dann hörte Lina es.
Ein ganz feines, leises… Kitzeln.
Es war kein Geräusch wie das Ticken der Uhr oder das Brummen des Kühlschranks.
Es war eher so, als würde die Stille selbst kichern.
Ein winziges, prickelndes Geräusch, wie Brausepulver, das man nur mit Superohren hören kann.
„Psst-kitzel-psst“, machte es.
Lina setzte sich auf. Wo kam das her?
Sie spitzte ihre Lauscherohren noch mehr.
Das Geräusch war überall und nirgends.
Es kam nicht von draußen. Es kam nicht aus dem Schrank, wo manchmal die Monster wohnten (aber nur die freundlichen, die Angst im Dunkeln hatten).
Es kam auch nicht von unter dem Bett, wo sich gerne Wollmäuse zum Teekränzchen trafen.
Lina schlich zur Tür und drückte ihr Ohr an das Holz.
Nichts. Nur das leise Schnarchen von Papa aus dem Schlafzimmer am Ende des Flurs. Das klang eher wie ein gemütlicher Bär, nicht wie ein Kitzeln.
Sie ging zum Fenster.
Draußen schlief der Garten. Der Wind hielt den Atem an, die Sterne blinzelten müde.
Kein Kitzeln von dort.
Lina überlegte. War das vielleicht ein neues Geräusch? Ein geheimes Hausgeräusch, das nur nachts zu hören war?
Sie holte ihren Teddybären, Herrn Brummel. Herr Brummel war sehr mutig und hatte auch ganz gute Ohren, obwohl sie aus Plüsch waren.
„Herr Brummel“, flüsterte Lina, „hörst du das auch? Dieses… Kitzeln?“
Herr Brummel sagte nichts, aber Lina meinte, ein zustimmendes Nicken in seinen Knopfaugen zu sehen.
Gemeinsam machten sie sich auf die Suche.
Sie lauschten an der Heizung. Die gluckste nur leise vor sich hin, als hätte sie Wasser geträumt.
Sie lauschten am Kühlschrank in der Küche. Der summte eine tiefe Melodie, wie ein zufriedener Wal.
Sie lauschten an der schlafenden Katze Minka auf dem Sofa. Minka schnurrte leise, ein warmer, brummender Klang, aber kein Kitzeln.
Das Kitzelgeräusch war immer noch da. Ganz fein, ganz leise.
Lina setzte sich mitten auf den Wohnzimmerteppich. Herr Brummel saß neben ihr.
Sie schloss die Augen und konzentrierte sich.
Wo war dieses Geräusch?
Sie hörte ihr eigenes Herz pochen. Bumbum, bumbum.
Sie hörte ihren eigenen Atem. Rein, raus.
Und darunter, ganz zart, hörte sie es wieder.
Psst-kitzel-psst.
Es war, als würde jemand mit einer winzigen Feder über die Stille streichen.
Lina musste kichern. Das Geräusch war irgendwie lustig.
Plötzlich hatte sie eine Idee.
Vielleicht war das Geräusch gar nicht *in* einem Ding?
Vielleicht war es die Stille selbst?
Vielleicht war die Stille manchmal so still, dass sie anfing, sich selbst zu kitzeln?
So wie Lina manchmal lachen musste, wenn es ganz, ganz leise war und sie nicht lachen durfte?
Ja, das musste es sein!
Das war das Kitzeln der Stille!
Ein Geräusch, das nur kam, wenn alles andere schlief und zur Ruhe kam.
Ein Geräusch für Superohren wie ihre.
Lina stand auf und trug Herrn Brummel zurück in ihr Zimmer.
Sie kuschelte sich wieder unter ihre Decke.
Jetzt lauschte sie ganz bewusst auf das Kitzeln.
Psst-kitzel-psst.
Es war gar nicht mehr seltsam. Es war freundlich.
Es war, als würde die Stille ihr zwinkern und sagen: „Alles ist gut, alles ist ruhig. Schlaf schön.“
Lina lächelte in ihr Kissen.
Sie hörte das leise Glucksen der Heizung, das tiefe Summen des Kühlschranks aus der Ferne, Papas gemütliches Bären-Schnarchen und Minkas warmes Schnurren.
Und sie hörte das Kitzeln der Stille.
Es war wie eine leise, lustige Melodie, die sie sanft in den Schlaf wiegte.
Lina gähnte ein winziges „Blubb-gähn“, fast wie die Goldfische.
Ihre Augen wurden schwer.
Das Kitzeln wurde leiser und leiser, oder vielleicht schliefen ihre Ohren auch langsam ein.
Sie kuschelte Herrn Brummel fest an sich.
„Gute Nacht, kitzelnde Stille“, murmelte sie noch.
Und dann schlief Lina Lauscher ein, mit einem kleinen Lächeln im Gesicht, und träumte von winzigen, unsichtbaren Stille-Kobolden, die mit flauschigen Federn die schlafende Welt kitzelten.