
Ole hat zu viel Ohrenschmalz! Doch statt peinlich ist es magisch: Er kann die Sterne flüstern hören und lauscht ihren kosmischen Geheimnissen.
Ole war ein ganz normaler Junge, fast.
Er hatte braune Haare, die immer ein bisschen zu Berge standen, egal wie oft Mama sie kämmte.
Er hatte ein Lächeln, das so breit war, dass man fast alle seine Milchzähne sehen konnte.
Und er hatte Ohren. Zwei Stück, wie die meisten Leute.
Aber Oles Ohren waren… nun ja, besonders.
Sie produzierten Ohrenschmalz. Viel Ohrenschmalz.
Nicht nur ein bisschen, wie bei anderen Kindern. Nein, Ole hatte Ohrenschmalz für drei!
Mama seufzte manchmal, wenn sie ihm abends die Ohren putzte.
„Mein kleiner Honigbär“, sagte sie dann sanft. „Deine Ohren sind ja wieder richtige Schatzkammern.“
Ole fand das gar nicht lustig. Schatzkammern? Eher klebrige, gelbe Höhlen!
Er mochte es nicht, wenn Mama mit dem weichen Tuch kam. Es kitzelte komisch.
Und er mochte es nicht, dass seine Ohren anders waren.
An diesem Abend war es wieder so weit.
Mama summte ein Liedchen und tupfte vorsichtig Oles linkes Ohr sauber.
„So“, sagte sie zufrieden. „Blitzeblank.“
Dann kam das rechte Ohr dran. „Huch! Hier ist ja wieder ein ganzer Goldklumpen drin!“
Ole verzog das Gesicht. „Ist nicht Gold, Mama. Ist nur Schmalz.“
Mama lachte leise. „Ich weiß doch, Spatz. Aber vielleicht ist es ja Zauberschmalz?“
Ole brummte nur. Zauberschmalz. So ein Quatsch.
Nach dem Zähneputzen und der Gutenachtgeschichte kuschelte sich Ole in sein Bett.
Sein Kuschelschaf Wolle saß wie immer neben ihm auf dem Kissen.
Draußen wurde es dunkel. Der Mond malte silberne Muster an die Wand.
Es war ganz still im Haus. Nur Papas leises Schnarchen drang aus dem Nebenzimmer.
Ole schloss die Augen. Er lauschte in die Stille hinein.
Aber… war es wirklich still?
Da war ein Geräusch. Ein ganz, ganz leises, feines Geräusch.
Wie ein Wispern. Ein Klingen. Ein Flüstern.
Ole spitzte die Ohren. Wo kam das her?
Es klang nicht wie Papas Schnarchen. Es klang… silbrig. Glitzernd.
Er setzte sich im Bett auf. Das Geräusch war immer noch da.
Es schien von draußen zu kommen. Von oben.
Ole rutschte aus dem Bett und schlich zum Fenster.
Er zog den Vorhang ein kleines Stück zur Seite und spähte hinaus.
Der Nachthimmel war klar. Tausende von Sternen funkelten wie Diamanten auf schwarzem Samt.
Und das Flüstern? Es wurde lauter, als er näher ans Fenster kam.
Es war, als würden die Sterne… reden?
Ole drückte sein rechtes Ohr an die kalte Fensterscheibe. Das Ohr, das Mama nicht ganz so gründlich sauber gemacht hatte.
Wow! Jetzt hörte er es viel deutlicher!
Das viele Ohrenschmalz… wirkte es wie ein Verstärker? Wie eine magische Antenne?
Mama hatte doch „Zauberschmalz“ gesagt!
Ole lauschte mit angehaltenem Atem.
Die Sterne flüsterten tatsächlich!
Ein kleiner Stern, ganz weit weg, kicherte: „Pst! Habt ihr gesehen? Der Mond hat schon wieder einen Schlaffleck auf der Wange!“
Ein größerer, gelber Stern brummte: „Lass ihn doch schlafen. Er hatte heute Nacht viel zu tun, musste den Weg für die Träume leuchten.“
Ein anderer murmelte: „Meine Güte, wer kitzelt mich denn da schon wieder mit Kometenstaub? Hör auf damit!“
Ole musste kichern. Die Sterne erzählten sich Witze!
Er lauschte weiter.
Sie sprachen von fernen Galaxien, von tanzenden Nordlichtern und von Planeten, die gerne Verstecken spielten.
Ein Sternenbild, das aussah wie ein großer Wagen, erzählte, wie es tagsüber faulenzte und nachts die verlorenen Schäfchenwolken einsammelte.
„…und dann sagte die kleine Wolke: ‚Ich will aber noch nicht ins Bett!‘“, flüsterte ein Stern.
„Typisch“, kicherte ein anderer.
Ole war fasziniert. Das war ja besser als jede Geschichte!
Er konnte die Geheimnisse des Universums hören!
Plötzlich flüsterte ein kleiner, besonders hell funkelnder Stern direkt über ihm: „Hallo da unten! Im gestreiften Schlafanzug!“
Ole zuckte zusammen. Meinte der Stern etwa ihn?
Er schaute an sich herunter. Ja, er trug seinen blau-weiß gestreiften Schlafanzug.
„Äh… hallo?“, flüsterte Ole zurück, ganz leise.
Der Stern funkelte aufgeregt. „Du kannst uns hören? Das ist ja toll! Die meisten Erdenkinder hören nur das Rauschen in ihren Ohren!“
„Ich hab Zauberschmalz“, erklärte Ole stolz.
„Zauberschmalz?“, kicherte der Stern. „Klingt gemütlich! Wir haben Sternenstaub in den Ohren, das hilft auch.“
Ole musste lachen. Sternenstaub in den Ohren!
„Was macht ihr da oben die ganze Nacht?“, fragte Ole neugierig.
„Oh, wir erzählen uns Geschichten“, flüsterte der Stern. „Wir singen Schlaflieder für die müden Planeten. Wir passen auf, dass keine Albträume durchs All schleichen. Und manchmal… manchmal zwinkern wir den Kindern zu, die nicht schlafen können.“
Der Stern zwinkerte Ole zu. Ein richtiges Funkel-Zwinkern.
„Kannst du mir ein Schlaflied singen?“, fragte Ole schüchtern.
„Aber klar doch!“, flüsterte der Stern.
Und dann begann er zu summen. Eine Melodie, so sanft und glitzernd wie Sternenlicht.
Es war kein Lied mit Worten, mehr ein Gefühl. Ein Gefühl von Weite, von Ruhe, von Geborgenheit im riesengroßen Universum.
Andere Sterne summten leise mit. Es war, als würde der ganze Himmel ein Schlaflied für Ole singen.
Ole stand am Fenster, sein Ohr an die Scheibe gedrückt, und lauschte.
Sein „Problem“-Ohrenschmalz war gar kein Problem. Es war ein Geschenk!
Er konnte die Sterne hören!
Langsam wurde er müde. Das Sternenlied war so beruhigend.
Er gähnte herzhaft.
„Schlaf gut, kleiner Erdenjunge mit dem Zauberschmalz“, flüsterte der Stern. „Wir passen auf dich auf.“
Ole lächelte. Er schlich zurück in sein Bett und kuschelte sich an Wolle.
Er schloss die Augen, aber er lauschte weiter.
Das leise, glitzernde Flüstern der Sterne wiegte ihn sanft in den Schlaf.
Er träumte von tanzenden Planeten, lachenden Kometen und Ohren voller funkelndem Sternenstaub.
Am nächsten Morgen wachte Ole erholt und glücklich auf.
Als Mama ins Zimmer kam, um ihn zu wecken, lächelte er sie breit an.
„Guten Morgen, mein Schatz“, sagte sie. „Gut geschlafen?“
Ole nickte. „Sehr gut. Die Sterne haben mir ein Schlaflied gesungen.“
Mama lachte. „Was du nicht alles träumst! Na komm, Zeit fürs Frühstück.“
Sie wollte ihm gerade wieder die Ohren anschauen, aber Ole sagte schnell: „Nicht heute, Mama. Mein Zauberschmalz muss drinbleiben. Es ist wichtig.“
Mama schaute ihn verwundert an, aber dann zuckte sie die Achseln. „Na gut. Aber morgen dann, ja?“
Ole nickte zufrieden.
Er würde sein Geheimnis für sich behalten. Das Geheimnis, dass er, Ole, der Junge mit dem vielen Ohrenschmalz, die Sterne flüstern hören konnte.
Und er freute sich schon auf die nächste Nacht, wenn er wieder am Fenster stehen und den Geschichten aus dem All lauschen würde.
Vielleicht würden sie ihm ja verraten, warum der Mond manchmal so käsig aussieht.